Neue Veranstaltungsreihe „Kirche in der Gesellschaft“ beginnt:

„Armut“ lautete das Thema, zu dem sich Referenten und Teilnehmende aus Kirche, Diakonie und Politik im Gemeindesaal der Wetzlarer Hospitalkirche getroffen haben.

Es war der Auftakt zur neuen Veranstaltungsreihe „Kirche in der Gesellschaft“ des Sozialethischen Ausschusses im Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill.

Impulse zu Beginn gaben Stephan Aurand, hauptamtlicher Kreisbeigeordneter im Lahn-Dill-Kreis und Stefan Lerach, Geschäftsführer der Arbeitsloseninitiative im Lahn-Dill-Kreis, WALI e.V. Das anschließende lebendig verlaufende Gespräch im Stuhlkreis moderierte der Vorsitzende des Sozialethischen Ausschusses, Pfarrer Ulrich Müller.

Die Situation armer Menschen im Lahn-Dill-Kreis skizzierte Stephan Aurand. Von den 253.000 Einwohnern seien 25.000 mindestens arm oder von Armut bedroht, sagte der Sozialdezernent. Hinzu kämen etwa 10 Prozent, die ebenfalls am Rande der Existenznot lebten. Die Spaltung zwischen Arm und Reich wachse. Gleiches gelte für die Fluchtbewegung, die den Kreis als dauerhafte Erscheinung weiter beschäftige. „Derzeit werden 1.800 Menschen aus der Ukraine vom kommunalen Jobcenter versorgt“, stellte Aurand fest, „insgesamt sind es mehr als 18.500 Personen, die eine Versorgung durch das Jobcenter erhalten.“ Hinzu kämen fast 3.000 Menschen, die aufgrund des Asylbewerberleistungsgesetzes Hilfe erhielten. Knapp 13 Prozent der Kinder seien 2021 von Armut betroffen gewesen. „Das ist eine hohe Zahl“, so Aurand. Zudem erhalten fast 900 von 2.600 vollstationär aufgenommenen Pflegebedürftigen ergänzende Leistungen. Eine Viertel der Menschen mit Behinderung arbeiteten in Werkstätten. Hier stelle sich die Frage nach der Entlohnung und der sozialen Sicherung. „Die Fakten machen betroffen, trotz der sozialpolitischen Fortentwicklung“, resümierte Stephan Aurand.

Stefan Lerach berichtete über Geschichte und Aufgaben der WALI. „Wir verstehen uns als eine Lobbyorganisation für Menschen mit Armutserfahrung“, so der Geschäftsführer der1989 gegründeten Arbeitsloseninitiative. Zum breiten Aufgaben- und Angebotsspektrum an den Standorten Nachbarschaftszentrum Westend Wetzlar und in der Wetzlarer Bahnhofstraße gehörten neben der Arbeitsmarktintegration auch Gesundheitsförderung, freie Beratung und kulturelle Angebote. Eine Theatergruppe interpretiert die sozialpolitischen Zustände im Land. Die WALI setzt sich für Menschen mit psychischen Belastungen und Suchtkrankheiten ein. „Wir sind eine Art soziokulturelles Zentrum mit einem breiten sozialpolitischen und zivilgesellschaftlichen sowie kirchlichen Engagement“, erklärte Lerach. Anschaulich machte er das Thema Armut an Beispielgeschichten von Menschen, die durch eine Trennung, die Situation als Alleinerziehende oder eine Pandemie in Arbeitslosigkeit und Armut gerieten. Lerach verdeutlichte hierbei Begleiterscheinungen wie den Verlust der Wohnung, den Abbruch von sozialen Kontakten, psychische Störungen, die Suchtgefahr und finanzielle Schulden. „Arme Menschen sterben früher“, hieß es darüber hinaus. Für sie bleibe das Gefühl, nicht mehr dazu zu gehören.

 

Veranstaltungsreihe „Kirche in der Gesellschaft“

„Hier wird ein Ort geboten, an dem man sich in lockerer Runde über aktuelle, relevante Themen informieren und austauschen kann. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, wie sich Kirche in unserer Gesellschaft, besonders in unserer Region, einbringen kann und soll“, heißt es von Seiten des Veranstalters.

Der Sozialethische Ausschuss im Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill mit seinem Vorsitzenden Pfarrer Ulrich Müller lädt insbesondere Interessierte aus Gemeinden und Presbyterien jeweils zu einem Gesprächsabend mit ausgewählten thematischen Impulsen ein.

Ziel ist, Ideen und Anregungen für christliches Denken und Handeln in Gemeinde und Kirche zu gewinnen.

 

bkl

Impulsgeber und Mitglieder des Sozialethischen Ausschusses im Gespräch über Armut (v.l.): Stefan Lerach, Karin Rinn, Ulrich Müller, Stephan Aurand und Gunther Schneider.