Ökumenischer Weltgebetstag aus Palästina mit 60-jährigem Jubiläum und arabischen Liedern:

„Warum gerade eine Palästina-Liturgie für den Gottesdienst zum Weltgebetstag (WGT) in diesem Jahr?“ mögen sich manche gefragt haben. Doch die Wahl auf Palästina ist international bereits vor mehreren Jahren gefallen – also vor dem vergangenen Herbst. Das deutsche Komitee hat die Liturgie aktuell ergänzt, mit Erläuterungen, Fürbitten für Jüdinnen und Juden und einer Schweigeminute „für alle, die seit dem 7. Oktober 2023 in Israel und Palästina in unvorstellbarem Ausmaß unter Terror, Not, Krieg und sexualisierter Gewalt leiden.“ Den grausamen Terroranschlag der Hamas verurteilt das deutsche WGT-Komitee scharf.

„…durch das Band des Friedens“ lautete demgegenüber das Motto für den ökumenischen Gottesdienst am ersten Freitag im März. Im Mittelpunkt stand dabei der Brief an die Gemeinde in Ephesus aus dem Neuen Testament, Kapitel 4, Verse 1-7. Auch wenn der Frieden im Heiligen Land eine ferne Vision zu sein scheint, beteten die Frauen auch in der Region an Lahn und Dill dafür, dass von allen Seiten das Menschenmögliche für das Erreichen des Friedens getan wird.

So ging es in den Gottesdiensten darum, mit den Stimmen der Frauen aus den Gemeinden drei Palästinenserinnen zu Wort kommen zu lassen, die als Christinnen mit lediglich ein Prozent Bevölkerungsanteil eine Minderheit sind und auf diesem Hintergrund von ihrem Glauben, ihrem Alltag und ihrer Friedenssehnsucht erzählen. Die Nichte der christlichen Journalistin Shireen Abu Akleh, die 2022 bei einem Presseeinsatz getötet wurde, beschrieb beispielsweise, wie ihre Tante für den gleichberechtigten Zugang aller Religionen zu den heiligen Stätten in Jerusalem kämpfte. Ebenso erzählten Frauen von Vertreibung und Verlust der Heimat und ihren damit verbundenen Hoffnungen. Gottesdienstbesucher beteten für ein Ende der israelischen Besatzung.

„Genau vor 60 Jahren wurde hier in der Dorlarer Klosterkirche erstmals im ehemaligen Kirchenkreis Wetzlar der Weltgebetstag gefeiert“, berichtete Pfarrerin Manuela Bünger in ihrer Begrüßung über das Jubiläum. 1962 habe die Kreissynode eine ökumenische Arbeitsgruppe mit Pfarrer Johannes Brückmann aus Büblingshausen und Pfarrer Erwin Gerlach (Dorlar/ Atzbach) ins Leben gerufen. Eine der ersten Aktionen sei die Initiierung des Weltgebetstages gewesen. Ab 1966 habe der Tag in Büblingshausen stattgefunden bis 1974 das Gemeindehaus für Dorlar und Atzbach fertiggestellt war und man sich dort auch zu Nachfeiern treffen konnte.

Waltraud Borries, Vorsitzende der Frauenhilfe Dorlar/Atzbach und seit 1966 Mitgestalterin der Weltgebetstage, hatte den Gottesdienst gemeinsam mit einem ökumenischen Team vorbereitet. Schon unter den biblischen Aposteln habe es unterschiedliche Typen gegeben, die sich aber einig im Glauben an den einen Gott waren, so die katholische Gemeindereferentin Alexandra Mühl in ihrer Predigt. „Wichtig ist, den anderen vergebend zu ertragen und ihn trotz aller Unterschiedlichkeit ins Herz zu schließen.“ So könne ein Band des Friedens entstehen. Als Ermutigung, einander in aller Unterschiedlichkeit anzunehmen, wurden bunte Gummibärchen verteilt. In einen Olivenbaum waren kleine Friedensbänder geknüpft. Pfarrerin Bünger begleitete den Gottesdienst mit verschiedenen Blas- und Zupfinstrumenten musikalisch. Hintergrundinformationen zu Palästina präsentierte Hedwig Kleinhans.

