Hoffentlich gibt es mal eine Fortsetzung:

Das war aufregend: ein erstes internationales Zoom-Meeting, zu dem der Osteuropa Ausschuss eingeladen hatte.

Im Rahmen der Wetzlarer Friedenswoche führte Ursula Küppers, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, die Gäste durch die Veranstaltung. Die Steuerung hatte Kerstin Dominika Urban aus Nürnberg, finanziert wurde das Projekt von Demokratie leben der Stadt Wetzlar. Die ursprünglich analog geplante Veranstaltung erwies sich in diesem Format als hervorragendes grenzübergreifendes Kommunikationsmittel.

Da diskutierten deutsche, russische und lettische Teilnehmer*innen zweieinhalb Stunden und berichteten über ihre Friedenserfahrungen in den 80er und 90er Jahren bis in unsere Tage– Lore Gerster von der Politischen Pilgerfahrt des christlichen Friedensdienstes Frankfurt nach Chatyn, Minsk und Moskau 1988, Dr. Dieter Bach (Video) von der Versöhnungsfahrt der Evangelischen Kirche im Rheinland nach Pskow 1991, Udo Küppers als einer der Delegierten von den unauslöschlichen Eindrücken dieser Reise, Dr. Thorsten Latzel (Video), Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, von der Partnerschaft der EKiR mit der Stadt Pskow.

Die Anfänge der Partnerschaft des Evangelischen Kirchenkreises Wetzlar mit der Orthodoxen Eparchie von Tambow und den daraus in 30 Jahren erwachsenen Friedensprojekten ließ Ursula Küppers noch einmal Revue passieren. Besonders bewegt erinnerte sich Julia Rogosha an die Pakete, die sie und ihre Mutter aus Wetzlar bekamen. Sie hatte diese Zeit der Humanitären Hilfe für Tambow als Kind erlebt. Nach ihrem Studium wurde sie Stipendiatin der EKD und lebt heute mit ihrer Familie in Deutschland.

Dreizehn der 26 Teilnehmer*innen hatten das Zoom -Meeting mit vorbereitet und gaben in Berichten und Erzählungen, mit Fotos und in Videos einen Einblick in ihr Leben in Tambow und Bamberg, in Alzenau und Germersheim, in Liepaja, Jekaterinburg und anderen Städten.

Dabei ging es um die Arbeit im Freiwilligen Friedensdienst, und Lennart Bültermann, einer der ersten in Tambow, hatte sich zugeschaltet mit einem Bericht des Tambower Fernsehens über die Arbeit im Altenheim.  Es ging um die jungen Menschen, die sich im Rahmen von internationalen Camps des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in den ehemaligen Kriegsgefangenenlagern in den Tambower Wäldern treffen. Davon berichtete Christiane Lensch,  die in den 80er und 90er Jahren als Jugendreferentin des Landes Hessen dort tätig war und die Öffnung der russischen Archive erleben konnte.

Es ging um die Zusammenarbeit zwischen der Lebenshilfe Wetzlar und der Tambower Behinderten Initiative Apparel und den gemeinsam veranstalteten Seminaren. Davon konnte Chris Baumert lebendig erzählen und eines seiner in dem Zusammenhang geschriebenen Gedichte vortragen.

Vom  Aufbau der Polenow Malschule und der integrierten Ikonenmalklasse berichtete Professor Michail Nikolskij aus Tambow. Gisela Straßheim führte mit einer Power Point Präsentation  durch 25 Jahre Partnerschaft des CVJM mit der Goethe Gesellschaft Tambow. Valeria Chanysheva teilte ihre Freude mit, nun endlich nach einem Jahr des digitalen Studiums in Bamberg Kommilitonen kennenlernen zu können. Und wie wichtig und hilfreich das Erlernen der russischen Sprache für deutsch-russische Partnerschaften ist, erfuhren alle von Wolfgang Boehm. Ein zartes Pflänzchen der Freundschaft stellte Ernst von der Recke mit einem ukrainischen Friedensprojekt vor.

Von einem Schiff vor der Bretagne-Küste schaltete sich Bastian Winter, ein ehemaliger Freiwilliger Friedensdienstler in einem Video zu, der dort beim Bau eines Offshore Windparks beteiligt ist. Aus der sibirischen Stadt Jekaterinburg war Dr. Sergej Akischin, ein Dozent des Geistlichen Seminars dabei, der mit seinem Bamberger Freund Dr. Maxim Sorokin, Theologe und Historiker an der dortigen Universität, an einer russisch-deutschen Dokumentation über die 30jährige Partnerschaft Tambow-Wetzlar arbeitet.

Beinahe selbstverständlich leben inzwischen junge Familien in verschiedenen Städten Deutschlands, von denen der eine Partner aus Tambow oder St. Petersburg stammt, deren Kinder zweisprachig aufwachsen, und die von beiden Ländern als von ihrer Heimat sprechen.  Das konnte Dr. Tatiana Nikolskaja mit der Ikone der Dreifaltigkeit von Andrej Rublev verdeutlichen, die in den Konfessionen und Religionen bekannt und beliebt ist und auf der alttestamentarischen Geschichte vom Besuch der drei Engel bei Abraham erzählt und als Friedensikone gilt.

Irritationen hatte wenige Stunden vor Beginn eine Meldung eines Dozenten vom Geistlichen Seminar Tambow ausgelöst, der eine Nachricht bekommen hatte, dass sich russische Bürger für Zoom-Meetings mit Ausländern bei einer bestimmten Behörde anmelden müssten. Angesichts der politischen Spannungen zwischen unseren Ländern hat der Familienvater es vorgezogen, seinen Beitrag schriftlich zu senden und der Veranstaltung lieber fern zu bleiben. Das gilt auch für zwei weitere angekündigte Teilnehmer*innen, die aus der Arbeit des Orthodoxen Gymnasiums und den Anfängen der Partnerschaft aus der Sicht eines Kindes berichten wollten.

„Danke, dass ich gestern dabei sein konnte. Die Konferenz war ein absoluter Erfolg: gut strukturiert, interessant, fröhliche Atmosphäre. Hoffentlich gibt es mal eine Fortsetzung,“ schrieb am Tag danach Katja Kuklina aus Lettland. Der Osteuropa Ausschuss sieht für die Zukunft das digitale Format von Besprechungen und Konferenzen als eine mögliche Form seiner Arbeit.

Ursula Küppers