Wetzlarer Gespräch mit Präses Dr. Thorsten Latzel:

„Freiheit ohne die Freiheit des anderen ist letztlich ein Widerspruch in sich.“ So die Position von Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Der oberste Repräsentant der rheinischen Kirche war auf Einladung des Sozialethischen Ausschusses im Kirchenkreis an Lahn und Dill ins Haus der Kirche und Diakonie gekommen. Freiheit sei ein Beziehungsgeschehen, sagte der Theologe bei seinem Vortrag im Rahmen der Wetzlarer Gespräche zum Thema „Freiheit und Verantwortung“.

Die Geschichte des Glaubens kennzeichnete Latzel als „große Freiheitsgeschichte“ und schlug einen Bogen von der Freiheit im Paradies, zwischen Gut und Böse entscheiden zu können, der Befreiung Israels aus der Sklaverei über die Befreiung von Sünde, Gesetz und Tod durch Christus zur Freiheit aus Glauben bei Paulus und deren Aufnahme in Luthers Rechtfertigungslehre.

Freiheit sei ein Drahtseilakt, formulierte der Theologe. Es gehe gleichzeitig um die Freiheit aus Glauben und den Dienst in der Liebe. Als Gottes Geschenk könne Freiheit gelebt werden, „indem wir Gott, unsere Mitgeschöpfe und uns selbst lieben.“

Aus diesem Freiheits-Verständnis entwickelte Latzel einen Verantwortungsbegriff, der auf die Konsequenzen für künftige Generationen und globale Zusammenhänge zielt. Verantwortung hätten neben Einzelnen auch Konzerne, Staaten und ganze Generationen, sagte der Theologe. Gott sieht der Präses als entscheidende und letzte Instanz der Verantwortung. Glaubende hätten die Aufgabe, ihre verantwortete Freiheit an je ihrem Ort und in ihrer Zeit wahrzunehmen und zu gestalten.

Doch auch von einer Verantwortungsbeschränkung sprach der Referent: „Wir retten nicht die Welt. Die Schöpfung als Ganze liegt in Gottes Hand, nicht in unserer.“

Die Kirche sieht Thorsten Latzel als Raum, in dem Freiheit und Verantwortung gelernt werden können. Dabei sei Kirche eine Gemeinschaft von hoch diversen Menschen auf dem Weg im gemeinsamen Ringen um die Wahrheit.

So hält der Theologe beispielsweise die Maßnahmen von Vertretern von „last generation“ für kontraproduktiv, „weil sie die Gesellschaft spalten, sich selbst und andere gefährden“. Aber: „Wir müssen den Dialog gerade mit diesen hochengagierten, sensiblen jungen Menschen führen.“ Ein besonderes Praxisfeld für verantwortlich gelebte Freiheit sei die Pandemie gewesen, erklärte Latzel. Die Gesellschaft habe gut auf diese für alle neue Situation reagiert. Negativ bewertet er hingegen, dass Menschen zum Teil unbegleitet von Angehörigen und Seelsorgenden sterben mussten: „Da haben wir als Gesellschaft versagt.“

„Nichts anderes ist es, was Gott von uns erwartet“, fasste der Präses zusammen: „In Freiheit zu riskieren, wir selbst zu sein – in Liebe zu dem Wesen, das er wundervoll erschaffen hat, wie in Liebe zu seiner wundervollen Schöpfung.“

Wie sehr das Thema die Teilnehmenden bewegte, zeigt die Tatsache, dass die Zeit der Diskussion länger war als der rund einstündige Vortrag. Fragen, wie sich Christen angemessen zum Schutz von Umwelt und Gesundheit verhalten sollen, angesichts des Krieges oder eines Strebens Jugendlicher zum Fundamentalismus, kamen unter anderem zur Sprache. In dem lebendigen und gleichzeitig wertschätzenden Austausch riet Thorsten Latzel, jeweils Teilverantwortungen zu übernehmen und anderen die eigenen Überzeugungen vorzuleben.

Unter den Anwesenden konnte Dr. Karin Rinn, stellvertretende Vorsitzende des Sozialethischen Ausschusses, die den Abend moderierte, Bürgermeister Dr. Andreas Viertelhausen, Superintendent Dr. Hartmut Sitzler und den katholischen Bezirksdekan Peter Hofacker begrüßen. Superintendent Sitzler sprach ein Schlussgebet, Bürgermeister Viertelhausen überbrachte die Grüße des Oberbürgermeisters und des Stadtverordnetenvorstehers und überreichte dem Präses ein Buchgeschenk.

 

Info Präses Dr. Thorsten Latzel

Dr. Thorsten Latzel ist seit 2021 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Der 1970 geborene Theologe wuchs in Bad Laasphe auf und studierte evangelische Theologie in Marburg und Heidelberg. Als Pfarrer wirkte er in Erlensee-Langendiebach (Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck). Latzel war von 2005 bis 2012 als Oberkirchenrat für das Referat „Studien- und Planungsfragen“ im EKD-Kirchenamt verantwortlich und war ab 2013 Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt. Der verheiratete Vater dreier Kinder ist auch Sportbeauftragter der EKD.

bkl

Der Vortrag von Präses Dr. Thorsten Latzel im Wortlaut ist hier zu finden:

2023 – 02 – 07 Freiheit und Verantwortung – Wetzlarer Vorträge

Bild 1: Präses Thorsten Latzel setzte beim Wetzlarer Gespräch im Haus der Kirche und Diakonie die Begriffe „Freiheit“ und „Verantwortung“ theologisch miteinander in Beziehung.

Bild 2: Begrüßten den rheinischen Präses Dr. Thorsten Latzel in ihrer Mitte (v.l.): Superintendent Dr. Hartmut Sitzler, Dr. Karin Rinn, stellvertretende Vorsitzende des Sozialethischen Ausschusses und Bürgermeister Dr. Andreas Viertelhausen.

Bild 3: Ein kleines Dankeschön des Sozialethischen Ausschusses überreichte dem Präses Karin Rinn.