Pastor Rainer Fischer sagt, wie „evangelisch“ geht. 

„Wie geht evangelisch“? Zu dieser Frage hat Pastor Dr. Rainer Fischer beim Auftakt des großen Reformationsfestes auf dem Altenberg am Samstag einen Vortrag gehalten. Dabei hörten die Besucher ein Referat mit tiefgründigem Humor, überraschenden Einsichten und anschaulichen Beispielen. „Nicht Leistung und Lohn bilden das Wesen des Evangeliums“, erläuterte der Krankenhaus- und Altenheimseelsorger aus Bergisch-Gladbach. Eine Ahnung davon habe er in der Begegnung mit behinderten Menschen bekommen: „Hier erlebte ich, wie Beziehung sich auf Herzlichkeit statt auf Leistung gründet, ein Sinnbild für die Beziehung zu Gott.“ Angenommen sein, ohne es sich verdienen zu müssen, das nenne die Bibel Gnade und so begegne Gott dem Menschen. Christen müssten andererseits erkennen, dass sie erlösungsbedürftig sind: „Gott nimmt uns an, wie wir sind. Aber er lässt uns nicht, wie wir waren.“ Ihm selbst habe diese Erkenntnis ein neues Lebensgefühl gegeben, sagte Fischer und drückte dieses mit der Anfangszeile eines Psalmgedichts von Hanns Dieter Hüsch aus, das gleichzeitig das Motto des Reformationsjubiläums im Rheinland ist: „Ich bin vergnügt, erlöst, befreit“.

„Was wird es in Zukunft bedeuten, evangelisch zu sein?“ fragte der Referent weiter. Gegenüber der Forderung, Kirche müsse beständig bereit zur Kurskorrektur sein, machte er klar: „Nicht jede Tradition ist ein Ballast und nicht alles Neue ein Segen.“ Manchmal sei eine Renovierung nötig, aber niemand würde sich zuhause fühlen, wo ständig umgebaut wird. Wichtig sei jedoch, sich neue Fragen zu stellen. In Ökumenischen Bibelwochen oder Gesprächskreisen könne gemeinsam nach Antworten gesucht werden. Als Orte der Gottesbegegnung bezeichnete Fischer das gepredigte Wort und die Sakramente. Dabei gehe es auch darum, den Glauben sprachfähig zu machen, damit Menschen eigene Worte für ihre Geschichte mit Gott finden. Darüber hinaus müsse eine „ecclesia semper reformanda“ („eine ständig zu reformierende Kirche“) Menschen dazu befähigen, eigene Rituale mitten im Alltag zu gestalten wie etwa ein Tischgebet oder ein christliches Lied beim Familienfest. „Evangelisch sein heißt: Aushalten, im Vorläufigen zu leben“, so Pastor Rainer Fischer.

Entsprechend der deutschen Umschreibung „sich verlassen“ für „glauben“ gelte es, vermeintliche Sicherheiten und selbst gewählte Meinungen zu verlassen, aus sich herauszugehen, zum Wesentlichen, dem Evangelium von Jesus Christus umzukehren und damit zu sich selbst zu finden: „Dann wird Freude statt Angst unser Leben prägen, dann werden wir erlöst davon, unser Selbstwertgefühl vom Leistungsdruck bestimmen zu lassen.“

In Workshops zu unterschiedlichen Themen beschäftigten sich die Teilnehmenden intensiver und ganz praktisch mit der Frage, wie „evangelisch“ geht, beispielsweise in ökumenischen Partnerschaften, in der evangelischen Diakonie, in den Gleichnissen Jesu, die als Balladen von Eckart zur Nieden nacherzählt wurden oder in den Medien. Der Tag endete mit einem Abendgebet in der Klosterkirche.
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  • Bild 1: Pastor Dr. Rainer Fischer (2.v.l.) wurde zum Auftakt des Reformationsfestes auf dem Altenberg von Mitgliedern des Vorbereitungsteams (v.l.): Björn Heymer, Eckart zur Nieden, Kirsten Vollmer, Joachim Grubert und Reinhard Vollmer begrüßt.