Menschen begegnen, die keine Wohnung haben:

539 evangelische Jungen und Mädchen und damit 44 mehr als im vergangenen Jahr bereiten sich in diesem Jahr in der Region an Lahn und Dill auf ihre Konfirmation vor. 65 sind es allein in der Kirchengemeinde Wetzlar. Im Dom werden im Vorfeld der Konfirmation fünf Jugendliche getauft, wie Pfarrer Björn Heymer berichtet. Im Rahmen von Unterricht, Freizeiten und Seminaren möchten die Kirchengemeinden den 264 Mädchen und 275 Jungen Wege zum Glauben und zu Halt und Orientierung im Leben öffnen.

Die Kirchengemeinden Erda-Großaltenstädten und Hohensolms beispielsweise bieten mit Pfarrer Andreas Hagel, Jugendleiterin Pippa Brück und Presbyterin Gisela Rupp den Konfirmandinnen und Konfirmanden regelmäßig eine Freizeit im Vorfeld der Konfirmation an. „Obdachlosigkeit“ lautet in diesem Jahr der Leitgedanke für die Vorbereitung des Gottesdienstes, in dem sich die sechs Mädchen und sieben Jungen ihrer Gemeinde vorstellen. Das Thema haben sich die Jugendlichen bei ihrer dreitägigen Fahrt in der Jugendherberge Frankfurt selbst ausgesucht. „Es hat mich sehr berührt, dass die Beschäftigung mit der Obdachlosigkeit für die Konfirmandinnen und Konfirmanden vor dem Thema „Eintracht Frankfurt“, zu dem wir im entsprechenden Museum waren, auf den ersten Platz kam“, sagt Pippa Brück.  „Wir haben dann eine Einrichtung der Caritas besucht, die sich tagsüber um Obdachlose kümmert.“ Die Menschen können dort duschen, es gibt eine Kleiderkammer und sie erhalten eine Mahlzeit für einen geringen Geldbetrag. Darüber hinaus gibt es Freizeitangebote und im Winter die Möglichkeit, zu übernachten. „Wir wollen mit den Jugendlichen zusammen die soziale Situation unserer Gesellschaft wahrnehmen“, erklärt Pfarrer Andreas Hagel. „Obdachlose sind Abbild Gottes. Und Verbesserungen und Hilfeleistungen gelingen nur, wenn wirklich gesehen wird, was ist!“

Die Jugendlichen aus Erda, Großaltenstädten und Hohensolms erlebten mit, wie eine gerade obdachlos gewordene Familie in der Caritas-Einrichtung eintraf. Und sie hatten Gelegenheit, direkt mit den Menschen ohne festen Wohnsitz ins Gespräch zu kommen. „Ich habe wirklich nur Luxusprobleme“, so die Reaktion von Konfirmand Nick Hermann auf diese Begegnungen. „Ich stehe im Laden und überlege, welche Getränkesorte ich nehme. Aber die Obdachlosen haben gar keine Getränke.“ Und Konfirmandin Antonia Brück findet: „Für uns ist dieser Ort fremd und die Lage der Obdachlosen schwer auszuhalten.“ Aber für Menschen, die Hilfe brauchten, sei dies einfach ein toller Ort. Pippa Brück ist beeindruckt, mit welch unterschiedlichen Sichtweisen die Jungen und Mädchen auf die Einrichtung geschaut haben.

Ihren Vorstellungsgottesdienst bereiten die Konfirmanden mit Hilfe von Jugendleiterin und Gemeindepfarrer selbst vor und werden ihn auch gemeinsam gestalten. Lieder und Texte wie beispielsweise Gebete zum Thema suchen sie aus oder schreiben etwas Eigenes. Die liturgischen Teile des Gottesdienstes werden sie dann einzeln oder in der Kleingruppe vortragen. Auch eine eigene Predigtgruppe gibt es. Auslegen werden die Jugendlichen einen Bibeltext aus dem 25. Kapitel des Matthäusevangeliums. Hier sagt Jesus in Vers 40: „Was ihr für einen meiner Brüder oder eine meiner Schwestern getan habt – und wenn sie noch so unbedeutend sind – das habt ihr für mich getan.“ Der Aufruf Jesu, an Menschen zu denken, die hungrig und durstig sind, keine Kleidung haben, krank oder gefangen sind, und sich für sie einzusetzen, wird im Mittelpunkt des Gottesdienstes stehen. Man darf also gespannt sein: Am Sonntag, 21. April, ist es dann um 10.30 Uhr in der evangelischen Kirche in Erda soweit, bevor die Jugendlichen zwei Wochen später zur Konfirmation gehen.

 

Hintergrund Konfirmation

Bei der Konfirmation bekräftigen (lateinisch: „confirmare“) die Jugendlichen das stellvertretende Versprechen ihrer Eltern und Paten bei der Taufe: dass sie ihr Leben als Christen führen wollen. Im Konfirmationsgottesdienst wird ihnen ein Bibelwort und der Segen zugesprochen, die sie auf ihrem weiteren Weg begleiten. Rückenstärkung für das Leben im Alltag schenkt auch das gemeinsam gefeierte Abendmahl.

bkl

Konfirmandenarbeit im evangelischen Gemeindehaus in Erda: Die Jugendlichen bereiten gemeinsam mit Pfarrer Andreas Hagel (r.) und Jugendleiterin Pippa Brück (l.) ihren Vorstellungsgottesdienst vor und suchen die passenden Lieder aus.