Zwillingsbrüder im Glauben: Christen aus  katholischen, evangelischen und freikirchlichen Gemeinden der Region begehen gemeinsam  die Ökumenische Woche:

Die menschliche Gemeinschaft sei von Spaltung bedroht, sagte Tilo Linthe auf der Bühne am Domplatz. Durch die Konflikte über Corona, den Ukrainekrieg und die Lieferung schwerer Waffen drohe die Gesellschaft oft auseinanderzubrechen: „Doch mit dieser ökumenischen Woche wollen die Christen ein Zeichen für Gemeinschaft setzen.“ Mit diesen Worten läutete der Pfarrer der Wetzlarer Baptistengemeinde eine Veranstaltung ein, die es so noch nie gegeben hat: Die vielen unterschiedlichen christlichen Gemeinden und Konfessionen feierten am Pfingstmontag erstmals einen gemeinsamen Open-Air-Gottesdienst auf dem zentralen Platz am historischen Dom der Stadt. Es war die Zentralveranstaltung zur „Ökumenischen Woche“, die bis zum 12. Juni von Protestanten, Katholiken und verschiedenen freikirchliche Gemeinden in der Region Lahn-Dill-Wettenberg veranstaltet wird.

Tatsächlich mischten sich hier auf den vollbesetzten Bänken in der Morgensonne des Pfingsttages Mitglieder der verschiedensten Glaubensrichtungen. Die Aktiven, die auf der Bühne beteten und sangen, stellten sich jeweils mit ihrem Namen vor und sagten, zu welcher Gemeinde sie gehörten. Darunter waren nicht nur Vertreter der evangelischen und katholischen Domgemeinden, sondern auch Methodisten, Baptisten und der Anskarkirche. Die Band der Freien Evangelischen Gemeinde am Blankenfeld begleitete den Gottesdienst mit Keyboard, Gitarre, Schlagzeug und Sologesang. Auch am Rande des  Domplatzes und am Goethebrunnen blieben Zaungäste hängen, setzten sich spontan auf die Stufen und verfolgten den Gottesdienst. Björn Heymer, der evangelische Dompfarrer nannte den katholischen Dompfarrer Peter Hofacker seinen „katholischen Zwillingsbruder“, beide legten das Evangelium zusammen in einer Dialogpredigt aus. Die Kollekte galt der Ukrainehilfe, die Spendenkörbe wanderten durch die Reihen und wurden reichlich gefüllt.

Nach dem Gottesdienst ging die Veranstaltung in ein Fest der Ökumene über: Es gab Bratwurst, Salat und Waffeln von den Mitarbeitern der „Jungen Arbeit“, eine humoristische Domführung, bei der Jürgen Wegmann zahlreiche witzige Anekdoten aus der langen Geschichte des Domes präsentierte, und eine ebenso heiter-informative ökumenische Domführung der beiden Dompfarrer. Die Kinder wurden von einem Herrn mit imposantem Stab und mittelalterlicher Kleidung, der sich „Bommel“ nannte, durch den Dom geführt. Schon sein Outfit sorgte für große Aufmerksamkeit.

Die Idee zu der regionalen ökumenischen Woche war zunächst aus Enttäuschung entstanden. Denn im vergangenen Jahr wäre in Frankfurt der 3. Ökumenische Kirchentag in Deutschland gewesen. „Weil das nur eingeschränkt möglich war, bieten wir nun in der Region eine Woche der ökumenischen Begegnungen und des gemeinsamen Feierns an“, heißt es in der Einladung zu der Ökumenischen Woche.

Deren buntes Programm geht in dieser Woche weiter: Es gibt Pilgerwege, Bibelgespräche, Gottesdienste und Diskussionen über aktuelle gesellschaftliche Themen, nicht nur in Wetzlar, sondern auch in Hermannstein, Schwalbach oder Krofdorf. Am Freitag um 19 Uhr etwa öffnet die koptisch-orthodoxe Gemeinde Wetzlar im Westend erstmals ihre Türen für eine öffentliche Veranstaltung. Ihre Kirche ist die ehemals katholische, aber kaum mehr genutzte Elisabeth-Kirche, die von der koptisch-orthodoxen Gemeinde gekauft und umgebaut worden ist. Ebenfalls am Freitagabend diskutieren Christen, Juden und Muslime im Hermannsteiner Gemeindehaus bei einer interreligiösen Veranstaltung über die Frage: „Frieden schaffen – mit oder ohne Waffen?“ und verbinden sich in einem Friedenssegen.  Den Abschluss der ökumenischen Woche bildet am kommenden Sonntag um 14.30 Uhr ein Gottesdienst auf dem Kloster Altenberg mit dem beliebten Pfarrer, Schriftsteller und Kabarettisten Fabian Vogt. Programmflyer sind an den Schriftenständen im Dom und im Internet  unter  der Adresse

https://evangelisch-an-lahn-und-dill.de/aktuelles/gemeinsam-christus-begegnen/

zu finden.

Wie vielstimmig die Gemeinschaft der Christen zusammen wirken kann zeigte sich am Pfingstmontag auf dem Domplatz auch beim Auftritt des Handglockenchors aus Hüttenberg, als der mit leisen Glockentönen den Kanon „Dona nobis pacem“ intonierte. Gib uns deinen Frieden. Die Besucher aus den verschiedenen Konfessionen stimmten spontan in den Kanon ein und so hallte der Wunsch nach Frieden, vor allem in der Ukraine, zart und bewegend bis in die Stadt hinein.

eml  / Fotos: Lerch / Komesker 

Bild 1: Als Zwillingsbrüder im Glauben stellten sich der evangelische Pfarrer Björn Heymer (r.) und der katholische Pfarrer Peter Hofacker (l.) beim Ökumenefest dar.

Bild 2: Tilo Linthe, Pastor der Wetzlarer Baptistengemeinde, begrüßte die Gäste.

Bild 3: Voll besetzt waren die Plätze beim Ökumenefest auf dem Domplatz.

Bild 4: Die FEG-Band gestaltete den Gottesdienst musikalisch.

Bild 5: Eine Wursttheke hatte die Junge Arbeit aufgebaut.