Erstmals hat die Evangelische Kirchengemeinde Wetzlar ihr Domfest in Zusammenarbeit mit der Flüchtlingshilfe Mittelhessen gefeiert. Seit Frühjahr haben die Vorsitzende Bettina Twrsnick und ihre ehrenamtlichen Helfer nämlich im Domgemeindehaus ihr Domizil gefunden. Dort hat die Flüchtlingshilfe den ehemaligen Konfirmandensaal zu einem Café umgestaltet. In zwei weiteren Räumen sind Büros eingerichtet.

Die Zusammenarbeit beim Domfest zeigte das gute Miteinander von Kirchengemeinde und Flüchtlingshilfe. Geflüchtete aus fünf Nationen hatten Speisen ihrer Heimat zubereitet und sorgten damit für das Mittagessen der Festbesucher. Teigtaschen aus Syrien, Suppe und Kartoffelsalat nach persischer Art, Reis mit Lammfleisch aus Afghanistan und süßes Brot aus Afghanistan waren nur einige der Gerichte, die von den Gemeindefest-Besuchern gerne aufgegessen wurden.

Zudem bot die „Nähwelt“ der Flüchtlingshilfe Produkte an, die von geflüchteten Frauen im Domgemeindehaus genäht werden. Hier kümmern sich Wetzlarer Frauen um Geflüchtete, nähen mit ihnen gemeinsam und erteilen Deutschunterricht. Die etwa 25 geflüchteten Frauen bringen teilweise Kenntnisse aus ihrer Heimat mit oder erlernen das Nähen in Wetzlar. So haben sie bereits Auftragsarbeiten erledigt, beispielsweise Schürzen für die Käthe-Kollwitz-Schule und Stuhlkissen für die Klosterkirche auf dem Altenberg. Ausgediente Jeans werden unter ihren Händen zu Umhängetaschen, Stoffe zu Einkaufstaschen, um die Plastiktüte zu ersetzen, so Gila Gertz.

Im Gottesdienst, der von einem Team vorbereitet wurde, griff ein Anspiel die Gegensätze zwischen europäischen Touristen auf dem Weg nach Afrika und flüchtenden Afrikanern auf dem Weg nach Europa auf. Jörg Rautenberg als Tourist freute sich auf die abenteuerliche Kreuzfahrt und überlegte, was er sich alles mit seinem vollen Portemonnaie leisten könne. Küster Bodo Jaekel schlüpfte in die Rolle eines jungen Mannes, für den die Familie viel Geld zusammen gelegt hatte, um ihn nach Europa zu schicken. Die Flucht durch die Sahara, Gefängnisaufenthalt in Tunesien und schließlich die bange Frage, ob ihn das Boot der Schlepper sicher über das Mittelmeer bringt, beherrschten sein Leben.

Pfarrer Björn Heymer griff das Anspiel und die Situation von Flüchtlingen auf. Für den einen sei die Reise nach Afrika das ultimative Abenteuer, für den anderen gefühlt die letzte Rettung.
Dabei erinnerte er zunächst an die Situation der Menschen, die vor 30 Jahren im September 1989 in Ungarn aus in die Bundesrepublik flüchteten. Sie hätten sich von der DDR ins Ungewisse aufgemacht. In seiner Predigt kam Heymer auch auf die Bibel zu sprechen, in der von der Flucht des Volkes Israel die Rede ist. Gott hatte das Meer geteilt, um die Israeliten vor den sie verfolgenden Ägyptern zu retten. „Wenn wir einen Schritt tun, können wir erleben, wie Gott eine Tür öffnet“, so Heymer. Das gelte auch beim Thema Klima. Im vergangenen Jahr seien 3,2 Millionen Menschen vor Kriegen geflohen. Im ersten Halbjahr 2019 flüchteten bereits 7 Millionen Menschen vor den Folgen des Klimawandels. Das Thema komme auch in Deutschland „auf den Tisch“. Hierzulande müsse man überlegen, was man verändern kann, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Die Demonstranten von „fridays for future“ fragten mit vollem Recht, warum die Erwachsenen nicht mehr für das Klima tun und forderten „Helft uns, die Zukunft zu retten“.

lr