Projekt SkyChurch ist „Erprobungsraum“ der rheinischen Kirche:
„Hier am Fenster entsteht unsere feste Bühne. In die Mitte kommt ein Bereich für Greenscreen-Aufnahmen. So können wir unsere Leute beispielsweise virtuell vor den Wetzlarer Dom stellen. Und an die Wand gegenüber kommt eine Umbau-Ecke für alle möglichen Formate.“ Jugendleiter Tobias Bürgel zeigt im evangelischen Gemeindezentrum in Ehringshausen genau, wie das neue multifunktionale Studio aussehen wird, dessen Fertigstellung für die Zeit nach den Sommerferien geplant ist.
Nicht länger darauf warten, dass Jugendliche in die Kirche kommen, sondern selbst auf sie zugehen, sie in ihren Räumen abholen, ob persönlich oder digital, darum geht es dem Projekt „SkyChurch“ aus Kölschhausen. Das Team unter Leitung von Tobias Bürgel möchte den Jugendlichen vermitteln, dass sie selbst Kirche sein und gestalten und damit gemeinsam in ihren Aufgaben und ihrem Glauben wachsen können. Zielgruppe sind Jugendliche und junge Erwachsene im Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill und darüber hinaus.
Die SkyChurch Kölschhausen gehört zu den sogenannten „Erprobungsräumen“ der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) und soll damit einen Raum bieten, um Neues in Kirche zu entwickeln und auszuprobieren. Das Projekt ist eines von insgesamt acht, das im vergangenen Jahr auf dem Gebiet der rheinischen Kirche, das insgesamt vier Bundesländer umfasst, als Erprobungsraum ausgewählt wurde. SkyChurch wird damit von der Landeskirche auch finanziell gefördert. 17.000 Euro stehen für einen Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung. Weitere 17.000 Euro bringt die SkyChurch mit Hilfe von Spenden, Kollekten und Crowdfunding selbst auf. Ein großes Pfund ist dabei das ehrenamtliche Engagement eines Teams aus Kirchengemeinde und CVJM, zu dessen Stamm sechs hochmotivierte Mitarbeitende und mehrere Jugendliche gehören. Die Fördergelder können dadurch ausschließlich in die Technik investiert werden. Zudem gibt es von Seiten der Landeskirche inhaltliche Beratung und Begleitung. „Dass die Landeskirche uns finanzielle Mittel und Beratung zur Verfügung stellt, freut uns sehr“, so Tobias Bürgel aus Kölschhausen. SkyChurch hat ein eigenes Logo, eine eigene Homepage und ist in den sozialen Medien vertreten.
„Wir müssen offen dafür sein, neben den klassischen Angeboten auch Digitales auszuprobieren“, freut sich Superintendent Dr. Hartmut Sitzler über das engagierte Projekt. „Viele Menschen verbringen Zeit im digitalen Raum. Das ist für uns als Kirche eine große Chance.“
SkyChurch sei um 2010 aus einer Kooperation zwischen dem CVJM Kölschhausen und der Evangelischen Kirchengemeinde Kölschhausen entstanden, so Bürgel. Der 34-jährige Wirtschaftswissenschaftler, der gerade seine Promotion schreibt, berichtet, dass am Anfang der Jugendtreff „Lemper Skyline“ gestanden habe. Im Rahmen eines Jugendgottesdienstes etwa alle zwei bis drei Monate ging es darum, ein von den jungen Menschen selbst gewähltes Thema zu behandeln. In der Corona-Zeit entstand die Idee, das Format zu digitalisieren. Zu Beginn seien sowohl Equipment als auch Wissensstand noch völlig unzureichend gewesen, so Bürgel. Doch sei es mit der Zeit gelungen, junge Menschen zu begeistern und auch das Team personell aufzustocken. Erste Livestreams in Form eines Talkformats entstanden. Gäste aus Kirche, Kultur, Politik und von Organisationen kamen in einem ersten Studio im evangelischen Gemeindehaus in Kölschhausen zu Wort und auch die Jugendlichen selbst. Alle zwei Wochen freitags ab 20 Uhr ging es um ein Thema, das mit prominenten Gästen diskutiert und anschließend mit einem Bibeltext verbunden wurde. Gäste konnten sich an der Talkrunde analog oder digital beteiligen. Damit geht es nach den Ferien, wenn das neue Studio aufgebaut ist, wieder los.
