Am Dienstagabend, 30.09.2025, sprach der Wißmarer Hermann Frankfurth in der Reihe „Wetzlarer Gespräche“ des sozial-ethischen Ausschusses im evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill, im Gemeindesaal der Wetzlarer Hospitalkirche. Der Saal war gut gefüllt, als er eindrucksvoll von seinem Leben als Christ in der DDR berichtete – zwischen Glaube, staatlicher Kontrolle, Repressionen und der Hoffnung auf Freiheit.
Frühe Zweifel und erste Erfahrungen mit dem System
Hermann Frankfurth, geboren im thüringischen Kölleda, schilderte eindrücklich seine ersten Begegnungen mit der Repression des sozialistischen Staates. Der Bau der Berliner Mauer 1961 ließ ihn bereits als jungen Schüler am System zweifeln. Ein einschneidendes Erlebnis folgte in einem Sommerlager der Pionierorganisation: Als er sich in einem Brief an seine Eltern über den Verlust jeglicher Freiheit beklagte, wurde das Schreiben abgefangen, geöffnet und schließlich vor der gesamten Klasse vorgelesen – eine Erfahrung tiefer Demütigung.
Studium, Glaube und verwehrte Chancen
Frankfurth studierte Bauingenieurwesen an der Bauhaus-Universität in Weimar. Eine wissenschaftliche Karriere blieb ihm jedoch verwehrt. „Weltanschaulich und politisch unangemessen“ lautete die Begründung, warum er als bekennender Christ nicht zur Promotion zugelassen wurde. Rückhalt fand er in der Paulusgemeinde in Halle, wo er sich kirchlich engagierte und seine Frau Evi kennenlernte.
Überwachung und Repressionen
Schon früh geriet die Familie ins Visier der Staatssicherheit. Als sein Bruder aus der DDR floh, wurden Hermann und Evi Frankfurth zum Verhör vorgeladen – obwohl sie nichts von dessen Plänen gewusst hatten. Reisebeschränkungen, verweigerte Visa, Schwierigkeiten bei der Schulaufnahme der Töchter und Anwerbeversuche durch die Stasi bestimmten den Alltag. In seinen Stasi-Akten entdeckte Frankfurth später, dass gegen ihn und seine Frau eine „Operative Kontrolle“ unter dem Decknamen Luther geführt wurde.
Christlicher Widerstand und Hoffnung auf Freiheit
Trotz aller Gefahren bekannte sich Frankfurth offen zu seinem Glauben. Sichtbares Symbol war für ihn der Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ – das Erkennungszeichen der christlichen Friedensbewegung. „Wenn der 1. Mai auf einen Sonntag fiel, standen wir vor der Wahl: Gottesdienst oder Demonstration. Wir entschieden uns immer für den Gottesdienst“, erinnerte er sich.
Die Schlussakte von Helsinki 1975 brachte Hoffnung: Formal war eine Ausreise nun möglich. Doch wer einen Antrag stellte, musste mit Schikanen rechnen. Nach den zunehmenden Repressionen und politischen Ereignissen – wie der Ausweisung des Liedermachers Wolf Biermann oder der Selbstverbrennung eines Pfarrers – wuchs bei Frankfurths die Ablehnung gegenüber dem System.
Der Weg in die Freiheit
Im Sommer 1987 stellte die Familie einen Ausreiseantrag. Da mittlerweile viele Menschen denselben Schritt wagten, waren die Repressalien geringer geworden. Frankfurth nahm an Friedensgebeten in Halle teil, die zur Keimzelle der friedlichen Revolution wurden. „Das Regime dachte, die Konterrevolution kommt mit Waffen – sie kam aber mit Kerzen“, so Frankfurth.
Im Jahr 1989 erfolgte schließlich die Ausreise mit dem Zug über Hof, obwohl als Ankunftsort Hessen angegeben war. Ein letzter bitterer Gruß des sozialistischen Unrechtssystems an die Familie Frankfurth. Die erste Unterkunft fand die Familie dann über Verwandte in einem Schulsaal im Vogelsberg.
Ein Neubeginn im Westen
„Im Westen angekommen, fühlte ich mich wie ein Neugeborenes, weil ich so viel lernen musste“, berichtete Frankfurth. Schmunzelnd erinnerte er sich an seine ersten Erfahrungen mit den neuen Lebensumständen: „Ich stand mit meinem Auto vor einem Parkhaus in Frankfurt und wusste nicht, was ich tun sollte. Hinter mir hupten die anderen Autofahrer.“
Ermutigung und Resonanz
Heute lebt Hermann Frankfurth mit seiner Familie in Wißmar, ist seit rund 30 Jahren Presbyter und Organist in seiner Kirchengemeinde. Auf die Frage aus dem Publikum, was er jungen Christinnen und Christen mitgeben möchte, antwortete er schlicht und eindringlich:
„Bleiben Sie mutig. Folgen Sie Ihrem Herzen und Ihrem Verstand.“
Heute lebt Hermann Frankfurth mit seiner Familie in Wißmar, ist seit rund 30 Jahren Presbyter und Organist in seiner Kirchengemeinde. Auf die Frage aus dem Publikum, was er jungen Christinnen und Christen mitgeben möchte, antwortete er schlicht und eindringlich:
„Bleiben Sie mutig. Folgen Sie Ihrem Herzen und Ihrem Verstand.“
Im Anschluss an den Bericht entwickelte sich eine angeregte Diskussion über die Bedeutung von Demokratie und christlichem Glauben in Vergangenheit und Gegenwart. Die zahlreichen Zuhörer*innen folgten dem Bericht mit gebannt und dankten Hermann Frankfurth am Ende mit herzlichem, lang anhaltendem Beifall.
JCK
FOTO: Jan-Christopher Krämer
FOTO1: Hermann Frankfurth (rechts) berichtete eindringlich von seinem Leben als Christ in der DDR.
FOTO2: Die Zuhörer*innen im Gemeindehaus der Hospitalkirche waren gebannt von der Lebensgeschichte des Wißmarers.
FOTO3: Hermann Frankfurth und seine Frau Evi (rechts) mit den Mitgliedern des sozial-ethischen Ausschusses des Kirchenkreises.