Erinnerung an den Beginn der evangelischen Kirche:

„Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen. Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen.“ Diesen altbekannten Luther-Choral haben zahlreiche Protestanten in der Region an Lahn und Dill an diesem Reformationsfest wieder gesungen.

An den Beginn der evangelischen Kirche vor 505 Jahren erinnern Protestanten in aller Welt am Reformationstag 2022. Die 95 Thesen des damaligen Augustinermönchs Martin Luther (1483-1546) gegen kirchliche Missstände haben dabei den Beginn einer christlichen Erneuerungsbewegung markiert. Zentral ist die Erkenntnis der Reformatoren, dass Menschen unabhängig von Leistung oder Können von Gott geliebt und wertgeschätzt sind, theologisch „Rechtfertigung“ genannt. Darum ging es auch in den zahlreichen Gottesdiensten in der Region an Lahn und Dill.

Das Jubiläum 500 Jahre Übersetzung des Neuen Testamentes in diesem Jahr und den reformatorischen „Bildersturm“ hatte der Wetzlarer Pfarrer Dr. Siegfried Meier zum Anlass genommen, sein selbst verfasstes Theaterstück „Auf der Wartburg“ zu präsentieren. Die Gottesdienstbesucher erlebten eine gleichermaßen theologisch anspruchsvolle wie den eigenen Glauben stärkende Aufführung, bei der auch das Augenzwinkern nicht zu kurz kam. Tobias Gisse spielt in dem kleinen Schauspiel, in der Hospitalkirche und in Dalheim aufgeführt, Georg Spalatin (1484-1545), einen promintenten Theologen, Reformator und Berater des sächsischen Kurfürsten. Auf Geheiß Friedrichs des Weisen wurde Spalatin zum „Entführer“ Luthers auf die Wartburg, nachdem dieser beim Reichstag zu Worms die Widerrufung seiner Lehre verweigert hatte und vom Kaiser die Reichsacht über ihn verhängt worden war.
Martin Luther (dargestellt von Siegfried Meier) übersetzte auf der Wartburg, wo er als „Junker Jörg“ lebte, das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche. Derweil wurden in Wittenberg die reformatorischen Ideen praktisch umgesetzt. Doch auch radikalere Kräfte kamen hier zum Zug und auf Initiative von Andreas Bodenstein („Karlstadt“) wurden in den Kirchen Bilder und Orgeln zerstört. „Der denkt wohl, er müsste eine neue Ordnung für die Kirche basteln“, sagt Meier als Luther dazu und ergänzt: „Er vergisst die Liebe zu den Menschen, und dass es Starke und Schwache gibt.“ Bilder und Orgel seien zum Glauben nicht nötig, könnten aber vielen helfen. Darum solle kein allgemein verbindliches Gebot daraus gemacht werden. Freiheit und Liebe seien vielmehr entscheidend. „Und das steht im Neuen Testament, was Ihr so fleißig verdeutscht habt“, antwortet Tobias Gisse als Spalatin. „Das nehmen wir gleich mit und geben es in Druck.“ Luther wird, von Spalatin ermutigt, nun nach Wittenberg reisen, um seine theologischen Erkenntnisse in Form der sogenannten „Invokavit-Predigten“ zu präsentieren und dort die reformatorischen Aktivitäten wieder in geordnetere Bahnen zu lenken.

In seiner Predigt zu 1. Korinther, Kapitel 8, Verse 9 und 12 regte Meier an, verstärkt die Bibel zu lesen. Und: „Wem sie zu dick ist, der fängt eben bei den Evangelien an – kurze Abschnitte, Jesus-Geschichten.“

„Mir liegt die Erneuerung der Kirche am Herzen“, erklärte Dr. Hartmut Sitzler in seiner Videobotschaft zum Reformationstag. Der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises an Lahn und Dill hatte Johannes Calvin (1509-1564) als zentrale Figur der Reformation in den Mittelpunkt gestellt. “Wer wir selber sind, erkennen wir erst im Horizont Gottes“, so Sitzler: „Das Leben ist ein großes Antworten auf Gottes Wort.“ So gehörten Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis zusammen.

Bereits seit vielen Jahren begehen Katholiken und Protestanten in Schwalbach den Reformationstag mit einem gemeinsamen Gottesdienst ökumenisch Dies aus dem Bewusstsein heraus, dass beide Konfessionen sich auf das Grundlegende des christlichen Glaubens, nämlich auf Jesus Christus besinnen. Diese Einigkeit wird als beglückend empfunden, die unterschiedlichen Akzente als bereichernd.  Auch in diesem Jahr fand die Reformationsfeier in der evangelischen Kirche statt, unter Beteiligung des Frauenchores.

Jugendliche der Kirchengemeinden Ehringshausen und Kölschhausen konnten im Gemeindezentrum Ehringshausen eine ChurchNight mit Band besuchen. Nach dem Gottesdienst gab es ein gemeinsames Treffen bei Snacks und Spielen wie Billard und Kicker, wie Tobias Bürgel, Jugendleiter der Kirchengemeinde Kölschhausen bekanntgab.

In Aßlar stand der Gottesdienst unter der Überschrift „Mit Luther zu Tisch“. Die Tischreden Martin Luthers, dargeboten von Presbyter Patrick Stübiger und Pfarrer Martin Reibis, bildeten den Mittelpunkt der Reformationsfeier, bei der sich auch die Gottesdienstbesucher aktiv beteiligen konnten. Musikalisch gestaltete ein Quartett unter Leitung von Kirchenmusikerin Ulrike Uhl den Gottesdienst. Im Anschluss hatten alle die Möglichkeit, bei Grillgut und Kürbissuppe vor dem Gemeindehaus miteinander ins Gespräch zu kommen.

Einen besonderen Gottesdienst gab es am Reformationstag auch in der Ulmer Kirche: Hier wurde Cornelia Heynen-Rust aus Biskirchen in ihr Amt als Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Ulmtal eingeführt, das sie seit dem 1. September innehat. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Kirchengemeinden Biskirchen und Ulmtal pfarramtlich miteinander verbunden.

bkl

Bild 1: Im Theaterstück „Auf der Wartburg“, das Pfarrer Siegfried Meier als Luther (r.) auch im Dalheimer Gemeindezentrum mit Tobias Gisse als Spalatin (l.) aufführte, unterhalten sich die beiden Theologen über die Bibelübersetzung und den Bildersturm.

Bild 2: Auch Instrumente wurden in Wittenberg zerstört – Spalatin übergibt Luther eine kaputte Orgelpfeife.