Delegierte aus dem Kirchenkreis an Lahn und Dill diskutieren bei der Landessynode über die Zukunft der Kirche:

Wie können wir Kirche zukunftsfähig gestalten? Welche Angebote sind auch für kirchlich distanzierte Menschen attraktiv? Welche Reformen sind dafür nötig? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der sechstägigen Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) in Düsseldorf. Mit Rita Broermann-Becker (Wetzlar), Pfarrerin Alexandra Hans (Wißmar), Brigitte Henrich (Rechtenbach), Assessor Christoph Schaaf (Krofdorf) und Superintendent Dr. Hartmut Sitzler (Kröffelbach) nahmen an der Synode auch die Abgeordneten des Evangelischen Kirchenkreises an Lahn und Dill teil.

Anders als bei vergangenen Synoden nahmen sich die Delegierten zwei ganze Tage Zeit, um eigene Ideen zur Zukunft der Kirche zu diskutieren und zentrale Fragen anhand von Themen wie Nachwuchsgewinnung, Vielfalt, Glauben im Alltag und neue Gemeindeformen zu konkretisieren. Im Laufe des Jahres sollen die angestoßenen Prozesse in den landeskirchlichen Gremien weiterbearbeitet und bei der Synode 2025 beschlossen werden.

„In der AG ‚Kirche in der Fläche‘ und in unterschiedlichen Workshops wurde das Anliegen unseres Kirchenkreises, die Prädikantenausbildung auszuweiten und eine Lektorenausbildung zu beginnen, deutlich unterstützt“, freute sich Pfarrerin Alexandra Hans. „Gerade im ländlicheren Süden der Landeskirche sieht man den Bedarf, neben den Pfarrerinnen und Pfarrern Ehrenamtliche für Gottesdienstleitung zu gewinnen, damit auch in Zukunft an vielen Orten unterschiedliche Gottesdienste gefeiert werden können.“ Rita Broermann-Becker hielt fest: „Es war eine spannende Aufgabe, gemeinsam am Thema ‚Zukunft der Kirche‘ zu arbeiten, neue Perspektiven für unseren Kirchenkreis und die Gemeinden zu entwickeln und vertraute Wege zu hinterfragen.“ Das sieht auch Superintendent Sitzler so, Mitglied der Kirchenleitung und auch der Vorbereitungsgruppe für das neue Konzept. „Es ist für mich eine schöne Erkenntnis, dass an verschiedenen Ecken unserer Kirche Menschen an den gleichen Fragen stehen und genau wie wir an einer Erneuerung der Kirche aus ihrem Ursprung arbeiten.“ Zuversichtlich, dass in den Gemeinden vor Ort und im Kirchenkreis Antworten gefunden werden können, zeigt sich Assessor Christoph Schaaf: „Mich beeindruckten als Erstteilnehmer an der Landessynode die in großer Ernsthaftigkeit, ehrlicher Offenheit und in geschwisterlichem Geist geführten Beratungen, wie wir angesichts aktueller Herausforderungen im Namen des Evangeliums an der Seite der Menschen stehen können.“

Um sich darüber klar zu werden, was Menschen an Kirche berührt, hatte die Landeskirche die Kirchenkreise um entsprechende Videoclips gebeten, die im Rahmen der Synode präsentiert wurden. So kam der 28-jährige Justin Fehst aus Katzenfurt, der heute in Ehringshausen lebt, über die Jugendarbeit zur evangelischen Kirche. „Mich bewegt Kirche dort, wo ich mich angesprochen fühle, wo ich teilhaben kann, da, wo man mich sieht und fördert“, erzählt er im Video über seine positiven Erfahrungen.

Dass mit der Kirchenmitgliedschaft auch der Glaube zurückgehe, sei ein zentrales Ergebnis der aktuellen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU), so Präses Dr. Thorsten Latzel in seinem Jahresbericht vor der Synode. „Was fehlt, wenn Gott fehlt?“, fragte der leitende Geistliche. Seine Antwort: „Es fehlt alles. Es fehlt eine Hoffnung über die Krisen dieser Welt und den ganzen menschlichen Schlamassel hinaus.“ Unter anderen Bedingungen Kirche für die Menschen zu sein, bedeute auch, beim Sonntagsgottesdienst zu unterscheiden zwischen Feiern, die ein größeres oder jüngeres Publikum anziehen und kleinen Formaten in Form von Taizé oder „Bibel teilen“. Angesichts der wachsenden Armut in Deutschland forderte Latzel ein „Umsteuern und Umverteilen in der Gesellschaft“. Hier beklagte er zudem einen „Verlust demokratischer Bindungskräfte“ und wurde ganz konkret in seiner Einschätzung der AfD: „Die Grundhaltung dieser Partei widerspricht zutiefst dem christlichen Glauben.“ Zu antijüdischen Ausschreitungen nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel sagte er: „Antisemitismus ist Gotteslästerung und hat hier nichts zu suchen.“ Die Landessynode nahm dies auf in ihrer Erklärung „Gegen Antisemitismus. Für Gerechtigkeit und Frieden in Israel und Palästina.“

