Künstler-Duo konzertiert in der Unteren Stadtkirche:
Der Zerbrechlichkeit des Lebens mit zarten, einfühlsamen Klängen und Worten zu begegnen, das vermag das Duo Jelena Herder. Davon konnten sich die Besucher ihres Konzertes am Ewigkeits- oder Totensonntag in der voll besetzten Unteren Stadtkirche in Wetzlar überzeugen. Dabei kamen leise Töne vor schwarzer Kulisse zum Tragen. Harmonisch ergänzten sich die beiden Protagonisten, Worte und Klänge waren perfekt aufeinander abgestimmt.
Der Ewigkeits- oder Totensonntag ist ein Trauer- und Gedenktag. Menschen, die einen Angehörigen verloren haben, sollen Raum für ihren Schmerz und Trost finden. Dies geschieht in den Gottesdiensten, zu denen die evangelische Kirche an diesem Tag einlädt Am letzten Sonntag des Kirchenjahres werden Menschen zudem ermutigt, bewusster mit ihrer Lebenszeit umzugehen. Dies haben sich Timon und Jelena, er Pädagoge und sie Theologin, die gemeinsam das Duo Jelena Herder bilden, zum Anliegen gemacht. Die beiden waren mit Percussion und Piano sowie Gesungenem und Gesprochenen zu hören.
Das Künstler-Duo aus der Nähe von Marburg präsentierte ein Konzertprogramm aus Musik und Poesie. Es nahm sein Publikum mit auf die Reise, um etwas zu finden, das zum eigenen Inneren passt. Dazu gab es eine Fülle von Bildern, Wortschöpfungen und Klängen, die Räume öffneten, eigenen Verletzungen, Schmerz und Trauer einen Ort zu geben, leise, sanft und voller Einfühlungsvermögen.
„Wer hält jetzt unsere Welt, wenn sie vor uns auseinanderfällt?“ hieß es da, oder „Manchmal steh ich im Scherbenhaufen“. Fertige Antworten hatten Timon und Jelena keine zu bieten. Aber eindrückliche Fragen zum Weiterdenken und -fühlen.
„Wir sind Schätzesammler“ sagte Jelena Herder. Dazu gehören auch Lücken und Lebensscherben und, in den Scherben die Schönheit zu entdecken und wie das Leben etwas Neues daraus bastelt. Sie beschrieb die japanische Kunst „Kintsugi“, bei der zerbrochenes Geschirr mit Gold geflickt wird und daraus ein Kunstwerk entsteht. Jede Lücke habe ihren Platz, das Gold sei in allen Rissen und das neue Kunstwerk werde zur „Scherbenschönheit“.
Auch die Zerbrechlichkeit des Glaubens fand ihren Platz im Konzertprogramm. So war vom Unglauben als stillem Zeitgenossen, als geduldetem und geschätzten Gefährten die Rede. In der Umdichtung des Chorals „Gott ist gegenwärtig“ hieß es „Komm, großes Geheimnis, ich kann dich kaum fassen und doch niemals von dir lassen.“
Dass das Schweigen manchmal eine geeignete Ausdrucksform sein kann, wurde genauso deutlich wie das Aufzeigen von Hoffnungsperspektiven. „Hoffnung ist ein Herzensfest“ lautet der Titel eines Textes, in dem es heißt: „Herzensfeste sind manchmal zögernd, zaghaft, klein.“ Aber auch: „Die Hoffnung weiß was von Verlässlichkeit, dass sich nach jedem Winter Frühling zeigt.“ Von einem Glauben, der gern auf der Schaukel sitzt, an starken Seilen befestigt an einem Baum mit tiefen Wurzeln, hörte das Publikum. Von einem Glauben, der sich im Hin und Her getragen weiß und immer wieder geradewegs in den Himmel hineinfliegt.
Quelle der Darbietungen war zum einen das jüngste Projekt der beiden, ein Themenalbum mit Musik und Poesie „zu Trauer, Seelennächten und Lebensscherben“, wie das Duo mitteilte. Darüber hinaus hatten die Zuhörer Gelegenheit, Texte aus dem aktuellen Poesiebuch „Die Liebe zum Leben und alle ihre Freunde“ zu erleben. Ein Konzert mit Tiefgang.
„Ich habe meine Schatzkammer aufgemacht und eure Schätze hineingepackt“, bedankte sich Bildungsreferent Jochen Gessner am Ende. Bildungsreferentin Marlene Schleicher überreichte dem Duo einen Blumenstrauß.
Pfarrerin Kirsten Vollmer (Bonbaden) berichtete bei ihrer Begrüßung, dass sie sich von dem ausdrucksstarken Flyer von Timon und Jelena zu einem Besuch der beiden habe anregen lassen. Daraus sei die Idee für das Konzert entstanden. Um die aufwendige Technik hatten sich Gemeindepädagoge Christoph Buskies aus Greifenstein und seine Tochter Tara gekümmert.
Weitere Informationen zum Duo Jelena Herder gibt es hier: www.kunstzumleben.org und www.jelenaherder.de
Das Konzert fand als zweite Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Glaube, Hoffnung, Abschied“ des Evangelischen Kirchenkreises an Lahn und Dill statt.
In der Zeit vom 16. bis zum 24. März wird es im nächsten Jahr zu dem Thema eine multimediale Ausstellung in der Unteren Stadtkirche Wetzlar geben.
bkl
Bild 1: Jelena und Timon konzertierten am Ewigkeitssonntag in der Wetzlarer Unteren Stadtkirche.
Bild 2: Einen Blumenstrauß als Dankeschön gab es von Bildungsreferent Jochen Gessner.