Pastor Ernst von der Recke leitete Arbeitsgruppe bei digitaler Veranstaltung:

Der Vorsitzende des Arbeitskreises Frieden, Pastor Ernst von der Recke, hat eine Arbeitsgruppe bei einer digitalen Veranstaltung der Evangelischen Akademie im Rheinland geleitet. Von seinen Erfahrungen und Eindrücken berichtet er hier:

Die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland hat im Januar diesen Jahres einen Beschluss zur Friedensethik gefasst. Er baut auf dem „Friedenswort 2018“ auf, in dem das „Leitbild einer Kirche des gerechten Friedens“ entworfen wurde. Gemeinden, kirchliche Einrichtungen und Kirchenkreise sind aufgefordert, dieses Leitbild mit Leben zu erfüllen. Diesem Zweck diente der Friedensethische Studientag am 4. September. Der Titel der von der Evangelischen Akademie im Rheinland digital durchgeführten Veranstaltung lautete: „Populismus, Ohnmacht und soziale Ungleichheit als Herausforderung für Demokratie – Was können wir tun?“

Pastor Ernst von der Recke vom Arbeitskreis Frieden im Kirchenkreis an Lahn und Dill war gebeten worden, zum Thema „Friedensstifter*innen zwischen Ohnmacht und Vollmacht“ eine der Arbeitsgruppen zu leiten.

Voraus gegangen war u.a. ein Vortrag von Prof. Dr. Thomas Kliche über Ohnmacht bzw. Machtlosigkeit. Er unterscheidet drei Ebenen. Erstens die persönliche Ebene, z.B. wenn erlebte oder ererbte Traumata einen eigenen Lebensentwurf durchkreuzen. Zweitens die Ebene von Institutionen wie Schule, Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege, Betriebe, Flüchtlingsunterkünfte, Polizeieinheiten und Militär. Dort, wo eine Dominanzkultur praktiziert wird, ist freie Entfaltung eingeschränkt. Schließlich ist da die Ebene von Staaten, Bündnissen und Wirtschaftsmächten, in denen kritische Teilhabe unmöglich erscheint. Das Gefühl der Machtlosigkeit führt zu Vertrauensverlust. Populisten nutzen das aus und gaukeln einfache Lösungen vor. Machtlosigkeit ist eine Quelle von Schwermut. Manche fliehen davor, in dem sie gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit praktizieren. Ohnmachtsgefühle treten auch im Zusammenhang mit Klimakatastrophen auf. Menschen werden zu Komplizen böser Verhältnisse. Anstatt die Herausforderung einer Umsteuerung in der Klimapolitik anzunehmen, versuchen manche, diesen Zustand als unabwendbar zu rechtfertigen.

Was können die Kirchen und was können Gläubige angesichts dessen tun? Ernst von der Recke stellte für seine AG theologische Thesen zur Diskussion. Er bezog sich zunächst auf die Versuchungsgeschichte Jesu, in der er das Angebot des Teufels von Machtmitteln zur Herrschaft über die Reiche der Welt ablehnte. Weiter ließ er sich leiten von Evangeliumstexten, in denen berichtet wird, dass Jesus „vollmächtig“ auftrat – so z.B. im Anschluss an die Bergpredigt. Vollmächtiges Handeln wird ferner konstatiert bei Jesu Krankenheilungen und besonders bei Totenauferweckungen. Einmal wird Jesus selbst gefragt, aus welcher Vollmacht er den Tempel gereinigt hat. In dieser Situation verweigert er die Antwort. Seine Gegner lassen keine Bereitschaft erkennen, ihre Autorität zu hinterfragen. Die letzte These handelt von der Aufforderung Jesu zur Barmherzigkeit: „Friedensstifter*innen orientieren sich an Gottes schöpferischem Handeln. Es äußert sich als eine Kraft mütterlicher Liebe. Sie beruht nicht auf Durchsetzungswillen, sondern bringt in Liebe Neues hervor, nährt es und begleitet sein Wachstum.“

Ulrich Frey, langjähriger Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden hat das Ergebnis der Tagung zusammengefasst. Unter anderem formulierte er: „Demokratie muss in strukturierten Gemeinschaften, also in den personalen Räumen, z.B. Schulen, offener Jugendarbeit und anderen Gruppen, in Gemeinden und überregional geübt werden – gegen das Gefühl der Ohnmacht „Ich/Wir können ja doch nichts ausrichten!“”

Die 27 Teilnehmenden der Tagung, die zum großen Teil aus der Jugendarbeit und der Diakonie stammten, möchten dazu beitragen, dass Frieden in unserer Lebenswelt praktisch erfahrbar wird. Sie erwarten von ihrer Kirche, dass sie zu öffentlich bedeutsamen Fragen Position bezieht. Unter anderem wurde die Forderung nach einer sozial wirksamen Kindergrundsicherung erhoben. Um der steigenden Trennung der Gesellschaft in Vermögende und Arme entgegen zu wirken und um das Ziel eines nachhaltigen Gemeinwesens nicht zu verlieren, sollte Reichtum angemessen besteuert werden. Ferner drangen die Teilnehmenden darauf, dass unter dem Leitgedanken von gemeinsamer Sicherheit die Abschreckung mit Atomwaffen nicht länger toleriert werden darf. So hoffen sie, Impulse für mehr mutiges Engagement gesetzt zu haben.

von der Recke/Foto:bkl