Delegierte aus dem Kirchenkreis an Lahn und Dill diskutieren bei der Landessynode über Bildung:

Bildung sieht die rheinische Kirche als eine ihrer Kernaufgaben. Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) versteht sich als Lerngemeinschaft, die viele miteinbezieht, ein reiches Bildungsangebot vorhält und sich dabei am biblischen Menschenbild orientiert. Die Landessynode hat sich eingehend mit einem Aufgabenfeld beschäftigt, das suchenden Menschen in einer Situation zunehmender Konfessionslosigkeit und religiöser Pluralität Gesprächsangebote und Orientierung geben will.

Mit Rita Broermann-Becker (Wetzlar), Michael Clemens (Werdorf), Pfarrerin Alexandra Hans (Wißmar) und Superintendent Dr. Hartmut Sitzler (Kröffelbach) nahmen an der fünftägigen Synode in Düsseldorf auch die Abgeordneten des Evangelischen Kirchenkreises an Lahn und Dill teil.

„Nach zwei Landessynoden am Bildschirm bin ich dankbar und glücklich, endlich meine erste Landessynode in Präsenz erleben zu können, mit vielen Begegnungen und Diskussionen zu wichtigen kirchlichen und politischen Themen“, erklärte Rita Broermann-Becker, „Beim Topthema der Synode fehlte mir jedoch der Fokus auf die Bildungsarbeit in unseren Kindertagesstätten, in denen die Grundlage für religiöse Bindung gelegt wird“, bedauerte sie. Kirchliches Engagement für Kinder und Jugendliche ist auch Superintendent Hartmut Sitzler wichtig: „Was geben wir der nächsten Generation weiter?“ fragte er. Bei der Synode sei deutlich geworden, dass es bei allem Bemühen um Kitas und Jugendarbeit vor allem Erwachsene brauche, die überzeugend ihren Glauben leben. „Wenn du deinen Kindern Glauben, innere Freiheit und Werte weitergeben willst, dann fang bei Dir selbst an“, appellierte der Theologe.

Bereits 2017 hatte die Synode Leitlinien zur Bildungsarbeit beschlossen. Nun ging es darum, weitere Weichenstellungen vorzunehmen. Grundlage der Beratungen der insgesamt 199 stimmberechtigten Abgeordneten bildete das Impulspapier „Sensibel für Vielfalt und offen für Gott – Bildung in Evangelischer Freiheit“, das von der Synode verabschiedet wurde. In diesem Zusammenhang wurden auch vier konkrete Projekte beschlossen: „Vielfaltssensible Bildung fördern“, „Bildungslandschaften vernetzt gestalten“, „Religionslehrerinnen und -lehrer von Anfang an unterstützen“ und „Religiöse Bildung in Familien stärken“. Beim Projekt „Vielfaltssensible Bildung fördern“ geht es darum, Teilhabe gleichberechtigt für alle Menschen zu ermöglichen, unabhängig von Faktoren wie beispielsweise Alter, Nationalität, körperliche und geistige Fähigkeiten oder soziale Herkunft. Um digital-analog vernetzte Bildungslandschaften in Kirchenkreisen zu entwickeln, die Erfahrungen weiterer, beispielsweise kommunaler Bildungsanbieter berücksichtigt, wird die rheinische Kirche einen entsprechenden Konzeptleitfaden entwickeln. Zudem soll ein Familienpodcast zu religiösen Fragen entstehen.

Lange und ausführlich diskutierte die Synode über die Begrenzung der Arbeitszeit im Pfarrdienst. Um die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gerade für in Teilzeit Arbeitende, ging es dabei, um die Vermeidung von Burnout durch Konzentration und das Setzen von Schwerpunkten. Dies zwischen dem Erwartungsdruck der Gemeinde und der Perspektive, wie zufriedenstellend die Zusammenarbeit mit einem ausgeruhten Pfarrer sein kann. „Das Thema ‚Arbeitszeit im Pfarrdienst‘ wird uns sicher noch auf Pfarrkonventen und in den Presbyterien beschäftigen“, erwartet Pfarrerin Alexandra Hans. „Wenn Pfarrerinnen und Pfarrer, die bisher ohne Arbeitszeitfestsetzungen gearbeitet haben, mit einer Wochenarbeitszeit versehen werden, bedeutet das Entlastung und Belastung zugleich. Es wird viel neu geregelt werden müssen.“ Zur Reform der Kirchenordnung erklärt die Theologin: „Die Verfassung unserer Kirche und das Gesetzeswerk, das sie ausführt, wird entkoppelt. Spannend, auch weil die Inhalte der Kirchenordnung einen neuen Blick verdienen. Was sind beispielsweise die Bekenntnisse, die in Auslegung der Heiligen Schrift die Grundlage unserer Kirche bilden? Wo kommen sie im Leben unserer Kirchengemeinden vor?“

