Die Glocken haben am Sonntagmorgen zwar geläutet. Die Besucher strömten aber nicht in die evangelische Kirche. Vielmehr führte ihr Weg genau gegenüber in den Hof des Heimatmuseums Garbenheim. Erneut hatte die evangelische Kirchengemeinde gemeinsam mit dem Heimatverein zu einem Gottesdienst in Mundart eingeladen. Gekommen waren rund 80 Besucher und Akteure. Unter ihnen war auch das Blasorchester der Freiwilligen Feuerwehr Garbenheim unter der Leitung von Thomas Buß.

Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht freute sich über die große Besucherzahl und hieß auch Pfarrer i. R. Karl-Ernst Platt willkommen, der die Mundart-Predigt hielt. Der in Rodheim aufgewachsene Theologe hat es in doppelter Weise in die Wiege gelegt: Seine Eltern sprachen „platt“ und sein Name gibt die Sprache bereits vor.

Mit den Worten „Iihr lejwe Leu hej en Gorwenumm, hej en Goethes Walheim“ begrüßte Platt die Besucher in Mundart. Das bedeutet „Liebe Garbenheimer, hier in Goethes Walheimat“. Und schon war der einstige Pfarrer von Hüttenberg bei seinem Thema „Jeder brauchd e Haamed“ (Jeder Mensch braucht ein Zuhause“. Platt fragte, was die Bibel zu dem Thema Heimat sagt. Dabei führte er aus, dass es in der Heiligen Schrift nicht um Heimat gehe, sondern um das Verlassen, den Aufbruch. So wurde Abraham von Gott in Ur in Chaldäa aufgefordert auzubrechen, in ein Land, das er ihm zeigen werde. Platt wies auch auf Mose hin, der den Auftrag erhielt, das Volk Israel aus den Knechtschaft in Ägypten heraus und in das gelobte Land Kanaan zu führen, „en e Land, wuu Melch en Huing fleusd“ (in ein Land, wo Milch und Honig fließen). Jeder Aufbruch habe auch Kampf mit sich gebracht. Bis heute sei das so geblieben, Juden und deren Nachbarn liegen im Streit, derzeit mit den Palästinensern.

Auch Jesus habe zum Aufbruch aufgerufen, nur anders. So sollten Menschen, die ihm nachfolgen wollten „Vater und Mutter verlassen“. Platt: „Der, der med Jesus gid, der hod en dejr Weld hej ned sei Haamed“ (Wer mit Jesus geht, hat in dieser Welt keine Heimat). Der Pfarrer erinnerte daran, wie nach 1945 viele ihre Heimat verloren haben in Schlesien, im Sudetenland und in Ostpreußen. Beeindruckend sei gewesen, wie sich die Flüchtlinge gegenseitig beim Hausbau geholfen haben. Die geflüchtete Generation habe aber mit Heimat immer die zurückgelassene Heimat gemeint. Später seien auch die vielen Russlanddeutschen gekommen und hätten hier eine neue Heimat gefunden.

Wieviel Geld und Zeit wenden Menschen auf, um sich hier einzurichten, meinte Platt. Jesus aber habe gesagt, „Gottes Haus hat viele Wohnungen“. Bei ihm sei Sicherheit, die Christen anders leben lasse. Diese Haltung helfe, denen nicht auf den Leim zu gehen, die das Land „reinrassig“ machen möchten. „Die ganz Weld ess e Dorf med innerschiedliche Mensche, dej sich gejeseirich oonemme misse (Die ganze Welt ist ein Dorf mit unterschiedlichen Menschen, die sich gegenseitig annehmen müssen), mahnte der Theologe vor rechten Tendenzen in der Gesellschaft. Wer mit Jesus verbunden sei, könne neue Wege im Denken und im Leben einschlagen, so Platt.

lr[vc_single_image image=”8061″ img_size=”full”]Pfarrer Karl-Ernst Platt beim Mundart-Gottesdienst im Museumshof in Garbenheim.