Delegierte aus dem Kirchenkreis an Lahn und Dill bei rheinischer Landessynode:

 Kirchenleitungswahlen, die künftige Gestalt der rheinischen Kirche in einer sich verändernden Gesellschaft, die Themen Friedensethik und Flüchtlingsschutz sowie der letzte Bericht von Präses Manfred Rekowski waren Schwerpunkte der fünftägigen Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). An der Tagung nahmen mit Rolf Bastian (Dutenhofen), Rita Broermann-Becker (Wetzlar), Pfarrerin Alexandra Hans (Wißmar) und dem neuen Superintendenten Dr. Hartmut Sitzler (Kröffelbach) auch die Delegierten des Evangelischen Kirchenkreises an Lahn und Dill teil.

Zum neuen Präses und damit zum obersten Repräsentanten der Landeskirche bestimmte die Synode Dr. Thorsten Latzel aus Darmstadt. Er wurde im ersten Wahlgang mit 113 von 190 abgegebenen Stimmen gewählt und setzte sich damit gegen seinen Mitbewerber, Professor Dr. Reiner Knieling, Leiter des Gemeindekollegs der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), und seine Mitbewerberin Almut van Niekerk, Superintendentin des Kirchenkreises An Sieg und Rhein, durch. Der 50-Jährige ist bislang Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt und möchte in seinem neuen Amt mit einer christlichen Perspektive der Hoffnung die großen Herausforderungen der Gesellschaft wie Gewalt, Ungerechtigkeit und antidemokratische Kräfte angehen. Latzel wird Nachfolger von Manfred Rekowski (62), der im Frühjahr nach achtjähriger Amtszeit in den Ruhestand tritt.

„Ich konnte bei der Wahl des neuen Präses mitentscheiden. Das hat mich besonders gefreut“, so Rita Broermann-Becker, erstmals bei der Landessynode dabei. „Als einziger hessischer Kirchenkreis in der rheinischen Kirche fühlen wir uns mit einem Präses, der aus Frankfurt kommt, natürlich besonders wahrgenommen.“ Die heimischen Landessynodalen beteiligten sich an den Sitzungen unter strengen Hygiene- und Abstandsregeln vom Kirchenamt in Wetzlar aus. Bedingt durch die Pandemie fand die Synode, die sonst im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr tagt, erstmals als Videokonferenz statt und wurde vom Haus der Landeskirche in Düsseldorf aus geleitet. „Die technischen Voraussetzungen haben gestimmt“, befand Broermann-Becker. „Das hat die Landeskirche sehr gut hinbekommen.“ Und die Möglichkeit, sich in den verschiedenen Räumen des Kirchenamtes als Landessynodale untereinander austauschen zu können, empfand sie als hilfreich.

„Bemerkenswert finde ich, dass diese Landessynode gleichzeitig für eine Öffnung und für eine Vergewisserung steht“, stellte Superintendent Hartmut Sitzler fest, der ebenfalls zum ersten Mal bei einer Landessynode dabei war. „Die rheinische Kirche öffnet sich, indem sie Jugendlichen mehr Möglichkeiten zur Teilhabe und damit mehr Raum gibt, die Arbeit in den Kirchengemeinden mitzugestalten. Gleichzeitig steht die Synode für Vergewisserung, denn sie hat die Barmer Theologische Erklärung von 1934 als zentrale theologische Äußerung der Bekennenden Kirche unter der nationalsozialistischen Herrschaft in die Grundartikel der Kirchenordnung aufgenommen.“

Mit der Verabschiedung eines Friedenswortes anlässlich des Endes der Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren hatte die Landessynode 2018 dafür plädiert, die rheinische Kirche zu einer „Kirche des gerechten Friedens“ zu machen und einen friedensethischen Diskurs auf allen kirchlichen Ebenen angestoßen. Auch im Kirchenkreis an Lahn und Dill hatte das Thema eine wichtige Rolle gespielt: im Pfarrkonvent, im Rahmen von durch den Arbeitskreis Frieden initiierten Veranstaltungen in Gemeinden und Kirchenkreis sowie auf der Herbstsynode 2019 mit der Bitte an die Bundesregierung, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen. Sich dafür einzusetzen, darum bat die Landessynode auch jetzt die Kirchenleitung – auch im Blick darauf, dass der von den Vereinten Nationen 2017 verabschiedete Atomwaffenverbotsvertrag am 22. Januar in Kraft tritt. Zudem bekräftigte das Gremium seinen Beschluss zu den Atomwaffen in Büchel von 2010. Dabei ging es um den Abzug der US-amerikanischen Atombomben aus Deutschland.

