Familienberatung in Pandemiezeiten:

Im Erdgeschoss der Beratungsstelle in der Wetzlarer Turmstraße 22 gibt es ein kleines Kinderparadies: Der Raum, der im ehemaligen „Haus kreiskirchlicher Dienste“ als Versammlungsraum diente, ist zu einem bunten therapeutischen Spielzimmer geworden. Hier können Kinder ab Grundschulalter im Rahmen eines spieltherapeutischen Beratungsangebotes ihrer Kreativität beispielsweise mit einer Ritterburg freien Auslauf lassen oder sich am großen Boxsack austoben und es sich hinterher mit einem Kuscheltier gemütlich machen.

Diplom Sozialpädagogin/Paar-und Familientherapeutin Stefanie Kloos-Kramer, die die Beratungsstelle für Familien-, Erziehungs-, Ehe- und Lebensfragen leitet, freut sich über das durch den Umzug aus der Brühlsbachstraße erweiterte Raumangebot.  „Vielen Kindern geht es in der Pandemiezeit schlecht“, sagt sie. Das Hin und Her zwischen Homeschooling und Präsenz in Schule und Kita führe bei vielen Kindern zu einer permanenten Orientierungslosigkeit. Es entwickelten sich Ängste, Aggressivität und Rückzugstendenzen. Kinder mit Lernproblemen oder Schüchternheit hätten es schwerer, im Schulalltag zurechtzukommen. Gut, dass Familien die Beratungsstelle, die seit Januar 2020 in Trägerschaft der Diakonie Lahn Dill e.V ist, nutzen können. Wer sich mit Konflikten und Problemen im persönlichen und zwischenmenschlichen Bereich auseinandersetzen muss, findet hier ein kompetentes Beratungsangebot.

Die Beratungszahlen sind etwas zurückgegangen. „Es kommen weniger“, sagt Stefanie Kloos-Kramer angesichts der Situation während der Pandemie. „Aber wer kommt, hat echten Bedarf. Die Pandemie fordert Familien im höchsten Maße. Das ist unsere Erfahrung der letzten 15 Monate.“

Das höchste Konfliktpotential sieht die Sozialpädagogin derzeit bei den Partnerschaften: „Zum Thema ‚Trennung und Scheidung‘ haben wir im Moment die meisten Anfragen.“ Als Hintergrund vermutet Kloos-Kramer die langandauernde Pandemie und die damit verbundenen Herausforderungen. So falle der soziale Sektor weitgehend weg. Beispielsweise der persönliche Austausch mit Freunden bei Beziehungsproblemen. „Dieses Zurückgeworfensein auf sich selbst in teilweise beengtem Wohnraum, das Fehlen von körperlicher Betätigung im Sportverein und die damit verbundenen Herausforderungen haben die Situation verschärft.“ Uneinigkeit der Eltern über Erziehungsmethoden erhöhe den Druck. „Wenn die Kinder noch sehr klein sind, ist zudem unter Coronabedingungen ein neues Kennenlernen der Paare außerhalb der Elternschaft sehr schwer.“

Die Sozialpädagogin vergleicht die Situation in der Familie mit einem Mobile: „Wenn es einem Familienmitglied nicht gut geht und dieser ‚durchhängt‘, geht es auch den anderen nicht gut. Dann müsse dieser Mensch stabilisiert werden, um die Beziehung wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Frauen seien besonders betroffen im Spagat zwischen Homeoffice, Homeschooling und Management des Haushaltes. Öfter käme es mittlerweile auch zu Gewalt unter Partnern und in Familien: „Die Zündschnur wird kürzer“. Die Dunkelziffer sei hoch.

Insgesamt gelte: „Wer vorher entsprechende Ressourcen und ein stabiles Beziehungsgeflecht hatte, kann dieses auch jetzt nutzen.“ Familien und Paare können dann beispielsweise die gemeinsame Zeit für Mahlzeiten oder zum Spazierengehen auch genießen. Doch wer bereits vor der Pandemie viel Beziehungsstress und Konfliktpotential hatte, für den wird es jetzt noch schwieriger.

