Arbeitskreis mit bewegter Geschichte:

Die Anfänge

Begonnen hat alles 1974, in der Zeit einer verheerenden Dürrekatastrophe in der afrikanischen Sahelzone. Pfarrer Samuel Yameogo und der Präsident der Kirchenföderation des damaligen Obervolta, in diesem Jahr gemeinsam mit Dieter Marx, Afrikareferent der Aktion „Brot für die Welt“ in Wetzlar, sprachen sich für den Bau eines Wasserrückhaltebeckens in der Nähe der Stadt Pissila aus, zu deren Umfeld auch das Dorf Tikato gehört. 100.000 DM wurden zur Finanzierung des Projektes benötigt.

Informationsveranstaltungen und -aktionen in den Kirchengemeinden, sowie unter anderem Aufführungen der vom Erdaer Gospelchor unter Leitung von Wolfram Schleenbecker komponierten und von Pfarrer Marten Marquardt verfassten „Brot für die Welt-Kantate“ und der „TIKATO-Ballade“ von Wolfgang Gerster führten innerhalb weniger Wochen  zu einem mehr als doppelt so hohen Spendenaufkommen wie erwartet. Während bisher aufgrund der niedrigen Wasservorräte nur eine Hirse-Ernte im Jahr möglich war, konnten mit dem Bau des Staudamms nun bis zu fünf jährliche Ernten eingefahren werden. Dies führte wiederum zu Arbeitsmöglichkeiten für junge Leute, die zur Trockenzeit nicht an die Elfenbeinküste ausweichen mussten, sondern im Land bleiben konnten um dort mit ihrer Arbeit die Familie zu ernähren.

 

2,5 Millionen Euro Spenden für mehr als 200 Projekte

Die aus Mitgliedern verschiedener Kirchengemeinden in den Evangelischen Kirchenkreisen Braunfels und Wetzlar sowie im Dekanat Gladenbach entstandene Gruppe entwickelte sich unter der tatkräftigen Leitung von Sozialsekretär Winfried Simon zur „Projektgemeinde TIKATO“. Nach Winfried Simons Pensionierung und Wegzug bildete sich 1995 der synodale Arbeitskreis „Brot für die Welt – TIKATO“, mit dessen Leitung die damalige Öffentlichkeitsreferentin Heidi Janina Stiewink bis heute ehrenamtlich betraut wurde. Sie freut sich über den großen Erfolg ihres unermüdlichen Engagements: Rund 2,5 Millionen Euro an Spenden sind seit Beginn der TIKATO- Arbeit bis heute bereits zusammengekommen.

Inzwischen gibt es mehr als 200 Projekte der Entwicklungszusammenarbeit, jeweils abgestimmt vor allem mit dem burkinischen Entwicklungsbüro der Evangelischen Kirchen ODE und Vertretern der Dorfgemeinschaft sowie in Kontakt zur Organisation „Brot für die Welt.“ Wichtigstes Projekt bleibt jedoch der Staudamm, von dessen Funktionsfähigkeit die Folgeprojekte abhängen.

 

Das Staudammprojekt

So reiste 30 Jahre nach Inbetriebnahme der Bau-Geologe und TIKATO-Mitglied Dr. Wilhelm Wilmers 2007 nach Burkina Faso. “Seit dem ersten Besuch des Dammes in 1981 hatte ich Sorge um seinen Bestand“, erzählt er. „2007 habe ich zusammen mit den Frauen und Männern vor Ort Sicherungsweisen entwickelt, die sie selber ohne Hilfe von außen durchführen können und sie für eine regelmäßige Pflege motiviert.“ Dennoch kam es aufgrund einer Überflutung durch extreme Regenfälle 2009 zum Dammbruch. Aufgrund des hohen Spendenengagements der Christen an Lahn und Dill gelang es jedoch, den Staudamm bis 2010 vollständig zu reparieren. „Die Arbeiten in 2010 dienten der Wiederherstellung nach internationalem Standard, wobei wieder die große Beteiligung der Bevölkerung noch wichtiger war, als die Grundarbeit durch eine Baufirma”, so Wilmers.

„Hilfe zur Selbsthilfe“ lautet dementsprechend das Motto der Arbeit, nicht nur bei der finanziellen Unterstützung in der Berufsschule von Koudougou. „Bei mehreren Reisen konnten wir uns über den Erfolg von Bildungsprojekten wie Qualifizierung der Frauen in Seifenherstellung, schnelleren Verarbeitung von Hirse durch Motormühlen und im Gartenbau überzeugen“, berichtet Heidi Stiewink.“Und: Umso qualifizierter die Frauen sind, umso eher können sie ihre Kinder in die Schule schicken.“

 

Großes Engagement von TIKATO-Mitgliedern und Kirchengemeinden

Engagierte TIKATO-Mitglieder nehmen an von der Vorsitzenden organisierten Fortbildungsseminaren teil. Sie berichten in Kindergärten, Schulen und Kirchengemeinden über ihre Arbeit und tragen zur Bewusstseinsbildung bei. Viele heimische Kirchengemeinden, Frauengruppen und Einzelpersonen handarbeiten und werken für TIKATO und werben kreativ um Spenden.

Seit 1981 haben zahlreiche Begegnungsreisen von TIKATO-Mitgliedern nach Burkina Faso und der burkinischen Gäste in den Lahn-Dill-Kreis zur Festigung der persönlichen Kontakte beigetragen.

