Sechs „Brüder“ bilden eine Lebensgemeinschaft:

Das Kloster Altenberg ist wieder auf dem Weg seine ursprüngliche Bestimmung zurückzugewinnen. Sechs Männer im Alter von 34 bis 72 Jahren haben eine Bruderschaft gestartet, die der Ehelosigkeit und der Besitzlosigkeit verpflichtet sind. Als „Geistliche Gemeinschaft Altenberg“ wollen die sechs Herren im Kloster zusammen leben. Auf ein Jahr ist die Probezeit angesetzt. Danach will man sehen.


Es war die evangelische Pfarrerin Antje Müller (Frücht bei Bad Ems), selbst Mitglied im Verein Kloster Altenberg, die vor einigen Jahren einen Brief an evangelische Kommunitäten verschickte, um das Interesse an einer neuen Bruderschaft auf dem Altenberg abzufragen. Auch in der Christusbruderschaft Selbitz in Oberfranken ging des Mail der Pfarrerin ein und er landete bei Bruder Lukas Haltiner – auf einem Stapel für Unterlagen, die er immer mal lesen wollte. Als er diesen Stapel endlich entsorgte, fiel die ausgedruckte Mail auf den Boden. Der 72-Jährige entdeckte das Blatt und vertiefte sich in die Zeilen mit dem Titel „Kommunität gesucht“. „Dieses Ereignis fiel gerade in eine Zeit, als wir einen Platz für eine Kommunität-Neugründung suchten“, erinnert sich Bruder Lukas.

Er nahm Kontakt zur Königsberger Diakonie auf, kam zu einem ersten Besuch und war gleich von dem Kloster begeistert. „Ich war nach dem ersten Besuch bereits innerlich hier“, fasst er die emotionalen Momente der Begegnungen zusammen. Seitdem ist er im Gespräch mit Eva Steinmetz, Vorstand der Königsberger Diakonie, die offen für den Gedanken einer Kommunität in dem 800 Jahre alten Kloster war und ist: „Ich habe mich gewundert, wer schickt uns diese Leute?“ Die Gespräche mit Bruder Lukas seien angenehm gewesen. Beim Gang durch das Kloster habe er den Mitarbeitern die Augen geöffnet für das Schöne an diesem Ort, das man im Alltag leicht übersieht.


Eine Woche nach dem Besuch rief Bruder Lukas an und kündigte sich für eine Woche im September zum Probewohnen an. Er wollte unter anderem heraus finden, ob es tatsächlich genug stille Zeiten für ein kommunitäres Leben gibt bei dem täglichen Ausbildungsbetrieb und den Hochzeiten, Konzerten und Besuchen in der Klosterschänke und dem Klosterladen. Und es interessierte ihn, ob nicht durch die B 49 das abgeschiedene Leben dauerhaft belastet wird. Seine Bedenken wurden in der einen Woche aber weggewischt. Zudem wollte er aber auch den geistlichen Ort mit seiner Geschichte in sich aufnehmen.

Schon seit dem 12. Jahrhundert ist der Michelsberg ein Ort geistlicher Einkehr. Im Jahr 1167 gründete der Priester Gottfried von Beselich auf dem „alten Berg“ eine dem Erzengel Michael gewidmete Kapelle. Drei Jahr später kam ein Prämonstratenserinnenkloster hinzu, in das 12 junge Frauen vom Abt Engelbert von Rommersdorf geschickt wurden. Bis 1802 lebten bis zu 100 Nonnen in den geschichtsträchtigen Mauern. Die Heilige Elisabeth von Thüringen, Tochter des ungarischen Königs, war hier gewesen und hatte ihr Tochter Gertrud (1227 bis 1297) zur Erziehung den Nonnen überlassen. 50 Jahre leitete sie das Kloster als Meisterin.


Seit der Profanisierung wird die Klosterkirche evangelisch genutzt. 1955 bis 2009 haben Mitglieder des Königsberger Diakonissen-Mutterhauses im Kloster gelebt. Die Mauern atmen also rund 680 Jahre geistliches Leben. „In diesen Mauern ist das Leben immer umbetet worden“, so die Alt-Oberin Hannelore Skorzinski.


„Hier im Kreuzgang sind Menschen auf und ab geschritten im Gebet vertieft“, begeistert sich Bruder Lukas.
Er selbst bringt eine bewegte Geschichte in der Bruderschaft mit sich. „Ich bin auf einem Bergbauernhof in Appenzell in der Schweiz aufgewachsen und bin deshalb das Arbeiten gewohnt“, schildert Bruder Lukas seine Kindheit und Jugend. Er wurde zunächst Postangestellter.
1949, also wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte Pfarrer Walter Hümmer mit seiner Frau Hanna eine evangelische Bruderschaft in Oberfranken ins Leben gerufen. Der Name Christusbruderschaft sollte ausdrücken, „wo Christus als Bruder erfahren wird, entsteht geschwisterliches Leben, werden wir einander Brüder und Schwestern.“ Dieser Gemeinschaft schloss sich der damals 31-jährige Postangestellte Lukas Haltinger im Jahr 1977 an. Wurde die Bruderschaft in den 80er Jahren noch durch Männer dominiert, so hat sich dies gewandelt. Inzwischen gehören ihr 110 Frauen an und nur noch drei Männer im Rentenalter. Bruder Lukas wurde in den letzten Jahrzehnten viel umhergeschickt, war von 1995 bis 1999 Mitglied der Christusbruderschaft des Klosters Volkenroda in Thüringen. Anschließend war er am Aufbau einer Bruderschaft auf dem Petersberg bei Halle an der Saale beteiligt, wo er einige Jahre als Prior die Gemeinschaft leitete.


