Die ehemalige katholische Kirche im Westend ist jetzt Heimat der koptisch-orthodoxen Gemeinde und öffnete erstmals wieder ihre Türen:

Als die schwere metallene Pforte der Sankt Elisabeth-Kirche am Freitagabend erstmals wieder geöffnet wurde, strömten fast hundert Besucherinnen und Besucher in den runden Kirchenbau. Sie liefen mit offenen Augen durch den Raum, hielten immer wieder inne, erkannten vieles wieder und staunten über die beeindruckende Ikonenwand, die den Altarraum der Kirche jetzt umgibt. Denn die ehemals katholische Kirche im Westend, die bereits für den Abriss bestimmt war, wird nun zur Heimat der koptisch-orthodoxen Gemeinde Wetzlar. Noch bevor der letzte Pinselstrich der Neugestaltung getan ist, luden die koptisch-orthodoxen Christen im Rahmen der Ökumenischen Woche in ihre Kirche zu einer ersten öffentlichen Veranstaltung ein. Dabei bekamen die Gäste eine Führung durch die frisch renovierte Kirche und Einblicke in die reiche spirituelle und liturgische Tradition der Kopten.

Die koptische Kirche gilt als eine  der ersten urchristlichen Gemeinschaften, sie entstand in Ägypten. Dort wurde sie lange verfolgt und die koptische Sprache verboten. Heute, so erläuterte der koptische Diakon und Jugendreferent Dr. Nader Attia, werde diese Sprache aber wieder unterrichtet und auch in der Gemeinde gesprochen. Er erklärte den Besuchern auch die Bildsprache der beeindruckenden Ikonostase, die von Mönchen und Nonnen in koptischen Klöstern in Ägypten nach traditionellen Vorschriften mit Mustern gemalt, gesegnet und nun hier in die Wetzlarer Kirche gebracht worden war. Er beantwortete auch viele Fragen nach dem Gemeindeleben, den liturgischen Abläufen, der Ganzkörpertaufe und dem ausschließlich mit Triangeln und Zimbeln begleiteten Gesang. Im orthodoxen Gottesdienst gibt es keine Orgel. Die Orgel der ehemals katholischen Kirche ist bereits abgebaut und soll demnächst in der Bonifatiuskirche am Sturzkopf ertönen.

Zu der  neuen koptischen Gemeinde gehörten etwa zwanzig große Familien aus dem Bereich Gießen/Wetzlar, berichtete Nader Attia, es sind Christen aus Syrien, Eritrea und Ägypten. Die Seelsorge in der Gemeinde werde von drei Mönchen aus dem Antonius-Kloster in Waldsolms-Kröffelbach übernommen. Obwohl es ihnen in Deutschland möglich wäre, ziehen die orthodoxen Kirchen keine Kirchensteuer ein, sondern finanzieren sich ausschließlich aus Spenden. Auch die aufwendige Renovierung der verlassenen Kirche wurde  in Eigenarbeit und mit eigenen Mitteln vorgenommen.

Der Studienleiter für Interreligiöses beim Bistum Limburg, Dr. Frank van der Velden, brachte den Gästen dann in einem Vortrag die tiefen Wurzeln des koptischen Christentums in Deutschland nahe: „Das Christentum in Deutschland hat eine koptische DNA“, sagte er. Denn die römischen Legionen, die hier bis zum Limes kamen und das Christentum hierherbrachten, hätten vor allem aus ägyptischen Kopten bestanden. So sei auch der heilige Mauritius, der hierzulande bis heute vereehrt würden, ein schwarzer Kopte, eine „person of colour“ gewesen. Damit werde deutlich „wieviel wir außer dem Schlüssel, den wir ihnen für diese Kirche übergeben, mit Ihnen teilen“, sagte er an die Adresse der neuen Besitzer. Auch Erzdiakon Mona Gatthas von der koptischen Gemeinde in Wiesbaden, der zu diesem Informationsabend nach Wetzlar gekommen war, bedankte sich herzlich für den Verkauf der Elisabethkirche an seine Religionsgemeinschaft und betonte die verbindende spirituelle Kraft der Christen, die darin zum Ausdruck komme.

Für viele katholische Besucher war dies auch ein bewegendes Wiedersehen mit einer Kirche, in der sie einmal lebendige Gottesdienste gefeiert, ihre Kinder getauft und unvergessene Krippenspiele erlebt hatten. „Schau mal, die Bänke sind stehen geblieben! Und auch der Altar!“ rief eine Besucherin. Die Freude, dass diese Kirche nach ihrer offiziellen Profanisierung dann doch nicht dem Erdboden gleichgemacht wurde, sondern weiter als Gotteshaus genutzt wird, war unter allen Anwesenden deutlich spürbar. Das betonte auch der katholische Bezirksdekan Peter Hofacker, der die Verhandlungen mit der koptischen Gemeinde geführt hat: „Wir alle sind froh, dass diese Kirche einer guten Nutzung zugeführt wurde“.

Zum Abschluss der Begegnungen sangen drei Mönche aus dem Kloster Kröffelbach einen koptischen Abendsegen und die Anwesenden aus drei verschiedenen christlichen Konfessionen beteten gemeinsam das Vaterunser –  auf koptisch, arabisch und deutsch.

el/Fotos: el/Krumpholz

Bild 1: Besucherinnen und Besucher besichtigen die neue koptische Kirche, ehemals katholische Kirche im Westend. (Foto el)

Bild 2: Nader Attia (v.l.), Frank van der Velden und Peter Hofacker in der neu gestalteten Elisabethkirche (Foto el)

Bild 3: Christen verschiedener Konfessionen vor der koptischen Kirche im Westend (Foto Krumpholz)

Bild 4: Die koptischen Geistlichen Vater Kyrollos und Vater Backomius aus dem Kloster Kröffelbach (Foto el)