Diese Predigt zum Sonntag, 10. Mai, hat Ulrich Ries, Pfarrer der Kirchengemeinden Katzenfurt und Daubhausen, im Rahmen der Reihe „Gottesdienst für zuhause“ verfasst.
Im Mittelpunkt steht zum Bibeltext aus dem Buch der Offenbarung, Kapitel 21, Verse 3 bis 6 die Frage „Was ist Wahrheit?“

Anhören lässt sich die Predigt von Pfarrer Ries hier: https://youtu.be/7rmit6BF9d8

 

Begrüßung

Wir sind verunsichert, weil wir nicht wissen, welcher Wahrheit wir vertrauen sollen. Darum hoffen wir auf Gottes Wort, auf seine Wahrheit, hoffen darauf, sie im Gottesdienst zu hören. Und so feiern wir nun Gottesdienst, und feiern auch diesen Gottesdienst für zuhause in der Gemeinschaft aller Christinnen und Christen zu allen Zeiten und an allen Orten, denn wir feiern auch ihn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Unsere Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.

 

Psalm 66

Jauchzet Gott, alle Lande!

Lobsinget zur Ehre seines Namens;

rühmet ihn herrlich!

Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!

Deine Feinde müssen sich beugen vor deiner großen Macht.

Alles Land bete dich an und lobsinge dir,

lobsinge deinem Namen.

Kommt her und sehet an die Werke Gottes,

der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.

Er verwandelte das Meer in trockenes Land,

sie gingen zu Fuß durch den Strom;

dort wollen wir uns seiner freuen.

Er herrscht mit seiner Gewalt ewiglich,

seine Augen schauen auf die Völker.

Lobet, ihr Völker, unsern Gott,

lasst seinen Ruhm weit erschallen,

der unsre Seelen am Leben erhält

und lässt unsere Füße nicht gleiten.

 

 

Predigt

Was ist Wahrheit? Diese Frage, meine Lieben, beschäftigt uns zurzeit alle, auch wenn sich nicht alle diese Frage bewusst stellen, aber dazu komme ich noch. Was ist Wahrheit? Es gibt viele Antworten auf diese Frage. Ich möchte mich zunächst einmal einer Antwort bedienen, die schon sehr alt, aber durchaus aktuell ist. Wahrheit ist die Übereinstimmung meiner Vorstellung von einer Tatsache mit der Wirklichkeit dieser Tatsache. Keine Angst, das hört sich komplizierter an, als es ist. Ein Beispiel. Wenn ich sage: „Vor mir steht ein Computer auf meinem Schreibtisch.“ – dann ist das eine wahre Aussage, denn sie stimmt mit der Wirklichkeit überein.  Als Beweis zeige ich Ihnen ein Foto. Auf dem allerdings steht der Computer hinter mir, weil es ein Selfie ist. Wenn ich mich wieder herumdrehe, steht er wieder vor mir.

Mit diesem Foto habe ich nun auch schon eine Bedingung erfüllt, die nötig ist, damit ich von Wahrheit sprechen kann. Ich habe einen Beweis geliefert. Dieses Verständnis von Wahrheit gilt auch in den Wissenschaften, nur ist es dort natürlich oft ungleich schwieriger, einen Beweis für eine Aussage zu erbringen. Oft kann man ja den Gegenstand, um den es geht, gar nicht wahrnehmen. Dann braucht man Messinstrumente mit entsprechender Genauigkeit. Manche Wahrheiten kann man auch nur mit Argumenten oder mathematischen Beweisen belegen. Und jetzt sind wir mitten im Problem.

Uns treibt ja die Frage um, wie wir unser Leben in Corona-Zeiten gestalten sollen. Und da ist es grundlegend, erst einmal genau hinzugucken, was denn Corona überhaupt ist. Was ist die Wahrheit über Corona? Diese Frage stellen sich die Wissenschaftler, aber im Grunde müssen wir alle diese Frage stellen. Was ist Wahrheit – in Bezug auf Corona? Ich fasse einmal sehr laienhaft zusammen, was meines Wissens nach gesicherte Erkenntnis ist.