Zuletzt wurde er sozusagen als „Feuerwehrmann“ in das Gethsemanekloster Riechenberg bei Goslar gerufen, wo der Prior verstarb und nur noch zwei Brüder übrig blieben. Heute habe sich die Zahl der Brüder, wie sich die Mitglieder einer Kommunität nennen, verdoppelt. In den letzten Jahren hat sich Bruder Lukas dem Aufbau von Gemeinschaften für Spätberufene verpflichtet. „Normalerweise werden in einer Kommunität junge Leute bis 30 Jahren aufgenommen“, erläutert Bruder Lukas. Das wurde bei einigen Gemeinschaften auf 40 Jahre heraufgesetzt. Aber Menschen, die schon viel Lebenserfahrung mitbringen, finden keine Aufnahme. So sammelt er jetzt im Kloster Altenberg Männer um sich im Alter von 34 bis 60 Jahren. Das bringt gewisse Anpassungsschwierigkeiten mit sich. So ist das Thema persönlicher Besitz noch nicht geklärt. Und auch das Thema Taschengeld. „Ich muss ja auch mal zum Friseur“, erläutert der 60-jährige Rüdiger Dohmann.


Untergekommen sind Mitglieder der Geistlichen Gemeinschaft Altenberg in den einstigen Pflegezimmern des Klosters im ersten Stock direkt über dem Kreuzgang. Dort wird noch gebohrt, gehämmert und eingerichtet. Zu den sechs Herren gehört aber auch eine Dame, genauer gesagt, die 14-jährige Schäferhund-Mischlingsdame Cessy. Bruder Lukas hatte sei einst auf Bitten ihres Herrchens versorgt, während der junge Mann auf Montage arbeitete. Jetzt ist sie mit ihm im Kloster eingezogen.

Die Brüder müssen sich selbst finanzieren. So bringt Lukas Haltiner seine Rente mit ein. Die anderen fünf Brüder wurden von der Königsberger Diakonie in Teilzeit angestellt. Der Jüngste, der gelernte Erzieher Jörg Böttcher, hatte eine Halbtagsanstellung als Hausmeister. Bei Konzerten oder Hochzeiten ist er gerne behilflich und schenkt auch schon mal den Sekt für die Gäste aus.


Zwei weitere Brüder sind theologisch ausgebildet und übernehmen Gottesdienste und Andachten. Hier sorgen die Brüder für regelmäßige Angebote. Sonntags gibt es einen Gottesdienst um 11 Uhr im Kloster und um 18 Uhr ein Abendgebet. Außerdem treffen sich die Brüder jeden Tag um 8, 12 und 18 Uhr zur Andacht und betonen, dass alle Veranstaltungen für Besucher offen sind, denn sie wollen die Impulse ihres geistlichen Lebens gerne anderen zugänglich machen. Jeden Morgen nehmen sie sich eine Stunde Zeit, um in der Bibel zu lesen. Montags haben sie Klausurtag, also freie Zeit.


Ulf Meineke war Vikar in der rheinischen Kirche und zuletzt selbständig im Fianzdienstleistungssektor. Er und Immanuel Buchholtz sind als Seelsorger in Teilzeit bei der Königsberger Diakonie angestellt. „Die Brüder entlasten uns in der Seelsorge und bei hausmeisterlichen Tätigkeiten“, berichtet Eva Steinmetz, und ergänzt: „Ich freue mich, dass die Brüder mit den Auszubildenden im Kloster leben und ihnen als zusätzliche Gesprächspartner zur Verfügung stehen“. Sie essen zusammen und geben mit ihrem Tagesablauf eine Konstante für die jungen Leute. Ob das nicht zu viel Unruhe um sie herum ist? Die Jugendlichen sind täglich sieben Stunden im Kloster. Danach kehrt Ruhe ein und die verbleibenden Stunden reichten aus, um das geistliche Leben untereinander zu stärken, so Bruder Lukas. Norbert Puhle, der sechste im Bunde war bislang Bürokaufmann.


Um das Kloster weiteren Gästen zugänglich zu machen, soll es künftig nach dem Sonntagsgottesdienst ein Mittagessen geben, zu dem die Besucher eingeladen sind. So wollen die Brüder Menschen in ihre Gemeinschaft einbeziehen. „Wir wollen hier nicht abgeschottet leben“, sagt Bruder Lukas. „Gerade an Weihnachten werde deutlich, Gott wird Mensch im Kind in der Krippe und ist somit bei den Menschen. Das wollen wir leben.“

lr

Bild von links: Vorstand Eva Steinmetz und Verwaltungsratsvorsitzender Jörg Ludwig mit den sechs Mitgliedern der Bruderschaft Jörg Böttcher, Lukas Haltiner, Rüdiger Dohmann, Norbert Puhle, Immanuel Buchholtz und Ulf Meineke.