Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Schwester und Brüder, liebe Gottesdienstgemeinde,

heute schließen wir mit diesem Gottesdienst die letzte Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Wetzlar ab. Anfang des Jahres haben wir stolz auf 200 Jahre Evangelischer Kirchenkreis Wetzlar zurückblickt. Nun kommt der Kirchenkreis an sein Ende. Wir tragen ihn jedoch nicht zu Grabe. Wir lassen ihn einmünden in ein größeres Ganzes. Mit dem „Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill“ wird eine neue Einheit zusammen mit dem Kirchenkreis Braunfels gebildet. Alte Themen und Problemfelder bleiben. Neue Herausforderungen, Themen und Diskussionspunkte kommen auf uns zu. Wir haben heute Morgen einiges angesprochen unter der Fragestellung: „Welche Veränderungen erleben wir, kommen auf uns zu, wie gehen wir damit um?“

Ja, wir müssen reagieren auf die zeitbedingten Herausforderungen. Die kosten uns leider viel Zeit und Kraft. Gottes Wort ermutigt uns, zielbewusst zu reagieren und verheißungsorientiert zu agieren. Kurz und knapp möchte ich fragen: Kirche, wohin gehst du? Gemeinde Jesu – wozu hat Gott dich berufen?

Drei Aussagen der Heiligen Schrift bewegen mich dabei und ich höre:

  1. Gemeinde Jesu ist auf Veränderung hin angelegt
    Der Verfasser des Hebräerbriefes stellt in Hebr. 13, 14 fest: „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
  1. Gemeinde Jesu lebt zielorientiert
    Paulus schreibt in Philipper 3,14: „Ich jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.“
  2. Gemeinde Jesu erhält Orientierungshilfe aus Gottes Wort
    Jesus sagt in Markus 12,30-31: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit aller deiner Kraft. Das andere ist dies: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
    1.Gemeinde Jesu ist auf Veränderung hin angelegt:

„Kirche, wohin gehst du?“ So fragen sich viele Menschen in unserer Zeit, nicht nur der Arzt, der mich vorgestern auf eine anstehende OP vorbereitete und sich betroffen über das äußerte, was er als Christ in seiner Kirche und Gemeinde als christliche Botschaft und Zeugnis erlebt.

Viele Menschen sind dankbar für das, was sie in den Gemeinden erleben: Gemeinschaft, Verkündigung des Wortes Gottes, Stärkung des Glaubens, usw. Menschen fragen wegen den vorgegebenen finanziellen Einschränkungen der Gemeinden, die zu großem Unmut führen. Sie fragen nach der Priorität der Kirche: sind die Menschen vorrangig im Blick oder die Gebäude? Sind die Strukturen von Kirche erhaltenswert oder die Gemeinde als lebendiger Organismus? Oder lässt sich beides verbinden? Kirche, wohin gehst du? – so fragen  viele treue Gemeindeglieder und ehrenamtlich Tätige auch im Blick auf den Umgang der Kirche mit theologischen und ethischen Fragen.

Nicht nur in der Politik geht es drunter und drüber. Die Volksparteien verlieren Zuspruch. Neue Parteien sind da, um die Unzufriedenen einzusammeln. Auch in der Kirche brodelt es. Kirche schrumpft.

Viele suchen sich andere Gemeinden, wo sie ihren Glauben leben wollen. Andere möchten, dass alles so bleibt, wie es ist. Wieder andere wünschen sich einen geistlichen Aufbruch und beten dafür.   Es entstehen viele Gebetsinitiativen und Gebetshäuser. Zu Beginn meiner Dienstzeit gab es in unserem Kirchenkreis auch noch ein Treffen des Pfarrergebetsbundes.

Im Blick auf unser Leben als Einzelne wie auch als Gemeinde stimmt, was der Verfasser des Hebräerbriefs im 13. Kapitel, in Vers 14 feststellt. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, aber die zukünftige suchen wir“. Das Leben mit seinem Werden und Vergehen – und damit auch mit allen Veränderungen – ist ein lebendiges Geschehen, ein sich Entwickeln und Fortschreiten. Das ist gut so, denn als Christen wissen wir, dass unser Leben ein von Gott gesetztes Ziel hat und das Schönste in der Ewigkeit noch kommt.