Mit der Zeit wurde das Angebot durch Instagram und Podcasts ergänzt. Und es entstand die Überlegung, SkyChurch so zu gestalten, dass das Format nicht nur für Jugendliche, sondern auch mit den jungen Menschen gemeinsam durchgeführt und geleitet werden kann. „Wir erhöhen die Attraktivität unserer Gottesdienste für die Konfirmanden, wenn wir sie mithelfen lassen und sie die Gottesdienste filmen dürfen“, erzählt Markus Swoboda aus Breitenbach, der als Verantwortlicher zum Team gehört.
„Mittlerweile steht die SkyChurch auf drei Säulen“, erläutert Bürgel. Dazu gehört eine Medienwerkstatt als physischer Raum, in dem Jugendliche technische Anleitung und Hilfestellung für Kreativität und Ausprobieren im digitalen Raum erhalten. Die zweite Säule ist eine digitale Plattform für junge Menschen und umliegende Kirchengemeinden um eigene digitale und hybride Angebote technisch sicher präsentieren zu können. Dafür stellt die SkyChurch neben der entsprechenden Technik auch Wissen und Ideen zur Verfügung. Wer gern eine Talkshow, ein Erklärvideo, Basteln mit der Bibel oder auch etwas völlig anderes produzieren möchte, ist hier genau richtig. Die digitale Jugendkirche mit den Themen- und Bibeltalks ergänzt als dritte Säule diese beiden Angebote. Denn auch analog ist SkyChurch über die Grenzen der Kirchengemeinden hinaus unterwegs: ob bei der Andacht beim Supermarkt, beim Konzert im Wald oder ganz klassisch in den vielen Kirchengebäuden. Darüber hinaus sollen gemeinsam mit den Beteiligten fortwährend neue Ideen entwickelt werden, sodass das Projekt im stetigen Wandel begriffen ist. Beworben werden soll es unter anderem auf TikTok, einer Plattform, auf der vorwiegend Jugendliche unterwegs sind.
„SkyChurch soll kein exklusiver Club werden, sondern über diese Form von Kirche für und mit jungen Menschen die frohe Botschaft Jesu in Wort und Tat verkünden“, resümiert Tobias Bürgel.
Nach den Sommerferien startet SkyChurch auf den drei beschriebenen Säulen offiziell. Im ersten Workshop, der ganztägig an einem Samstag stattfindet, lernen Jugendliche, ein kleines Video zu produzieren. „Es wird um Bild und Schnitt gehen, um Beleuchtung und Beschallung, darum, wie man vor und hinter der Kamera steht und das Video über Social Media kommuniziert“, so Bürgel. „Eine richtige Videokamera in die Hand zu nehmen und damit umgehen zu lernen, das wird die Jugendlichen begeistern“, ist Johannes Herr aus Niederlemp, ebenfalls Team-Verantwortlicher, sich sicher.
Wer mehr über SkyChurch erfahren oder an dem Projekt teilhaben möchte, kann sich hier informieren: skychurch.de oder bei Tobias Bürgel, tobias.buergel@ekir.de
Info Erprobungsräume
Das Projekt „Erprobungsräume“ der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), im Januar 2019 initiiert, möchte angesichts gesellschaftlicher Veränderungsprozesse ergänzende Formen des Kirchen- und Gemeindeseins entwickeln. Es geht darum, zum Experimentieren zu ermutigen, innovative Impulse zu unterstützen und die Kirchenentwicklung mitzugestalten. Eine Kirche, die mit bewährten und neuen Formen in vielfältiger Gestalt gemeinsam unterwegs ist, ist die Vision der rheinischen Kirche. Ein Forschungsteam der CVJM-Hochschule (Leadpartner) und der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe (EvH Bochum) begleitet das Projekt wissenschaftlich. Der Bewilligungszeitraum reicht vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2023.
bkl
Gehören zu einem starken Team (v.l.): Johannes Herr, Tobias Bürgel und Markus Swoboda bauen gemeinsam mit drei weiteren Teamern und Jugendlichen im Evangelischen Gemeindezentrum Ehringshausen ein Studio auf, in dem Jugendliche sich ausprobieren und digital und analog Kirche mitgestalten können.