Eine eindrückliche Vorstellung Palästinas gab es auch in der evangelischen Kirche in Hermannstein, wo Jana Grieb, die seit fünf Jahren dort lebt, die Geschichte des Konfliktes mit Israel und die Situation palästinensischer Frauen darstellte. Die evangelischen Kirchengemeinden Niedergirmes, Naunheim, Hermannstein und die katholische Kirchengemeinde Unsere Liebe Frau Wetzlar, Kirchort St. Walburgis hatten den Gottesdienst unter Leitung von Gunhild Schiewe-Grieb gemeinsam vorbereitet.

Szenische Nachstellungen machten die Geschichten der drei palästinensischen Christinnen lebendig. Entsprechende Symbole trugen die Frauen auf einem Tisch vor dem Altar zusammen. „Wir wollen mit euch darauf vertrauen, dass Gott Einheit schafft trotz aller Unterschiede und Zerrissenheit“, bezog sich Diakonin Inge Lehrbach-Bähr in ihrer Auslegung des Bibeltextes auf die drei Palästinenserinnen. Dazu gehöre, sich gegenseitig auszuhalten, einander zuzuhören und den Mächten, die trennen wollten, zu widerstehen. „Christus ist das Band des Friedens, das uns alle zusammenhält“, betonte sie. Als Zeichen dafür fassten sich alle beim Fürbittengebet, an dem sich auch Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht beteiligte, an den Händen.

Arabische Liedvorträge der christlichen Palästinenserin Marina Groß-Abu Dayyeh aus Rechtenbach (ursprünglich aus Beit Jala), die zudem gemeinsam mit Angela Berkenkamp sang, ein Flötentrio und Klavierbegleitung bereicherten den Gottesdienst musikalisch.

Im Anschluss an die Gottesdienste in Dorlar und Hermannstein waren Besucherinnen zur Begegnung bei Kaffee, Kuchen und landestypischen Speisen eingeladen.

Mit dem „Band des Friedens“, um das es an diesem Tag ging, ist die Hoffnung verbunden, dass der Weltgebetstag 2024 dazu beiträgt, dass Verständigung, Versöhnung und Frieden eine Chance bekommen, in Israel und Palästina, im Nahen Osten und auch in Deutschland.

 

Hintergrund Weltgebetstag
Die ökumenisch ausgerichtete Weltgebetstags-Bewegung existiert seit fast 100 Jahren. Jedes Jahr bereiten christliche Frauen aus einem anderen Land diesen Tag vor, der jeweils am ersten Freitag im März in mehr als 150 Ländern rund um den Globus gefeiert wird. Die Frauen machen sich stark für die Rechte von Frauen und Mädchen in Kirche und Gesellschaft. Mit der Kollekte werden weltweit über 100 Partnerorganisationen unterstützt, die Frauen und Kinder stärken.

 

bkl

Bild 1: Gestalteten einen lebendigen Weltgebetstagsgottesdienst in der evangelischen Kirche in Hermannstein: Gunhild Schiewe-Grieb (r.) und ihr Team. Auf dem Tisch sind Symbole aus den Lebensgeschichten dreier palästinensischer Christinnen zusammengestellt.

Bild 2: In der evangelischen Klosterkirche in Dorlar hatte eine Gruppe katholischer und evangelischer Frauen den Gottesdienst zum 60-jährigen Jubiläum unter Leitung von Waltraud Borries (4.v.r.) gemeinsam vorbereitet. Mit dabei: die 92-jährige Luise Dinter aus Atzbach (2.v.l.), die seit 1964 viele Jahre lang den Weltgebetstag mitgestaltet und dort Eine-Welt-Artikel verkauft hat.

Bild 3: Ein Flötentrio mit (v.l.) Margrit Kruber-Arnold, Ludmilla Arcade-Eckhardt und Katrin Glatthaar begleitete die Lieder im Gottesdienst in Hermannstein.

Bild 4: Dass die palästinensische Journalistin Shireen Abu Akleh Christin war, erfuhren viele erst im Weltgebetstags-Gottesdienst.

Bild 5: Lieder auf Arabisch und Deutsch hörten Gottesdienstbesucherinnen in Hermannstein von (v.l.) Marina Groß-Abu Dayyeh und Angela Berkenkamp.

Bild 6: Landestypische Speisen gab es nach dem Gottesdienst in der Dorlarer Klosterkirche.

Bild 7: Das Symbol des Weltgebetstages hat 1964 Elisabeth Brückmann gestickt, die die Weltgebetstage in Dorlar/Atzbach organisierte und dabei den Kontakt zur katholischen Gemeinde intensivierte.