2.Gemeinde Jesu lebt zielorientiert:

Paulus schreibt: „Ich jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.“ Paulus jagt dem Ziel entgegen. Er konzentriert sich auf das Wesentliche. Alle Kräfte, alle Zeit, alle Energie investiert er dafür. Ob er das Wort Jesu kannte: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit“? Er weiß, dass das Wichtigste im Leben die Gemeinschaft mit Gott in der Nachfolge Jesu ist.

Wir gehen im Blick auf das Ziel des Lebens als Einzelne, aber auch als Gemeinde, oft wie Charlie Brown vor. Der schießt den Pfeil seines Bogens ab, und wo er ankommt, da malt er die Kreise einer Zielscheibe drum herum und gibt an, das Ziel getroffen zu haben.

Welches Ziel verfolgen wir als Kirche? Setzen wir uns selbst Ziele? Gleichen wir uns den gesellschaftlichen oder politischen Zielen an? Oder richten wir unseren Blick auf das von Gott vorgegebene letzte Ziel? Paulus weiß um dieses Ziel: die bleibende Stadt, die Heimat im Himmel, Gottes Reich in der Ewigkeit, das in Jesus Christus angebrochen ist und wächst, wo wir mit ihm leben. Auf dieses Ziel hin sollen wir als Christen und als Kirche auch heute unser Leben, unser Planen, Denken und Handeln, ausrichten. Dazu sind wir berufen. Dieser Berufung müssen auch alle Ordnungen und Dienste der Kirche untergeordnet sein.

Von diesem Ziel her zu leben, gibt Kraft und Mut im Hier und Heute. Es gibt Kraft, auf den oft schwierigen, holprigen Glaubenswegen mutig voran zu gehen. Dieses Ziel neu in den Blick zu nehmen und zum Leuchten zu bringen neben all den kleinen organisatorischen und strukturellen Etappenzielen ist mein persönliches Anliegen und meines Erachtens auch vorrangige Aufgabe der Kirche. Darum bitte ich mit dem Lied von Marie Schmalenbach:

Ewigkeit, in die Zeit leuchte hell hinein,
dass uns werde klein das Kleine
und das Große groß erscheine.
Sel’ge Ewigkeit.

Damit bin ich beim dritten Gedanken:

3.Gemeinde Jesu erhält Orientierungshilfe aus Gottes Wort

Gott sei Dank haben wir sein Wort und den Heiligen Geist, der uns hilft, das Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren und das Leben unter Gottes Führung zu gestalten. Das Hören auf Gottes Wort, die Beziehung zu ihm im Gebet, die Feier des Heiligen Abendmahles und die Gemeinschaft mit anderen Christen gehören bis heute zu den Kennzeichen christlichen Glaubens. Und damit auch das Bekenntnis zu Jesus Christus als dem auferstandenen, gegenwärtigen und wiederkommenden Herrn.

Wer bereit ist. auf Gottes Wort zu hören, die Heilige Schrift in ihrem Zuspruch und Anspruch auf das Leben ernst zu nehmen, der wird Gewissheit bekommen für den Weg, als Einzelner und als Kirche. Jesus benennt nicht nur das Ziel, sondern sagt uns auch, auf welche Weise der Weg beschritten werden soll, damit wir auch auf dem Weg zum Reich Gottes bleiben.

Als wichtigste Orientierungspunkt für ein gelingendes und zielorientiertes Leben sagt Jesus in Markus 12, 30-31 „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit aller deiner Kraft. Das andere ist dies: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Mit der Nächstenliebe sind wir in unserer Kirche gut dabei. Menschen anderen Glaubens, anderer Herkunft, anderer Hautfarbe und Kultur, geflüchtete Menschen. Menschen mit anderer geschlechtlichen Orientierung, Menschen in Armut und Krisengebieten, sie alle sind nicht vergessen in den Verlautbarungen und dem Engagement von Kirche. Die Diakonie, die helfende Tat, ist auch eine unverzichtbare Lebensäußerung der Kirche.

Aber wie halten wir es mit der Gottesliebe, die im Menschen auch den erlösungsbedürftigen Sünder sieht, den Menschen, der unerlöst das Ziel des Lebens verfehlt?

