Vortrag in der Petruskirche Gießen:

Eine besondere, wahrscheinlich einmalige Begegnung steht in Gießen an: mit dem 88-jährigen Ivar Buterfas kommt einer der letzten lebenden Zeitzeugen des Holocausts nach Gießen. Die CIG Gießen hat ihn im Rahmen ihres “Projekts gegen Antisemitismus und Radikalisierung“ eingeladen; u. a. spricht er in diesem Zusammenhang am 4.11. vormittags im Gießener Stadttheater zu angemeldeten Schülerinnen und Schülern und ihren Lehrkräften. Zusätzlich hat er nun einen öffentlichen Vortrag am Mittwoch, 3. November um 20 Uhr in der Evangelischen Petruskirche Gießen (Wartweg 9)  zugesagt. Diese Veranstaltung findet unter der „2G – Regel“ statt (Zutritt nur für Geimpfte und Genesene).

Die 1996 begründet Christlich-Islamische Gesellschaft Gießen hat sich immer wieder gegen Antisemitismus, Islamophobie und gruppenbezogene Menschenfreundlichkeit gewandt. Im nun 25. Jahr ihres Bestehens hat sie das „Gießener Projekt gegen Antisemitismus und Radikalisierung“ ein breites Veranstalterbündnis geschmiedet, welches das Projekt auch finanziell mitträgt. Zu ihm gehören die Clemens-Brentano-Europaschule Lollar, die Gesellschaft für Christlich Jüdische Zusammenarbeit Gießen-Wetzlar, die Jüdische Gemeinde Gießen, das Kirchliche Schulamt Gießen, der Kreis-Ausländerbeirat Gießen, die Muslimischen Gemeinden Gießen, das Religionspädagogische Institut der Evangelischen Kirche in Gießen, das Staatliche Schulamt Gießen, der Stadt-Ausländerbeirat Gießen, das Stadttheater Gießen, die Universitätsstadt Gießen und die Wirtschaftsschule am Oswaldsgarten Gießen.

Zur Biographie des Referenten:

Ivar Buterfas wurde als zweitjüngstes von insgesamt 14 Kindern 1933 in Hamburg geboren. Sein Vater war Jude, seine Mutter Christin. Der Vater kam schon früh in ein Umerziehungslager und dann in ein Straflager und konnte nur durch die Mischehe mit einer Christin sein Leben retten. 1942 wurde die Familie staatenlos und die Deportation stand bevor. Der Vater wurde in ein KZ gebracht, die restliche Familie flüchtete nach Polen. 1943 kamen sie zurück nach Hamburg. Hier versteckten sie sich und wurden von Freunden mit dem Notwendigsten versorgt. Doch der Nazi-Spuk blühte im Verborgenen weiter und so waren die kommenden Jahre von Entbehrungen und Enttäuschungen geprägt, bis Ivar Buterfas – nach 16 Jahren erst – die Wiedereinbürgerung erhielt. Ivar Buterfas heiratete sehr früh. Das von Herrn Buterfas und seiner Frau gegründete Unternehmen wird mittlerweile vom Schwiegersohn weitergeführt.

Als Bundesvorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkerhaltung und Bauwerkerneuerung übernahm er die Verantwortung für den Erhalt der St. Nikolai Kirche in Hamburg, die 1943 zerstört wurde – ein Mahnmal für den 2. Weltkrieg. Als Präsident und Gründer des Fördervereins für den Erhalt dieses Bauwerkes konnte er über 15 Millionen Euro sammeln. Neuerdings wird auf einer 100 m hohen Plattform im Turm den Menschen die Geschichte Polens und der Auslöser des 2. Weltkrieges sowie die Zerstörung Hamburgs 1943 eindrücklich vermittelt.

Seit Februar 2004 befasst sich Buterfas mit der Öffentlichmachung des KZ-Auffanglagers in Sandbostel/Niedersachsen, das bisher geheim gehalten wurde und in welchem 1,2 Millionen Menschen aus 46 Nationen unter erbärmlichen Verhältnissen gelebt haben, gequält und auch getötet wurden.

Ivar Buterfas hat für seine unermüdlichen Bemühungen u. a. 1991 das Bundesverdienstkreuz, 1995 den Weltfriedenspreis und 2003 die Europäische Menschenrechtsmedaille erhalten. Die höchste nationale Auszeichnung war zuletzt 2020 das Verdienstkreuz Erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Mit der Darstellung seines eigenen Lebensweges fordert er seine zumeist jugendlichen Zuhörerinnen und Zuhörer auf, sich selbst aktiv für Demokratie und Toleranz einzusetzen.

Bernd Apel / Foto: Michael Rauhe

Bild: Ivar Buterfas und Ehefrau Dagmar