Eine neue Dürrekatastrophe führte 1984 zur Solidaritäts-Aktion „Brückenschlag Wetzlar-Ouagadougou“, die seitdem unter Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters alle zwei Jahre auf der Alten Lahnbrücke mit zunächst aneinander gelegten Münzen stattfand – seit zehn Jahren mit kleinen Brücken aus Holz.

Mit der Aktion aus Böblingen „Tausche Mangos gegen Schule“ kann durch den jährlichen Verkauf der Früchte aus dem drittärmsten Land der Erde der Erhalt von Schulen dort gesichert werden.

 

Aktuelle Situation

Die Situation in Burkina Faso, eines Landes mit einstmals vorbildlicher Friedenspolitik, ist derzeit gekennzeichnet durch wechselnde Regierungen, islamistischenTerror und zahlreiche Binnenflüchtlinge. Hinzu kommt der Klimawandel mit Abnahme der Jahresniederschläge und Unwetterkatastrophen. „Treue gerade in schwierigen Zeiten ist gefragt“, so Heidi Stiewink zur Sachlage. „Sie ist und bleibt auch unser künftiger Weg!“

 

Auszeichnungen

Für sein herausragendes Engagement hat der TIKATO-Arbeitskreis mehrere Auszeichnungen erhalten: eine Urkunde von Fatimata Legma, Gouverneurin der Region Centre Nord, eine Urkunde der burkinischen Kirchenföderation FEME und des Entwicklungsbüros ODE sowie einen Ehrenamtspreis im Jahr 2011 der Stadt Wetzlar durch Oberbürgermeister Wolfram Dette. Den Landesehrenbrief erhielt TIKATO-Vorsitzende Heidi Janina Stiewink für ihren unermüdlichen Einsatz 2019 aus den Händen von Oberbürgermeister Manfred Wagner. 2023 wurde TIKATO der Sonderpreis für Integration des Lahn-Dill-Kreises verliehen. Zudem erhielten sie, Wolfgang Gerster und Dr. Wilhelm Wilmers vom Staat Burkina Faso die höchst mögliche Auszeichnung für ausländische Engagierte: den National-Orden”chevalier de l ordre National”.

 

Festveranstaltung am 6. Juli und Festwoche

Zum Festakt der Jubiläumsfeierlichkeiten mit Brückenschlag, Baumpflanzung und gemeinsamen Essen lädt der Arbeitskreis am Samstag, 6. Juli, ab 14.45 Uhr in den „Garten der Sinne“ und die Kreuzkirche in Wetzlar ein.

Grußworte sprechen Oberbürgermeister und Schirmherr Manfred Wagner, Pfarrer Jörg Süß als Gastgeber, Superintendent Dr. Hartmut Sitzler, Landrat Wolfgang Schuster, , der Botschafter aus Burkina Faso, Professor Toro Ouoro, sowie Dr. Uta Bracken von „Brot für die Welt“. Ein Interview zur Partnerschaft und zur Situation in Burkina Faso wird Dr. Katharina Graben mit Alain Bako (Direktor des Entwicklungsbüro der Kirchen/ ODE) führen. Den geistlichen Impuls wird Ökumenepfarrerin Alexandra Hans geben. Der Wetzlarer Bläserkreis unter Leitung von Kreiskantor Dietrich Bräutigam, Trommler-Kinder, eine Flötengruppe „Quer Beat“ mit Michael Hoyer, der Spiritualchor Erda und Thomas Fricke und seine Band übernehmen die musikalische Begleitung.

Aus Burkina Faso sind Alain Bako, sein Vorgänger im Amt Etienne Bazie und Projektleiterin Hélène Bazie  eine Woche lang als versierte Ansprechpartner vor Ort und wirken in verschiedenen Veranstaltungen mit.

Gemeinsam mit Pfarrer Jörg Süß und seinem Team lädt die Kreuzkirchengemeinde alle zu einem Essen „typisch hessisch“ mit frischem Brot aus dem eigenen Backhaus ein.

Bereits am Donnerstag, 4. Juli, findet die Veranstaltung „Die gesellschaftliche Krise in Westafrika- was bedeutet das für unsere partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit?“ mit Professor Dr. Georg Kluthe statt. Dies im Gemeindesaal der Hospitalkirche (Langgasse 3) ab 18.30 Uhr. Ein Gottesdienst mit Gemeindefest wird am Sonntag, 7. Juli, im Braunfelser Gemeindezentrum (Gartenstraße 25) um 11 Uhr mit den burkinischen Partnern gefeiert.

 

Weitere Informationen gibt es bei Heidi Janina Stiewink unter Tel. Nr. 06441/7707494 sowie unter www.tikato-burkina-faso.de und in der Jubiläumsfestschrift:

Festschrift_50-Jahre-Tikato_2024-05-22

 

 

bkl / Fotos: TIKATO

 

Bild 1: Erste Begegnungsreise ins damalige „Obervolta“ 1981 (v.l. hinten): Ute Wilmers-Holm, Dr. Conny Siebenbürger, Heidi J. Stiewink, (Mitte vorne): Bernadette Kabré, Projektleiterin im Erziehungsministerium Ouagadougou und deren Mitarbeiterinnen.

Bild 2: Dr.Wilhelm Wilmers (Mitte) und Heidi Stiewink (links) 1981 bei der ersten Begegnungsreise im Gespräch mit Bauern in Burkina Faso.