Wie veränderungsfähig die rheinische Kirche sei, habe die Corona-Krise mit dem durch sie ausgelösten Digitalisierungsschub gezeigt, sagte Präses Manfred Rekowski in seinem letzten Jahresbericht vor der Synode. „So erreichen Gemeinden auch Menschen, die sonst nicht in unsere Gemeindehäuser gekommen wären.“ Aber auch analoge Angebote wie beispielsweise Briefe, Telefonate oder Sonderausgaben von Gemeindebriefen seien wiederbelebt worden. Zudem hob Rekowski hervor, dass die Corona-Pandemie die Schwächsten weltweit in besonderer Weise treffe, und benannte hier die bedrohten Existenzgrundlagen. „Wir dürfen nicht die Menschen aus dem Auge verlieren, die schon alles verloren haben!“ so Rekowski. „Verhältnisse, wie wir sie in den Flüchtlingslagern am Rande der EU erleben, dürfen nicht sein, das dürfen wir nicht dulden!“, betonte der Präses, der auch Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Bereits 2010 hatte die Landessynode gegen das anhaltende Massensterben der Flüchtlinge, Migranten und Migrantinnen an den hoch aufgerüsteten und streng bewachten Grenzen protestiert und die Kirchenleitung beauftragt, ihr jährlich über das Thema zu berichten, wie es jetzt mit dem 11. Bericht zum Flüchtlingsschutz an den EU-Außengrenzen geschah. „Mit der Bewegung ‚Seebrücke‘ und dem Bündnis ‚Städte Sichere Häfen‘ setzt sich die EKiR für die Aufnahme von Geflüchteten ein“ heißt es in dem Papier. Bereits am ersten Sitzungstag der Synode waren an Kollekte für die Flüchtlingshilfe in Griechenland mehrere tausend Euro zusammengekommen.
„Wir bleiben auch Kirche mit gesellschaftlichem, öffentlichen Anspruch, wenn wir zahlenmäßig keine gesellschaftlich relevante Gruppe mehr sind“, so Manfred Rekowski zum Thema „Kirche im Wandel“. Das Evangelium sei nämlich gesellschaftlich und existenziell relevant. „Die Kirche Jesu Christi ist nicht an eine bestimmte institutionelle Form gebunden“, erklärte er, und fügte hinzu: “ Wir müssen lernen, diasporafähig zu werden.“

Den Haushalt 2021 beschloss die Synode mit einem Gesamtvolumen von rund 532 Millionen Euro. Ein coronabedingtes Defizit von 7,5 Millionen Euro kann aus Rücklagen gedeckt werden – wobei die langfristigen Folgen der Pandemie noch nicht absehbar sind, wie Finanzchef Bernd Baucks erläuterte. Eine finanzielle Entlastung gibt es voraussichtlich durch die Verringerung der notwendigen Ausgaben für die Versorgungssicherung der Pfarrerinnen und Pfarrer.

 

Weitere Informationen zur Landessynode sind unter http://www.ekir.de/landessynode zu finden.

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Beschlüsse und Beratungsgegenstände ist unter synode.info Landessynode 2021 verfügbar.

 

Hintergrund „Präses“
Der Präses (lateinisch: Vorsitzende/r) hat in der rheinischen Kirche das leitende geistliche Amt inne. Er vertritt die Landeskirche nach außen und ist für acht Jahre von der Landessynode gewählt, der er ebenso vorsteht wie der 15-köpfigen Kirchenleitung und dem Landeskirchenamt in Düsseldorf.

EKD-weit gibt es eine Präses nur noch in Westfalen. Dort hat Annette Kurschus das Amt inne. In anderen Landeskirchen lauten die Bezeichnungen für die leitenden Geistlichen Bischof oder Kirchenpräsident, Landessuperintendent (Lippe) oder Schriftführer (Bremen).

An der Spitze der EKiR standen bislang acht Männer: Heinrich Held (1949-1958), Joachim Beckmann (1958-1971), Karl Immer (1971-1981), Gerhardt Brandt (1981-1989), Peter Beier (1989-1997), Manfred Kock (1997-2003), Nikolaus Schneider (2003-2013) sowie der im März in den Ruhestand tretende Manfred Rekowski (seit 2013).

 

Hintergrund „Landessynode“
Die in der Regel Anfang Januar und damit als erste aller EKD-Gliedkirchen jährlich tagende Landessynode ist das oberste Leitungsgremium der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Sie entscheidet über die wichtigsten Belange der Landeskirche. Von den rund 2,4 Millionen Mitgliedern der rheinischen Kirche, die zwischen Niederrhein und Saar in 37 Kirchenkreisen mit 655 Kirchengemeinden organisiert sind, gehören knapp 70.000 zu Hessen. Im Kirchenkreis an Lahn und Dill gibt es insgesamt 43 Kirchengemeinden. Oberster Repräsentant der EKiR als der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland ist seit 2013 Präses Manfred Rekowski. Er steht gleichzeitig der Kirchenleitung vor, die in der Zeit, in der die Landessynode nicht tagt, die Geschäfte führt.

bkl

 

[vc_gallery interval=”5″ images=”11760,11763,11762,11753″ img_size=”full”]Bild 1: Vertraten den Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill bei der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland und trafen sich zu den Sitzungen im Wetzlarer Kirchenamt (v.l.):  Hartmut Sitzler, Rolf Bastian, Rita Broermann-Becker und Alexandra Hans.

Bild 2: Der Abgeordnete Rolf Bastian aus Dutenhofen hatte seinen Arbeitsplatz bei der Landessynode wie alle Delegierten im Kirchenamt in Wetzlar.

Bild 3: Pfarrerin Alexandra Hans aus Wißmar verfolgte die Landessynode von ihrem Arbeitsplatz im Wetzlarer Kirchenamt aus.

Bild 4: Dr. Thorsten Latzel wurde zum neuen Präses der rheinischen Kirche gewählt (Foto: ekir.de)