  1. Corona ist ein Virus. Der genaue Name lautet Sars-Cov-2.
  2. Dieses Virus ist in der Lage, auch in Menschen eine Krankheit auszulösen, Covid-19, wenn sie mit dem Virus infiziert werden.
  3. Die Ansteckung erfolgt über eine Tröpfcheninfektion.
  4. Die Infektionen haben einen sehr unterschiedlichen Verlauf. Manche Menschen sterben an der Krankheit.

Ich glaube, viel mehr wirklich gesichert Erkenntnisse gibt es noch nicht. Das macht das Virus so bedrohlich. Man weiß zwar, dass weltweit Menschen infiziert sind, deshalb wird das Ganze Pandemie genannt. Wie viele Infizierte es gibt, ist nicht bekannt, weil es zu wenige Tests gibt. Wie viele Menschen infiziert waren, kann auch nicht gesagt werden, weil das bislang nicht gesichert nachgewiesen werden konnte. Und ob die dann immun sind, ist auch nicht wirklich bekannt.

Zusammengefasst: Die Wahrheit über Corona, die tatsächlich als bewiesen gelten kann, ist sozusagen nur eine kleine Wahrheit. Stand heute.

Trotz dieser immensen Unsicherheit müssen nun Entscheidungen getroffen werden, und zwar auf Grundlage der Wahrheit, soweit sie bekannt ist. Und das haben Politikerinnen und Politiker getan, weltweit mit sehr unterschiedlichen Auswirkungen. Bei uns hat das zum Lockdown geführt. Und Wahrheit ist, dass nach ein paar Wochen der Kontaktbeschränkungen die Zahl der Neuinfizierten zurückgegangen ist. Aber ich denke, dass man auch hier wieder nicht verlässlich sagen kann, welche der Maßnahmen die entscheidenden waren.

Was ist jetzt die Konsequenz aus dieser Wahrheit? Wie gehen wir mit ihr um? Wie verhalten wir uns? Ich denke, es ist geboten, größtmögliche Vorsicht walten zu lassen. Dass der Lockdown in Handel, Wirtschaft und Industrie langsam zurückgefahren wird, halte ich für richtig, denn wenn unsere Wirtschaft zusammenbricht, ist das lebensbedrohlich für uns alle. Wir sollten uns aber nicht verleiten lassen, daraus zu folgern, dass wir wieder unbeschränkte Nähe zwischen allen Menschen zulassen können. Wenn wir Leben schützen wollen, und zwar gerade das der anderen, dann sollten wir sehr zurückhaltend sein. Möglicherweise können wir diese Zurückhaltung nur dann guten Gewissens aufgeben, wenn es einen Impfstoff geben wird. Das gilt für alle Lebensbereiche, auch für Kitas und Schulen, für Krankhäuser und Altenheime, für Vereine und Kultur, auch für die Kirche, für Gottesdienste und Gemeindegruppen.

Überall müssen wir sehr genau prüfen, was wir verantworten können. Und natürlich müssen die Maßnahmen immer wieder im Lichte neuer Erkenntnisse geprüft werden. Diese Prüfung haben bis jetzt unsere Regierungen im Bund und in den Ländern übernommen und entsprechende Regeln festgelegt. Diese Regeln werden nun nach und nach gelockert.

Für mich bedeutet das aber nicht, dass alles einfach wieder möglich und erlaubt ist, nur weil es nicht mehr verboten ist. Für mich bedeutet das, dass von nun an jede und jeder selbst prüfen muss, welches Verhalten sie oder er verantworten kann. Der Schutz des Lebens hat dabei eine hohe Priorität. So stellt sich für mich im Augenblick die Wahrheit über Corona dar, die sich aber natürlich jeden Tag ändern kann, wenn neue Erkenntnisse hinzukommen. Das ist keine gute Nachricht.

