Gedenken am 9. November an der ehemaligen Synagoge in Wetzlar:

„Wir stehen hier, weil wir zusammenhalten wollen in unserem Einsatz für eine demokratische, bunte, tolerante Gesellschaft in einer Zeit, in der nun auch in vielen demokratischen Ländern der Ruck nach rechts und die die damit verbundene rigorose Staatsgewalt gegen Minderheiten, Fliehende und Andersdenkende tief erschüttert.“ Das hat Wolfgang Grieb beim Gedenken an die Pogromnacht 1938 in der Wetzlarer Pfannenstielsgasse am Standort der ehemaligen Synagoge gesagt.

Als Vertreter der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Gießen-Wetzlar wies der Hermannsteiner Pfarrer auf das Motto der derzeitigen Ökumenischen Friedensdekade „ZUSAMMEN:HALT“ hin, zu der die Kirchen in diesem Jahr in der Zeit vom 6. bis zum 16. November, dem Buß- und Bettag, aufrufen. „Wir wollen zusammen „HALT“ sagen zu Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung, verschlossenen Grenzen und zur Armutsspirale.“

Als Beispiele nannte Grieb die unsägliche Rhetorik der russischen Führung im Ukraine-Krieg mit ihren haarsträubenden Nazi- und Judenblutvergleichen sowie die Kunstausstellung Documenta in Kassel mit ihrer Präsentation antisemitischer Darstellungen vor aller Welt. Der Theologe plädierte für zivile gewaltlose Strategien und bezog sich dabei auf das kürzlich in der Wetzlarer Buderus-Arena aufgeführte Martin Luther King-Musical, bei dem er selbst mitgesungen hatte. Die gewaltlose Bewegung hätte trotz bitterer Rückschläge viel erreicht.

„Überall, wo wir im Geist der Wahrheit, der Versöhnung und der Liebe zusammenhalten, ist noch Raum für die Verwirklichung der großen biblischen Vision, die Christen, Juden und Muslime verbindet:

‚Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.‘“ (Micha 4,3)

 

Ansprachen bei der Gedenkfeier hielten auch Nicolas Obitz, Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Gießen, Lawrence de Donges-Amiss-Amiss von der Jüdischen Gemeinde Gießen und Dr. Oliver Nass, Enkel von Elsie Kühn-Leitz, die als Unterstützerin von Juden in der Zeit des Nationalsozialismus inhaftiert worden war.

Der katholische Dompfarrer Peter Hofacker las Psalm 146 und Elisabeth Hausen sang „Eli, Eli“ von der ungarischen Widerstandskämpferin Hannah Szenes. Zudem spielten Travis Meisner und Jörn Martens mit Klarinette und Gitarre den Soundtrack zum Film „Schindlers Liste“.

Für den Kreissynodalvorstand (KSV) nahm Superintendent Dr. Hartmut Sitzler an der Gedenkveranstaltung teil.

Begrüßt hatte die Anwesenden im Rahmen einer Kranzniederlegung Oberbürgermeister Manfred Wagner. „Nichts gehört der Vergangenheit an“, zitierte er den jüdischen Juristen Fritz Bauer. „Alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.“

bkl

 

Pfarrer Wolfgang Grieb wies in seiner Ansprache an der ehemaligen Synagoge in Wetzlar am 9. November auch auf die Bedeutung der Ökumenischen Friedensdekade unter dem Motto ZUSAMMEN:HALT hin.