Auch eine Kirchenleitungswahl stand auf dem Programm: Zum nebenamtlichen Kirchenleitungsmitglied wurde Superintendent Dr. Hartmut Sitzler gewählt. Im Gottesdienst am Ende der Synode führte Präses Dr. Latzel den Theologen in sein neues Amt ein. „Wir Landessynodale von Lahn und Dill freuen uns, mit Superintendent Sitzler jetzt einen direkten Draht von Hessen nach Düsseldorf zu haben“, so Alexandra Hans, Rita Broermann-Becker und Michael Clemens. Für den Werdorfer war es eine Ehre, bei dieser Wahl dabei sein zu dürfen: „Die Bewerbungsrede von Superintendent Sitzler war sehr beeindruckend, und ich bin überzeugt, dass er ein Gewinn für unsere Kirche ist.“ Clemens, der erstmals an einer Landessynode teilnahm, zeigte sich beeindruckt von der „Lust zur Diskussion um das Beste für unsere Kirche“. Negativ sei ihm jedoch aufgefallen, „dass ein gewisser Realitätsverlust, also die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit vor Ort, auf dieser Ebene vorherrscht.“

Angesichts der Krisen in der Welt sprach der Präses in seinem Jahresbericht vom „trotzigen Dennoch des Glaubens“. Aufgabe von Christen sei es, auf die Liebe Gottes hinzuweisen. Ein beeindruckendes Gemeindeprojekt hat der leitende Theologe auf seiner Sommertour 2022 im Kirchenkreis an Lahn und Dill kennengelernt. „Dort, wo Gemeinden sich ökologisch neu ausrichten, tut sich auch geistlich etwas“, sagte Latzel. „Etwa im ‚Garten der Sinne‘ in Wetzlar, in dem über 40 Ehrenamtliche ein Biotop rings um die Kirche pflegen, mit Nistplätzen, biblischen Kräutern, Gedenkgarten, Gartenteich – und einem Kirchturm voller Bücher.“ Auch die Arbeit von Tafeln lobte Dr. Thorsten Latzel: „Es ist gut, dass viele Gemeinden Tafeln anbieten.“ Dies dürfe jedoch kein Ersatz für sozialpolitische Regelungen sein. „Wir sind Kirche auf dem Weg des gerechten Friedens, nicht Kirche des gerechten Friedens. Wir leben weiter in einer unerlösten Welt“, erklärte der Präses zum Thema „Krieg und Frieden“. Kirche solle ihre große friedenspädagogische Kompetenz einbringen für die notwendigen Aufarbeitungsprozesse und die Entwicklung von Zukunftsperspektiven.

Ein von der Synode verabschiedetes friedensethisches Wort verurteilt „die fortgesetzte Instrumentalisierung und den Missbrauch der Religion durch das Moskauer Patriarchat der Russisch-Orthodoxen Kirche als Gotteslästerung“. Angesichts der Situation von Flüchtlingen forderte die Landessynode einen sofortigen Stopp von Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen, insbesondere der völkerrechtswidrigen Zurückweisungen („Push-Backs“) und der Kriminalisierung fliehender Menschen. Zudem forderte das Kirchenparlament, legale Zugangswege nach Europa und nach Deutschland auszubauen.

 

Weitere Informationen zur Landessynode sind unter http://www.landessynode.ekir.dezu finden

Alle Beschlüsse der Landessynode sind hier abrufbar: synode.info Landessynode 2023 (1)

 

Hintergrund „Landessynode“

Die in der Regel Anfang Januar und damit als erste aller EKD-Gliedkirchen jährlich tagende Landessynode ist das oberste Leitungsgremium der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Sie entscheidet über die wichtigsten Belange der Landeskirche. Von den mehr als 2,2 Millionen Mitgliedern der rheinischen Kirche, die zwischen Niederrhein und Saar in 37 Kirchenkreisen mit 627 Kirchengemeinden organisiert sind, gehören knapp 65.700 zu Hessen. Im Kirchenkreis an Lahn und Dill gibt es insgesamt 43 Kirchengemeinden. Oberster Repräsentant der EKiR als der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland ist seit 2021 Präses Dr. Thorsten Latzel. Er steht gleichzeitig der Kirchenleitung vor, die in der Zeit, in der die Landessynode nicht tagt, die Geschäfte führt.

bkl / Fotos: Petra Stroh/bkl

 

Bild 1:  Vertraten den Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill bei der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland in Düsseldorf (v.l.): Hartmut Sitzler. Alexandra Hans, Rita Broermann-Becker und Michael Clemens. (Foto: pes)

Bild 2: Mit einem Gottesdienst wurde Superintendent Dr. Hartmut Sitzler in sein neues Amt als nebenamtliches theologisches Mitglied der Kirchenleitung eingeführt. (Foto: pes)

Bild 3: Superintendentin Andrea Aufderheide aus dem Nachbarkirchenkreis Altenkirchen wurde im Gottesdienst verabschiedet. (Foto: pes)

Bild 4: Die Synode tagte im Europasaal des Radisson blu Conference Hotel in Düsseldorf. Die Delegierten aus dem Kirchenkreis an Lahn und Dill sitzen rechts in der Mitte (v.l.): Hartmut Sitzler, Alexandra Hans, Rita Broermann-Becker und Michael Clemens. (Foto: bkl)

Bild 5: Präses Thorsten Latzel (r.) bei der Synodenleitung. (Foto: bkl)

Bild 6: Viele wichtige Themen wurden in den Plenarsitzungen der Synode verhandelt und dazu Beschlüsse gefasst. (Foto: bkl)