Bibelausstellung im Dom eröffnet.

„In all den Geschichten von Liebe und Leid, von Treue und Verrat, von Verzweiflung und Trost, von Sterben und Auferstehen wird von mir erzählt, wer und wie ich bin als Mensch.“ Das hat Christian Silbernagel, evangelischer Pfarrer des Wetzlarer Bezirkes Gnadenkirche bei der Eröffnung der Ausstellung „Bibeln erzählen Geschichten“ anlässlich des Jubiläums „500 Jahre Reformation“ im Wetzlarer Dom betont.

Mit dieser Ausstellung steht auch der reformatorische Zentralbegriff „sola scriptura – allein aufgrund der Schrift“ im Mittelpunkt. Von Oktober 2016 bis Januar 2017 gab und gibt es in den Evangelischen Kirchenkreisen Braunfels und Wetzlar zu dem Thema zahlreiche Veranstaltungen, von denen die Bibelausstellung ein Höhepunkt ist. „’Allein aufgrund der Schrift’ besagt, dass ich neben die Bibel keine anderen Schriften oder Traditionen stelle“, so Silbernagel. Luther rate im Blick auf die Heilige Schrift: „Bleibe nur darinnen, wie ein Kind in der Wiegen“. „In dieser Geborgenheit“, fuhr er fort, „ gerate ich in ein Gespräch mit den alten Texten.“ Die ausgestellten Bibeln seien Zeugnisse dafür, dass durch die alten Buchstaben Gottes neuer Geist ins Leben kam.

25 Ausstellungsstücke in sechs Glasvitrinen sind derzeit im Wetzlarer Dom zu sehen. Zusammengestellt hat sie Pfarrer Björn Heymer von der Evangelischen Kirchengemeinde Wetzlar, der für die Vernissage auch die Begrüßung übernommen hatte. Es sind Leihgaben von Menschen, die mit dem jeweiligen Bibelexemplar einen wesentlichen Teil ihrer Lebensgeschichte verbinden – nachzulesen auf beigefügten schriftlichen Erläuterungen. Dabei stammt das älteste Exponat aus dem 17. Jahrhundert während das jüngste die revidierte Lutherbibel 2017 ist.

Als Vertreter der Leihgeber erzählte Dr. Norbert Hark, Diakon der Katholischen Kirchengemeinde Unsere Liebe Frau Wetzlar seine Geschichte mit Jean-Paul Sartres Buch „Das Sein und das Nichts“ und der Bibel. Beides habe er eifrig studiert, Sartres Werk mit der Aussage, dass der Mensch im Nichts ende, ein paar Monate, die Bibel mit der Betonung auf der Gottes- und der Nächstenliebe jedoch bis heute.

Ein anderes Exemplar hat Schrammen auf dem Einband: „Die Bibel wurde von meiner Großmutter bei der Vertreibung aus dem Sudetenland 1946 als kostbarer Besitz mitgenommen“, schreibt Helmut Bartel aus Wetzlar. Sie habe erleben müssen, wie russische Soldaten bewusst auf der Bibel herumtrampelten. „Die Bibel hat die Großmutter bis in die 50-er Jahre begleitet und wurde an den Sohn, der glücklich aus der Gefangenschaft zurückkehrte, übergeben.“ Seitdem sei sie ein Familienerbstück.

Ob die „Bibel in gerechter Sprache“, ein Geschenk der Patentante, eine französische Bibel oder das Markusevangelium mit Zeichen für Melodien versehen – dies alles und vieles mehr kann man derzeit im Dom sehen und entdecken. Ferner gibt es einen Tisch mit Bibeln, die man mitnehmen oder auf dem man eigene Bibeln zum Verschenken ablegen kann.

Einen musikalisch gediegenen Rahmen boten Claudia Kersten und Deborah Schneider, die ein Allegro und ein Cantabile von Wilhelm Friedemann Bach sowie eine Invention von Johann Sebastian Bach auf der Querflöte spielten.

Geöffnet ist die Ausstellung noch bis zum Sonntag, 5. Februar täglich von 9.30 bis 16 Uhr.

Ein 26-seitiger Katalog zu den dargestellten Exponaten ist, solange der Vorrat reicht, gegen eine Spende im Dom erhältlich.

Bis zum 31. Oktober 2017 werden im Drei-Monats-Rhythmus in den Evangelischen Kirchenkreisen Braunfels und Wetzlar Veranstaltungen zu den drei weiteren Kernpunkten der Reformation „solus Christus – allein Christus“, „sola fide – allein durch den Glauben“ und „sola gratia – allein aus Gnade“ folgen.

bkl

[vc_gallery interval=”10″ images=”3359,3360,3361″ img_size=”full”]Bild 1: Über die Bedeutung des reformatorischen „sola scriptura – allein aufgrund der Schrift“ hielt Pfarrer Christian Silbernagel bei der Vernissage der Bibelausstellung einen Vortrag.

Bild 2: Helmut Bartel zeigt auf eine Bibel aus Familienbesitz, deren Einband von russischen Soldaten beschädigt wurde.

Bild 3: In den Glasvitrinen liegen Bibeln aus vier Jahrhunderten – mit vielfältigen Lebensgeschichten verbunden.