Die gibt es aber trotzdem noch, die Gute Nachricht, und die besteht darin, dass die gerade geschilderte Wahrheit nicht die einzige Wahrheit ist. Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, meine Lieben. Er spreche nicht von einer der zahlreichen Verschwörungstheorien, die auch zu Corona kursieren. Ich rede auch nicht von alternativen Wahrheiten im Sinne von Donald Trump. Und es geht mir nicht um Fakenews. Ganz im Gegenteil!

Ich rede von der Guten Nachricht, die uns unser christlicher Glaube zusagt. Und zur Wahrheit dieses Glaubens gehört, dass die Welt, wie wir sie kennen, wie wir sie messen, berechnen oder wissenschaftlich erfassen können, dass diese Welt getragen und umfangen ist von der Wirklichkeit Gottes. Die Bibel nennt das „das Reich Gottes“. Und Johannes beschreibt das Reich Gottes in seiner Offenbarung so:

Gott wird bei den Menschen wohnen und sie werden seine Völker sein.

Und er wird jede Träne abwischen von ihren Augen.

Es wird keinen Tod und keine Trauer mehr geben,

kein Klagegeschrei und keinen Schmerz.

Dann sagte er zu mir:

»Wer Durst hat, dem gebe ich umsonst zu trinken.

Ich gebe ihm von der Quelle, aus der das Wasser des Lebens fließt.«

(Offb. 21, 3-6)

So können wir uns Gottes Wirklichkeit vorstellen. Johannes beschreibt das als ein Geschehen, das noch in der Zukunft liegt. Gott wird jede Träne abwischen von ihren Augen.

Es wird keinen Tod und keine Trauer mehr geben. Johannes schreibt von einer Zukunft und er tut es, weil das, was er beschreibt, für uns Menschen noch nicht volle Realität ist. Und doch ist unsere Realität schon jetzt von Gottes Wirklichkeit umfangen. Deshalb können wir es manchmal schon jetzt erleben, dass unsere Tränen getrocknet werden. Und da, wo unser Lebensdurst gestillt wird, wo wir von der Quelle trinken, aus der das Wasser des Lebens fließt, da bekommen wir mitten in der harten Realität einen Vorgeschmack davon, was noch aussteht.

Wir sind jetzt schon umfangen vom Reich Gottes und das heißt: Das kann noch nicht alles gewesen sein, was wir jetzt erleben. Gott will mehr für uns. Das Beste kommt zum Schluss. Und das heißt auch: Es wird ein Leben nach Corona geben. Noch ist es nicht so weit, deshalb sollten wir noch vorsichtig sein. Aber es steht ja noch etwas aus. Darauf können wir uns jetzt schon freuen. Von dem, was da noch kommt, können wir uns trösten und Mut machen lassen. Das ist die ganze Wahrheit, meine Lieben. Verlassen Sie sich drauf.

 

Gebet

O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,

dass ich Liebe übe, wo man sich hasst,

dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt,

dass ich verbinde, da, wo Streit ist,

dass ich die Wahrheit sage, wo der Irrtum herrscht,

dass ich den Glauben bringe, wo der Zweifel drückt,

dass ich die Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält,

dass ich ein Licht anzünde, wo die Finsternis regiert,

dass ich Freude mache, wo der Kummer wohnt.

 

Herr, lass du mich trachten:

nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;

nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;

nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.

Denn wer da hingibt, der empfängt;

wer sich selbst vergisst, der findet;

wer verzeiht, dem wird verziehen;

und wer stirbt, erwacht zum ewigen Leben.

 

So begleite uns Gott mit seinem Segen in die vor uns liegende Zeit.

Wo wir uns nicht mehr gegenseitig anschauen können,

möge er uns gnädig ansehen.

Wo uns die eigenen Worte im Hals stecken bleiben

oder wo sie ungehört verhallen,

möge er uns mit seinem Wort Mut machen und Trost schenken.

Wo wir auf Distanz bleiben, freiwillig oder unfreiwillig,

möge er uns nahekommen und uns in seinen Händen bergen.

Amen.