Literarisch-musikalischer Abend für jüdische Opfer des 7. Oktober:

„Trauer um Deutschland und Sehnsucht nach Jerusalem“ lautete das Motto bei einem literarisch-musikalischen Abend in der Paulskirche in Hermannstein. Expressionistische Lyrik der deutsch-jüdischen Dichterin und Zeichnerin Else Lasker- Schüler (1869–1945) sowie Harfen- und Cello-Musik, gespielt von Jelena Engelhardt und Matthias Bantay, das Ganze moderiert von Sabine Weber, konnten die mehr als 60 Anwesenden dort hören und erleben.

Die in Wuppertal geborene Dichterin Else Lasker-Schüler war in der Zeit des Nationalsozialismus gezwungen, in die Schweiz zu emigrieren, von wo aus sie mehrfach nach Palästina reiste. Sie starb, nachdem sie schwer erkrankt war, in Jerusalem. Der frühe Tod der Eltern und ihres einzigen geliebten Sohnes Paul prägten ihr Leben ebenso wie ihre Dichtkunst und die Freundschaft zu Schriftstellern wie Martin Buber, Gottfried Benn und Peter Hille sowie zu dem Maler Franz Marc.

Ihre Biografie zeichnete Hörfunk-Kulturjournalistin Sabine Weber nach, die im Laufe des Abends die Gedichte Else Lasker-Schülers und die musikalischen Werke interpretierte. Die Gedichte hatte Cellist Matthias Bantay ausgewählt, während Jelena Engelhardt die Zuhörer insbesondere mit ihren Arpeggien und Pedal-Glissandi an der Harfe bezauberte. Liebe, Trauer und Sehnsucht, aber auch Hoffnung und orientalische Exotik vermochte das musikalische Duo, das sich perfekt ergänzte, zu vermitteln. Mit ruhigen und lebendigeren, mit klagenden und auch tröstlichen Klängen bewegten Engelhardt und Bantay ihr Publikum. Gemeinsam mit den Gedichten Else Lasker-Schülers entwickelte sich ein harmonischer Zusammenklang.

Den Auftakt des Abends bildete „Kol Nidrei op.47“ von Max Bruch. Das jüdische Kol Nidrej (“alle Gelübde“) wird am Vorabend des Versöhnungstages Jom Kippur, des höchsten jüdischen Feiertages, gebetet. Komponisten wie Maurice Ravel (1875-1937), Friedrich Gernsheim (1839-1916) und Pablo Casals (1876-1973) folgten mit „Piece en forme de Habanera“, „Elohenu“ und dem „Gesang der Vögel“, einem alten katalanischen Weihnachtslied.

Wie Else Lasker-Schüler ihre Lebenserfahrungen zur Sprache bringt und verarbeitet, ließ sich an den Gedichten mit Titeln wie „Ein Liebeslied“, „Das blaue Klavier“, „Weltende“ oder „Winternacht“ erspüren.

Musik und Gedichte endeten mit dem bewegenden „Prayer“ (Gebet), dem ersten Satz aus der Suite „From Jewish Life“ des jüdischen Komponisten Ernest Bloch, als musikalischer Abendsegen.

Beim brutalen Überfall der Hamas auf jüdische Menschen am 7. Oktober wurden auch mehr als 200 Geiseln genommen und damit zahlreiche Familien auseinandergerissen. Um sie bei der Bearbeitung ihrer Traumata zu unterstützen, legten die Besucher von Konzert und Lesung statt Eintritt zu zahlen am Ausgang ihre Spenden zusammen. Gemeindepfarrer Wolfgang Grieb hatte bei seiner Begrüßung darum gebeten.

Veranstaltet hatten den Abend die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Gießen-Wetzlar, die Evangelische Kirchengemeinde Hermannstein und der Evangelische Kirchenkreis an Lahn und Dill.

bkl

Bild 1: Harmonischer Zusammenklang: Matthias Bantay und Jelena Engelhardt spielten in der Hermannsteiner Paulskirche bewegende Melodien und unterstützen damit gleichzeitig ein Projekt für jüdische Opfer des 7. Oktober.

Bild 2: Kulturjournalistin Sabine Weber rezitierte Gedichte von Else Lasker-Schüler und moderierte den Abend.

Bild 3: Jelena Engelhardt bezauberte das Publikum mit Arpeggien und Pedal-Glissandi.

Bild 4: Cellist Matthias Bantay hatte gleichzeitig die Gedichte von Else Lasker-Schüler ausgesucht.

Bild 5: Den Musikern und der Moderatorin dankte Pfarrer Wolfgang Grieb (l.).