Paulus sagt es kurz und prägnant: „Sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade, durch die Erlösung, die durch Jesus Christus geschehen ist.“ Dieses große Geschenk der Gnade verliert seinen Wert, wenn Menschen sich nicht mehr als erlösungsbedürftig begreifen und mit diesem Geschenk leben.

Haben wir als Kirche, als Verkündigung, als Christen, den Mut, auch zu sagen, was wir im Glaubensbekenntnis jeden Sonntag bekennen: dass Jesus um unserer Sünde willen gestorben, aber auferstanden ist und wiederkommen wird zu richten die Lebenden und die Toten? Und dass sich einmal alle Knie beugen müssen vor Jesus und bekennen müssen, dass Jesus Christus der Herr ist. zur Ehre Gottes, des Vaters, wie Paulus den Philippern schreibt?

Wir müssen den Menschen sagen, was ihre Wirklichkeit vor Gott ist. Und dass die Heilstatsachen, die in unserer Taufe uns zugeeignet wurden, im Glauben angenommen und in der Nachfolge gelebt werden wollen.

Wir müssen davon reden, weil Jesus von sich sagt: ,.So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf das alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben“. Jesus sucht den Glauben der Menschen, er will ihr Heil. Das zu bezeugen ist unser Auftrag als Gesandte Jesu Christi.

Es macht mich immer wieder traurig, in Trauergesprächen oder bei Besuchen von vielen Menschen zu hören, dass sie als Gemeindeglieder keine Auferstehungshoffnung haben und sich zufrieden geben mit dem Gedanken, dass nach dem Tod alles aus ist. Es ist keine Sündenerkenntnis mehr da. Und damit wird auch die Heilstat Jesu fürs Leben unbedeutend.

Ich bete dafür, dass Jesus Christus das Zentrum unseres Glaubens und unserer Kirche bleibt. Ich wünsche mir, dass der Heilige Geist uns als Christen, als Synode, als Kirchenkreis, in noch größere Unruhe versetzt, uns ermutigt und hilft, die nötigen Schritte im Glauben zu gehen.

Auf diesem Weg brauchen wir einander im Hören und Fragen, im Korrigieren und Ermutigen, damit wir uns nicht verlaufen und die Menschen in den Gemeinden mitnehmen können.

Liebe Gottesdienstgemeinde, in allen Irrungen und Wirrungen dieser Zeit, in allen Zerbrüchen. Umbrüchen und Aufbrüchen dürfen wir dessen getrost sein: unser Herr geht mit. Was er in uns persönlich und in seiner Kirche angefangen hat. wird er auch vollenden.

Darum bin ich sicher: es wird immer Menschen geben, die in unseren Kirchengemeinden und unserem Kirchenkreis den Weg der Nachfolge gehen. Kirche und Gemeinde Jesu werden Bestand haben, auch wenn sich ihr Erscheinungsbild ändert.

Es wird immer Christen geben, die sich als Gemeinde auch unter erschwerten Bedingungen begegnen, die Gottes Wort miteinander lesen und daraus Sinn und Hoffnung für ihr Leben und die Ewigkeit empfangen.

Der in seiner Kirchengemeinde aktiv mitarbeitende anfangs erwähnte Arzt sagte mir, als ich ging:“Wissen Sie, ich habe hier in der Klinik einen Dienstherrn. Mit dem habe ich einen Vertrag unterschrieben. In allem anderen bin ich einem anderen Herrn verpflichtet.“ Und er meinte damit Jesus Christus. Das klang fast wie der Bischof für den Sprengel Mecklenburg und Pommern der Nordkirche, Hans-Jürgen Abromeit, der gesagt hat: „Kirche ist nicht links und nicht rechts – sondern Kirche ist da, wo die Menschen sind und wo Christus ist.“

Abschließend bete ich mit Worten von Jochen Klepper:
„Der du allein der Ewge heißt und Anfang, Ziel und Ende weißt im Fluge unsrer Zeiten. Bleib du uns gnädig zugewandt und führe uns an deiner Hand, damit wir sicher schreiten.“

Amen.

Horst Daniel, Pfarrer in  Lützellinden, Dutenhofen und Münchholzhausen