Ein gemeinsames Essen mitten in der Stadt – für nur einen Euro, inklusive Getränke. Was angesichts heutiger Restaurantpreise beinahe utopisch klingt, wurde am vergangenen Samstag, 28.06.2025, in der Wetzlarer Bahnhofstraße zur Realität: Rund 450 Gäste folgten der Einladung zur zehnten „Langen Tafel“ und erlebten gelebte Gemeinschaft bei sommerlichem Wetter.

Ein Fest der Begegnung seit 2013

Die Aktion wurde 2013 von Diakon Harald Würges ins Leben gerufen und ist heute eine Kooperation der Evangelischen Kirchengemeinde Niedergirmes – Trägerin der Wetzlarer Tafel – sowie der Freien evangelischen Gemeinde (FeG) Wetzlar. Nach einer pandemiebedingten Pause wurde nun die zehnte Ausgabe gefeiert.

Prominente Unterstützung aus der Stadt

Wetzlars Oberbürgermeister Manfred Wagner (SPD) begleitet die „Lange Tafel“ von Anfang an als Schirmherr. In seiner Begrüßung betonte er: „Es ist mir ein echtes Anliegen, diese Aktion zu unterstützen.“ Er lobte die verbindende Kraft der Veranstaltung: „Hier kommt die Stadtgesellschaft zusammen. Menschen unterschiedlicher Herkunft treten miteinander ins Gespräch. Wir alle sind Wetzlarerinnen und Wetzlarer.“ Der Austausch mit neuen Gesichtern sei für ihn persönlich ebenso bereichernd.

100 Meter Gemeinschaft – 40 Tische voller Leben

Auf einer Länge von etwa 100 Metern verwandelten 40 liebevoll gedeckte Tische die Fußgängerzone in einen Ort der Begegnung. Rund 70 Ehrenamtliche aus beiden Kirchengemeinden kümmerten sich mit großem Engagement um das Wohl der Gäste. Bei Temperaturen um die 30 Grad sorgten Sonnenschirme für den nötigen Schatten.

Kulinarisch international – nachhaltig serviert

Für nur einen Euro konnten sich die Besucher zwischen zwei Menüs entscheiden: Kartoffelgratin mit gebratenem Hühnerfleisch und Krautsalat oder türkische und syrische Spezialitäten. Die Bäckerei Moos aus Aßlar, seit der ersten „Langen Tafel“ Hauptsponsor, unterstützte nicht nur mit frischem Brot, sondern am Nachmittag auch mit Kaffee und Kuchen.

Ein besonderes Augenmerk lag auf der Nachhaltigkeit: Das Essen wurde auf Palmblatt-Tellern serviert, dazu gab es Holzbesteck. Die Pappbecher der Bäckerei wurden sowohl für kalte als auch warme Getränke genutzt – Müllvermeidung inklusive.

Ein Gottesdienst unter freiem Himmel

Traditionell eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem Open-Air-Gottesdienst, gestaltet von Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht und FeG-Pastor Matthias Fallert. In seiner Predigt erinnerte Fallert an biblische Geschichten, in denen Jesus mit Menschen unterschiedlichster Herkunft am Tisch saß: „Jesus war ein Tischmensch – er teilte das Essen mit Reichen und Armen, Zweiflern und Frommen.“ Jeder sei an Gottes Tisch willkommen, betonte Fallert: „Gott kennt keine VIPs.“

Musik, Mitmachangebote und gelebte Nachbarschaft

Für musikalische Begleitung sorgten Nico Loh und Ellen Fritsch. Auch die Nachbarschaft brachte sich kreativ ein: Mit einem Zumba-Kurs, einem Upcycling-Workshop der Volkshochschule, einer Leselounge sowie Bastelangeboten der Stadtbibliothek wurde das Rahmenprogramm bunt und lebendig gestaltet.

Mehr als ein Mittagessen – die Arbeit der Tafel

Diakon Christoph Mayer nutzte die Gelegenheit, auf die tägliche Arbeit der Tafel Wetzlar hinzuweisen. Rund 40 vom Jobcenter vermittelte Personen finden hier Beschäftigung. Die Tafel sammelt überschüssige Lebensmittel und verteilt sie an Bedürftige. Zusätzlich betreibt sie Kleiderläden mit günstigen Angeboten für Tafelkunden. „Wir wollen den Menschen das Leben erleichtern und ihnen gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen“, so Mayer.

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