Zu Gründonnerstag und Karfreitag an die Leidenstage Jesu erinnern:
Ohne Jesu Tod am Kreuz gibt es keine Auferstehung. Deshalb gehören Ostern, Karfreitag und auch der Gründonnerstag zusammen. Gottesdienste mit Abendmahl und Kreuzwege haben für evangelische Christen in der Region unter anderem den Karfreitag und den Gründonnerstag geprägt. Diese beiden Tage sind gemeinsam mit dem Karsamstag besondere Zeiten der Stille und Besinnung auf das Leiden und Sterben Jesu Christi.
Ganz im Zeichen der Trauer stand dabei der Karfreitag als Tag der Erinnerung an das, was Jesu Sterben am Kreuz bedeutet. Auf Einladung des synodalen Arbeitskreises Frieden und des Laurentiuskonventes Laufdorf hatten sich rund 30 Menschen am Hofgut Magdalenenhausen in Wetzlar versammelt, um ein großes Kreuz unter Gesang von Taizé-Liedern und Gebet über den Weinberg zu tragen. Der ehemalige Standortübungsplatz der Bundeswehr ist heute ein Naturschutzgebiet mit ausgewiesenen Wanderwegen. „Der Friede Gottes ist etwas anderes als der Abstand zwischen zwei Kriegen“, erklärte Ernst von der Recke. „Friede ist ein Weg in guten wie in bösen Zeiten.“ Das Sterben Jesu am Kreuz, in den Augen vieler ein Misserfolg, sei zum Heilsweg geworden. An sieben Stationen wurden Schilder mit Wörtern wie „standhalten“, „verweigern“ und „treu bleiben“ am Kreuz befestigt. Diese Wörter sollten an den Weg Jesu erinnern und gleichzeitig dazu einladen, selbst aktiv zu werden. Fürbitten, beispielsweise für Menschenrechtler, Journalistinnen, Flüchtlinge, Soldatenmütter, Friedensaktivistinnen im zivilen Widerstand und religiöse Minderheiten schlossen sich jeweils an. Ein Segens- und Dankeswort zum Abschluss sprach Kateryna Diatlova, eine der Geflüchteten aus der Ukraine, die derzeit im Laurentiuskonvent leben.
Viele Gemeinden haben am Gründonnerstag erstmals seit Beginn der Pandemie wieder das Abendmahl miteinander gefeiert. „Dazu nutzen wir unsere Einzelkelche“, so der Braunfelser Pfarrer Sven Seuthe. Auch die Maskenpflicht und die Abstandsregeln galten meist weiterhin in den Gottesdiensten. „An Karfreitag blickt Jesus in den Abgrund von menschlicher Schwäche und Versagen: Verrat, Verleumdung, Aufgeilen am Leid, Mord und Fanatismus“, sagte Pfarrer Seuthe in seiner Predigt zum Ausspruch Jesu am Kreuz „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukasevangelium, Kapitel 23, Vers 34). „Karfreitag gebietet uns, nicht stille Beobachterinnen, unbewusste Mittäter, passive Zulasserinnen zu sein“, ergänzte der Theologe. Die Bitte Jesu um Vergebung sei kein „Persilschein“. Weil Jesus für sie gelitten habe, müssten Christen sich anrühren lassen und in den Abgrund blicken, um im Leiden stützend unter die Arme zu greifen und mit daran zu arbeiten, dass diese menschlichen Schwächen keinen Platz in ihrer Mitte haben.
Einen Kreuzweg mit Bildern des Theologen und Künstlers Sieger Köder (1925-2015) und Textimpulsen haben Verantwortliche der Evangelischen Kirchengemeinde Dorlar im Kirchgarten eingerichtet. Die acht Stationen spiegeln die letzten Tage Jesu bis zu seinem Tod am Kreuz wider. Mit auf den Bildern sind Menschen, die sehr unterschiedlich auf das Leiden Jesu reagieren. Besucher können entdecken, wie sie sich selbst hier wiederfinden und welche Bedeutung dies für ihr Leben hat. „In den Gesichtern ist vieles zu lesen“, heißt es da beispielsweise: „Hass, Spott, Triumph, Verachtung, aber auch Entsetzen, stilles Mitleiden, Betroffenheit über so viel Ungerechtigkeit.“ Der Weg ist noch am Karsamstag von 10 bis 20 Uhr zu sehen. Einen Kreuz- und Osterweg für Familien und Kinder rund um die Atzbacher Kirche können Interessierte noch bis Ostermontag einschließlich täglich von 10 bis 18 Uhr besuchen.
„Kinder erleben selten die Gottesdienst-Gemeinde zu diesem Thema“, so Joachim Grubert, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinden Weidenhausen-Volpertshausen-Vollnkirchen und Niederwetz/Reiskirchen. Am Gründonnerstag gab es daher in Niederwetz vor und in der Kirche einen „Gethsemaneweg“ für Erwachsene, gleichzeitig mit dem Angebot für Kindergottesdienst und der Erzählung einer kindgerechten Geschichte der letzten Tage Jesu unter Leitung der ehrenamtlichen Mitarbeiterin Reinhild Schmidt-Simon. Mit dem Kanon „Herr, richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ war die Gemeinde zu Beginn in die Kirche eingezogen.
Zu einer gut sechsstündigen Nachtwanderung brach eine Gruppe von Männern im Alter zwischen 50 und 74 Jahren am Gründonnerstagabend auf. Unter Leitung von Wolfgang Böhl ging es im Licht des Vollmondes 19 Kilometer weit vom Naturschutzgebiet „Weinberg“ bei Wetzlar über die Theutbirg-Basilika Nauborn, Reiskirchen, sowie den Kalsmunt bis zur Wetzlarer Magdalenenkirche mit gemeinsamen Frühstück dort. An den fünf Stationen gehörten Krieg, Verfolgung und Gefangenschaft zu den aufgegriffenen Themen. Die Teilnehmenden legten aus weißen Kieselsteinen ein Kreuz an jeder Station und erhielten Kerzen zum Anzünden.
bkl
Bild 1: Im Naturschutzgebiet „Weinberg“ beim Hofgut Magdalenenhausen trugen Christen am Karfreitag ein großes Kreuz und erinnerten damit an den Kreuzweg Jesu.
Bild 2: An einzelnen Stationen des Kreuzweges auf dem „Weinberg“ versammelten sich die Teilnehmenden zur Stille und zum Singen und Beten.
Bild 3: Eines der Bilder von Sieger Köder im Kirchgarten Dorlar zeigt Menschen und ihre Reaktionen bei der Kreuzigung Jesu.
Bild 4: Der Kreuzweg im Garten hinter der Dorlarer Kirche.
Bild 5: Ein Kreuz aus Kieselsteinen hatten Teilnehmende der Männerwanderung an der Theutbirg-Basilika Nauborn gelegt.