Pilotprojekt der rheinischen Kirche für Geflüchtete und Ehrenamtliche in Hessen:
Ein Bilderbuch, an dem auch Erwachsene ihre helle Freude haben: das ist Rania Zaghirs „Wer hat mein Eis gegessen?“ – eine kleine humorvolle Geschichte mit Tiefsinn und dem Impuls, selbstbestimmt zu handeln, dabei in einfacher Sprache und mit vielen Formulierungswiederholungen. Ideal also, wenn jemand eine noch ungewohnte Sprache neu lernen möchte.
Mit dem Büchlein der libanesischen Autorin, bebildert von Racelle Ishak, haben zehn Geflüchtete und Einheimische im Rahmen einer Lesung in je ihrer Muttersprache den „Sprachtreff Erda“ im dortigen evangelischen Gemeindhaus eröffnet.
„Das Buch ‚Wer hat mein Eis gegessen?’ gibt es in 19 Sprachen“, sagte Patricia Pollei-Bardelle, in der Flüchtlingsarbeit aktiv, die das Werk vorstellte, und fügte hinzu: „In Erda kommen wir mit den Menschen aus unterschiedlichen Nationen schon locker auf 14 verschiedene Sprachen.“ So gab es Lesungen beispielsweise auf Arabisch (Mohamad Al Mohamad), Polnisch (Janina Schastok), Persisch (Zarah Rezaie), Tigrinisch (Fena Gede) und Bosnisch (Asima Hühn). Für viel Beifall sorgte auch Simone Kauss, die Zaghirs Text ins Erdaer Platt übersetzt hatte und entsprechend vorlas.
Durch den Abend, der im Rahmen des wöchentlichen Begegnungscafés für Flüchtlinge und Einheimische stattfand, führte Pippa Brück vom Büchereiteam der Kirchengemeinde. Sie ist ebenfalls in der Flüchtlingsarbeit tätig, trug bei der Lesung jeweils den deutschen Part vor und sorgte gemeinsam mit Karoline Eigner (Gesang und Klavier) für ansprechende musikalische Einlagen.
Rund 60 Menschen, Geflüchtete und Einheimische, darunter Mitglieder des Büchereiteams und in der Flüchtlingsarbeit der Gemeinde aktiv, zeigten sich beeindruckt von der Lesung.
„Wir wollen mit dem Sprachtreff Geflüchteten und Ehrenamtlichen Raum geben, sich zu begegnen und Deutsch miteinander zu lernen“, erklärte Judith Schumacher von der Büchereifachstelle der Evangelischen Kirche im Rheinland und sagte weitere Unterstützung zu. Sie hatte bereits eine diesbezügliche Schulung im letzten November in Erda mit durchgeführt. Das Projekt „Sprachtreff – für Integration auf dem Land“, von der rheinischen Kirche mit der Büchereifachstelle, der Koordinierungsstelle Fundraising und den Partnerorganisationen gemeinsam entwickelt, erhält EU-Fördermittel aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds. „Damit können ein Computer-Arbeitsplatz und ein Drucker angeschafft werden“, freut sich Pippa Brück. Um die Vermittlung kümmert sich die Landeskirchliche Büchereifachstelle. Ziel ist die Sprachförderung von Drittstaatsangehörigen im ländlichen Raum. Ihre Teilhabechancen an der Gesellschaft sollen erhöht und ihre Integration ins Berufsleben erleichtert werden. Wie Projektleiterin Helga Schwarze zuvor mitgeteilt hatte, sei es gelungen, mit der Gemeindebücherei Erda eine hessische Bücherei als Piloteinrichtung zu gewinnen um damit wertvolle Erfahrungen für die Integrationsarbeit von Büchereien zu sammeln und an andere weitergeben zu können. Sprachtreffs im Gebiet der rheinischen Kirche gibt es nämlich bereits in Daaden und Marpingen und sind für Wülfrath und St. Wendel geplant. Doch ist der Standort Erda der einzige, der an eine Bücherei mit bereits bestehendem Medienangebot für Geflüchtete anknüpft. Dass die Flüchtlingsarbeit längst einen festen Platz in der Kirchengemeinde hat, wird also auch durch diese originelle Verbindung zweier Arbeitsfelder deutlich.
Ziel ist hier laut Pippa Brück, Lesepatenschaften zu etablieren, bei denen Geflüchtete Deutsch üben können. Ferner geht es darum, die Bücherei attraktiver für Geflüchtete und Betreuende zu machen. Rund 40 Medien, Bücher und Spiele, in denen es ums Deutsch lernen geht, sind bereits vorhanden und können ausgeliehen werden.
Gedankt hatte der Büchereifachstelle und dem Erdaer Büchereiteam Gemeindpfarrer Andreas Hagel, der sich zudem an die zahlreichen Geflüchteten wandte: „Wir freuen uns, dass ihr da seid!“
Mit lebendigen Begegnungen bei einem kleinen Imbiss, dazwischen viel Lesevergnügen und Buchausleihen, ging ein gleichermaßen kurzweiliger wie informativer Abend zu Ende.
Das Buch „Wer hat mein Eis gegessen?“ von Rania Zaghir, ISBN 978-3-945506-05-9, ist in 19 zweisprachigen Ausgaben zum Preis von je 5,50 Euro erhältlich
und kann in der Evangelischen Gemeindebücherei Erda, Grabenstr. 6 zu den Öffnungszeiten: dienstags 19.30 bis 20.30 und mittwochs 16.30 bis 17.30 Uhr ausgeliehen werden.
Das Begegnungscafé im Evangelischen Gemeindehaus Erda (Grabenstr. 6) ist jeden Freitag von 18 bis 20 Uhr geöffnet und bietet dann auch Zugang zur Bücherei.
Weitere Informationen zum Sprachtreff Erda gibt es bei Pippa Brück unter pippa-brueck@t-online.de.
bkl
Bild 1: Ganz vertieft in die Geschichte „Wer hat mein Eis gegessen?“ von Rania Zaghir sind (v.l.) der siebenjährige Hamid und der sechsjährige Sina aus Afghanistan.Bild 2: Lesung auf Tigrinisch (Fena Gede) und Deutsch (Pippa Brück): Das Bilderbuch mit Texten von Rania Zaghir, in 19 Sprachen übersetzt, sorgte bei den Zuhörenden für viel Aufmerksamkeit.
Bild 3: Pippa Brück (mit Brille) und Patircia Pollei-Bardelle, die sich in Erda in der Flüchtlingsarbeit engagieren, kamen mit jungen Geflüchteten über Literatur zum Deutsch lernen aus der Gemeindebücherei ins Gespräch.
Bild 4: Regen Andrang gab es am Büchertisch der Kirchengemeinde.