Ich bekam sie vor vielen Jahren bei einem Hausbesuch geschenkt. „Nehmen Sie sie, sie ist mir nicht so gut geraten.“ Und wenn man genau hinschaut, sieht man die kleinen Fehler. Ich halte diese Figur genau darum in Ehren: Kirche ist für die Menschen da, die „nicht so gut geraten“ sind, eine schöne Einschätzung und zugleich ein toller Auftrag: „Geht zu den Menschen, die sich selbst ins Abseits gestellt haben, die an den Rand gedrängt wurden, bei denen alle ‚Selbstoptimierung‘ nichts geholfen hat!“

Hirtin – auf Latein „Pastorin“ – das ist, was ich gerne für andere sein möchte: kümmern, Aufmerksamkeit verschenken, zuhören, zur Stelle sein. Leider geht das viel zu oft im Alltag unter. Immer bleibt Unerledigtes, oft bleibt es bei guten Vorsätzen. Aber ich kann es wenigstens so machen wie meine Hirtin, die Hände zum Gebet falten und Gott diese Menschen anvertrauen, dass er sich kümmert und viele andere mit mir.

Meine Hirtin steht das ganze Jahr über auf meinem Schreibtisch. Inmitten von allem Papier, Tastatur, Tacker und Telefon behauptet sie ihren Platz. Zumindest meistens, denn irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Sie ist ziemlich schwer, aber ihr Schwerpunkt ist nicht da, wo er sein sollte. Und je nachdem wie voll mein Schreibtisch ist, reicht ein Blatt Papier um ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Da geht es mir wie ihr: Man kann eine Menge aushalten und dann wirft einem eine kleine Nachricht, eine Nebensächlichkeit um. Manchmal bin ich genervt, wenn sie mit lautem Poltern kippt, oft aber muss ich lachen, wenn sie mir mit ihrem Getöse zeigt, dass es Zeit ist (vor Gott) zur Ruhe zu kommen und (mit ihm) wieder Bodenhaftung zu erlangen.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete und geerdete Adventszeit,

Hildegard Twittenhoff, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Nauborn-Laufdorf