„Wir fragen dann gemeinsam mit den Klienten: ‚Was läuft gerade gut?‘; ‚Was können wir positiv unterstützen?‘ und ‚Was können wir tun, damit es uns besser geht?‘“ Das kann ein warmes Bad sein, eine telefonische oder digitale Verabredung mit Freunden oder ein Walking-Treffen zu zweit. Manchmal kann es auch nötig sein, weitere Hilfe durch einen Arzt hinzuzuziehen.

„Wer Hilfe annimmt, hat viel gewonnen“, beschreibt Kloos-Kramer den ersten wichtigen Schritt in solch einer Situation.

Das Besondere in der Beratungsstelle: Gespräche finden nicht nur online, sondern seit Juni letzten Jahres auch präsent statt. „Wir sind einige der wenigen Stellen, die dies so handhaben“, so Kloos-Kramer. Telefon- oder Videoberatung ist auch möglich. Ratsuchende können sich also entscheiden, ob sie den digitalen Kontakt oder eine persönliche Begegnung unter strenger Einhaltung der Maskenpflicht, Abstands- und Hygieneregeln vorziehen. „Die meisten wollen persönlich kommen“, sagt Kloos-Kramer.

„Unser Angebot kann präventiv genutzt werden“, macht die Beratungsstellen-Leiterin deutlich. Viele täten dies dankenswerterweise auch und kämen rechtzeitig bevor der Konflikt eskaliere. Andererseits könne eine Beratung auch helfen, wenn die Trennung bereits beschlossen sei. „Mit den Eltern überlegen wir dann gemeinsam, wie beispielsweise eine Scheidung so verlaufen kann, dass die Kinder möglichst wenig belastet werden“, erklärt die Sozialpädagogin.

Zu den Arbeitsfeldern der Einrichtung gehören neben der Erziehungs- und Familienberatung auch die Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung, die Ehe- und Lebensberatung sowie das Beratungsangebot für Menschen mit geistiger Behinderung. Hier kooperiert die Beratungsstelle mit der Lebenshilfe Wetzlar-Weilburg. Das Beratungsangebot ist kostenlos und unabhängig von Konfession und Nationalität.

Zurzeit sind es vorrangig Paare und Familien, die beraten werden.

Fünf Personen in Voll- und Teilzeit gehören zum multiprofessionellen Beratungsteam. Hinzu kommt eine Sekretärin. Stefanie Kloos-Kramer übernimmt neben ihrer Leitungsfunktion auch selbst Beratungen.

Verlässlich regelmäßig verfügbar sein, ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, feinfühlig auf Bedürfnisse eingehen, Wertschätzung, bieten, das Selbstwertgefühl stärken, eine optimistische Grundhaltung vermitteln und ermutigen – dafür steht die Beratungsstelle für Familien-, Erziehungs-, Ehe- und Lebensfragen in der Wetzlarer Turmstraße 22.

 

Kontakt
Stefanie Kloos-Kramer (Leiterin)
Beratungsstelle für Familien-, Erziehungs-, Ehe- und Lebensfragen

Turmstraße 22
35578 Wetzlar
Tel.: 06441/9013-650
E-Mail: beratungsstelle-feel@diakonie-lahn-dill.de

Web:   https://diakonie-lahn-dill.de/wir-fuer-sie/beratung-begleitung-betreuung/beratungsstelle-fuer-familien-erziehungs-ehe-und-lebensfragen

bkl

Beratungsstellen-Leiterin Stefanie Kloos-Kramer (r.) und Diplompsychologin Jana Trommer (l.) freuen sich, dass sie Kindern am neuen Standort in der Wetzlarer Turmstraße 22 ein fantasievoll eingerichtetes Spielzimmer zur Verfügung stellen können.