Siegfried Fietz komponierte Melodie für beliebtestes Kirchenlied:
Der 75-jährige Liedermacher, Songwriter, Komponist und Sänger Siegfried Fietz (Greifenstein bei Gießen) gehört zu den bekanntesten christlichen Autoren. Jetzt ist ihm eine weitere Ehre zuteilgeworden. In einer Umfrage der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde das von ihm komponierte Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ zum beliebtesten Kirchenlied gekoren. Künftig wird es nicht mehr im Liederanhang sondern im Hauptteil des Kirchengesangbuches zu finden sein. Dort hat bisher eine Version von Otto Abel (1905 bis 1977) unter der Nummer 65 seit Jahren einen festen Platz.
Rund 10.000 Menschen haben sich an dem Wettbewerb beteiligt, bei dem die Teilnehmer ihre persönlichen Lieblings-Kirchenlieder nennen konnten, die im neuen für 2030 geplanten Gesangbuch stehen sollten. Dabei wurden 2500 verschiedene Lieder genannt. Am häufigsten wurde das von Fietz populär gemachte Lied „Von guten Mächten“ vorgeschlagen. Es geht auf ein Gedicht des 1945 von den Nationalsozialisten ermordeten Berliner Pfarrers und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer (1906 bis 1945) zurück. Bonhoeffer verfasste den Liedtext im Dezember 1944, als er bereits in der Gestapo-Haft im Reichssicherheitshauptamt in Berlin saß. Ursprünglich als Weihnachtsgruß für seine Braut, die Eltern und Geschwister geschrieben, stellt das Gedicht den letzten erhaltenen theologischen Text vor seiner Hinrichtung am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg in der Oberpfalz dar.
Das Gedicht wurde von über 70 Komponisten vertont. Am populärsten aber wurde die 1970 von Fietz geschaffene Version, mit dem er es zu Weltruhm brachte. Sein Video im Internet dazu wurde weit über neun Millionen Mal angeklickt. Selbst in Ostasien ist der Song in den letzten Jahren zu einem Hit geworden. Die Christen Südkoreas haben das Lied für sich entdeckt und singen es mit Inbrunst in ihren Gemeinden. Bei Spotyfi wird das Lied nach Angaben von Fietz in 82 Ländern weltweit gestreamt. „Es war in den Fünfzigerjahren, als ich Zeilen des Liedes erstmals im Wohnzimmer unserer Nachbarn als Wandspruch sah“, erinnert sich Fietz.
Jahre später habe er sich mit dem Theologen beschäftigt und darüber nachgedacht, wie er den Text in Musik umsetzen könnte. In den Worten von Bonhoeffer habe er die Flüchtlingssituation seiner Eltern und die schreckliche nationalsozialistische Zeit verarbeiten können. Zunächst nahm Fietz das Lied beim Wetzlarer Hermann Schulte-Verlag auf, für den er damals als leitender Musikproduzent arbeitete. Der Durchbruch aber sei mit der erneuten Aufnahme des Liedes in einem professionellen Studio mit dem Gitarristen Sigi Schwab in München gekommen. Sein Werk sei vor 50 Jahren auch von kirchlichen Zeitungen kritisch gesehen worden. Ein Redakteur schrieb „Fietz ist von allen guten Mächten verlassen. Er bringt uns Dachau ins Wohnzimmer“.
red / Foto: ABAKUS