Eine neue, an den Mitgliedern orientierte, Lebensordnung für die rheinische Kirche sieht gleichzeitig vor, dass es mehr Entscheidungsfreiheit für Pfarrpersonen und Presbyterien gibt: Gottesdienstzeiten und -formate können in Abstimmung mit dem Kreissynodalvorstand anders als bisher festgelegt werden. Auch sind jetzt beispielsweise alle Getauften zum Abendmahl eingeladen und müssen dafür nicht konfirmiert sein. Zudem ist die Taufe von Kindern, deren Sorgeberechtigten keine Kirchenmitglieder sind, künftig möglich – unter der Voraussetzung, dass die christliche Erziehung gewährleistet ist.

In den Ständigen Ausschuss für Kirchenordnung und Rechtsfragen wurde Superintendent Hartmut Sitzler gewählt. „Gott lässt sich nicht für fremde Zwecke einspannen“, so der Theologe im Eröffnungsgottesdienst in der Düsseldorfer Johanneskirche. Grundlage von Sitzlers Beitrag zur Predigt, die er gemeinsam mit Präses Dr. Thorsten Latzel und Superintendentin Antje Menn hielt, war die Versuchungsgeschichte Jesu aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 4, Verse 5 bis 7. Gott lasse sich auch nicht für die Zwecke der Landessynode instrumentalisieren, so Sitzler weiter. „Klarheit ist notwendig. Orientiert uns Gottes Wort oder benutzen wir es nur?“

Weitere Informationen zur Landessynode, inklusive aller wichtigen Beschlüsse sowie des Eröffnungsgottesdienstes mit Superintendent Hartmut Sitzler und des Videos mit Justin Fehst, sind unter www.ekir.de/landessynode zu finden. Die Livestreams der Plenarsitzungen sind ab Ende der Synode drei Monate lang abrufbar.

 

 

Hintergrund „Landessynode“

Die in der Regel Anfang Januar und damit als erste aller EKD-Gliedkirchen jährlich tagende Landessynode ist das oberste Leitungsgremium der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Sie entscheidet über die wichtigsten Belange der Landeskirche. Von den knapp 2,2 Millionen Mitgliedern der rheinischen Kirche, die zwischen Niederrhein und Saar in 37 Kirchenkreisen mit 605 Kirchengemeinden organisiert sind, gehören rund 64.000 zu Hessen. Im Kirchenkreis an Lahn und Dill gibt es insgesamt 41 Kirchengemeinden. Oberster Repräsentant der EKiR als der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland ist seit 2021 Präses Dr. Thorsten Latzel. Er steht gleichzeitig der Kirchenleitung vor, die in der Zeit, in der die Landessynode nicht tagt, die Geschäfte führt.

Auch auf unserem Facebook-Auftritt gibt es einen Beitrag zur Landessynode: https://www.facebook.com/EvangelischerKirchenkreisAnLahnUndDill/

Die wichtigsten Informationen zur Landessynode sind hier zu finden: synode.info Landessynode 2024

 

bkl / Fotos: Petra Stroh /bkl

 

Bild 1: Vertraten den Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill bei der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland in Düsseldorf (v.l.):  Hartmut Sitzler, Rita Broermann-Becker, Christoph Schaaf, Brigitte Henrich und Alexandra Hans. (Foto Petra Stroh)

Bild 2:  Über die Versuchungsgeschichte Jesu predigte Superintendent Hartmut Sitzler im Eröffnungsgottesdienst der Synode in der Düsseldorfer Johanneskirche. (Foto bkl)

Bild 3: „Arbeit mit Kindern“ ist eine bessere Formulierung als „Kinderarbeit“: Pfarrerin Alexandra Hans (r., stehend) bei der Einbringung ihres Antrags. (Foto bkl)

Bild 4: Unter den Mitgliedern der Kirchenleitung, die die Landessynode leiteten, war nach seiner Wahl 2023 erstmals auch Superintendent Hartmut Sitzler (Mitte). (Foto bkl)

Bild 5: Assessor Christoph Schaaf nahm bei der Landessynode am Ausschuss für Öffentliche Verantwortung teil und beschäftigte sich dort mit dem Thema „Antisemitismus“. (Foto bkl)