Sich als Kirche zu gesellschaftspolitischen Fragen einbringen:

Freiheit, Frieden und Demokratie sind keine Selbstverständlichkeiten. In Deutschland ermöglicht sie das Grundgesetz der Bundesrepublik. Dieses ist am 23. Mai 75 Jahre alt geworden.

Auch in der Wetzlarer Bahnhofstraße hieß es am Samstag: „Wir feiern unsere Demokratie und das Grundgesetz!“ Im Vorfeld der Europa- und der Landratswahl am 9. Juni präsentierten sich auf einer „Erlebnis-Meile für Respekt und Toleranz“ neben den demokratischen Parteien auch die Tafel Wetzlar, die WALI, die Lebenshilfe, die Stadtbibliothek, Vereine sowie Künstler und Aktionsgruppen – initiiert vom DemokratieBündnis Lahn Dill. „Unsere Demokratie ist in Gefahr. Klare Kante gegen rechts!“ So sieht es Frank Schneider aus Kölschhausen, Mitglied im Kreissynodalvorstand, der aus diesem Grund zum Demokratiefest gekommen ist.

Im Tafelladen hatten die Menschen Gelegenheit, sich bei Kaffee und Kuchen im Rahmen des Tafel-Cafés „Iss mit“, organisiert von der Freien Evangelischen Gemeinde Wetzlar, zu begegnen. Dass auch der Kirchenkreis an Lahn und Dill für Demokratie, Freiheit und Toleranz steht, wurde deutlich am Banner mit der Aufschrift „Unser Kreuz hat keine Haken“ im Schaufenster des Tafelladens. Zudem hatte Tafelleiter Christof Mayer dort Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ aufgehängt. „Für mich ist in diesem Artikel die ganze christliche Botschaft zusammengefasst“, erklärt Mayer. Dabei handele es sich nicht nur um eine Zustandsbeschreibung, sondern auch um eine Verpflichtung, ist der Tafelleiter überzeugt. Er berichtet, dass der Bruder seines Großvaters, der Politiker Paul Bausch, Mitglied im Bundestag und auch Mitglied im Parlamentarischen Rat war, der damals das Grundgesetz verfasste. Diese Tatsache hat auch Christof Mayer geprägt und ihm die Bedeutung des Grundgesetzes sehr eindrücklich gemacht.

Die szenischen Miniaturen „Die Leiter“, „Die Hartzhunde“ und „Zwei Frauen am Grab“ wurden zweimal von der Wetzlarer Arbeitsloseninitiative WALI aufgeführt. Hierbei ging es um die zunehmende Verdichtung und Dynamisierung von Arbeitsprozessen, die zunehmende Stigmatisierung von Langzeitarbeitslosen und um einen eher resignierenden Blick zurück auf ein trauriges Leben. „Aus meiner Perspektive müssen sich Kirchen – so auch die evangelische, der ich mich zugehörig fühle – politisch positionieren“, sagt Stefan Lerach, Geschäftsführer der WALI und Mitglied im Sozialethischen Ausschuss des Kirchenkreises an Lahn und Dill. Die evangelische Kirche stehe im Rahmen ihrer Verlautbarungen hinter der demokratischen Grundordnung. „Christliche Werte wie Nächstenliebe passen aus meiner Glaubenssicht nicht mit rassistischen Weltbildern zusammen. Ich freue mich sehr, dass ich mich in einem Kirchenkreis engagiere, in dem man mit dieser Position nicht am Rande steht, da sich viele Mitglieder aktiv bei gesellschaftspolitischen Fragen einbringen“, so Lerach.

Lieder zu Demokratie und Menschenrechten, eine Filmvorführung und viele weitere Angebote vervollständigten das Programm des Demokratiefestes.

„Wir können stolz auf unser Grundgesetz sein“, hatte Oberbürgermeister Manfred Wagner in seinem Grußwort zu Beginn erklärt. „Es ist ein Glücksfall, dass wir Freiheitsrechte haben und uns bunt und vielfältig in unserer Stadtgesellschaft präsentieren können.“ Demokratie sei jedoch kein „Zuschauersport“, sondern lebe vom Mitmachen.

Begrüßt hatte die Anwesenden Ernst Richter vom Sprecherkreis des DemokratieBündnisses Lahn-Dill.

Rund um das Bundeskanzleramt und den Deutschen Bundestag gibt es in diesen Tagen ebenfalls ein großes Demokratiefest. Die 20 Landeskirchen der EKD beteiligen sich auf ihre Weise an den Feiern und bieten Gottesdienste zu den einzelnen Artikeln des Grundgesetzes an.

Ein Gottesdienst der rheinischen Kirche zu Artikel 16 des Grundgesetzes findet am Sonntag, 26. Mai, in der Evangelischen Lutherkirche Bonn (Reuterstraße 11/Kurfürstenstraße) ab 10.30 Uhr statt. Prediger ist Armin Laschet, ehemaliger Ministerpräsident und Integrationsminister des Landes Nordrhein-Westfalen.

 

bkl

 

Bild 1: Im Tafelladen in der Bahnhofstraße hing zum Demokratiefest das Kirchenkreisbanner gegen Rechtsextremismus, auf das Frank Schneider vom KSV hinweist.

Bild 2: Unter anderem mit dem Banner zu Artikel 1 des Grundgesetzes präsentierte sich die Tafel Wetzlar.

Bild 3: „Demokratie lebt vom Mitmachen“, ist Oberbürgermeister Manfred Wagner überzeugt.

Bild 4: Die WALI gab mit szenischen Miniaturen zwei Theatervorstellungen, unter anderem zur Situation von Langzeitarbeitslosen.

Bild 5: Stefan Lerach von der WALI berichtete, dass es die Theatergruppe seit 25 Jahren gibt.

Bild 6: Die Vielfaltserklärung präsentieren Karin Buchner, Leiterin des Freiwilligenzentrums (r.) und Britta Westen von der Diakonie Lahn Dill.

Bild 7: Simone Ott von der Aktionsgruppe „Flucht.Punkte“ beschriftet ein Bodenplakat.

Bild 8: Begrüßt hatte die Anwesenden Ernst Richter und das Jugend-Blechbläserensemble der Wetzlarer Musikschule Lahn-Dill.