Pfarrer Perko: Gott ist da, auch wenn Du im Dunkeln tappst:
Erstmals wird es einen ökumenischen Gottesdienst im Dunkelkaufhaus in Wetzlar (Karl-Kellner-Ring 48 -50) geben.
Unter dem Motto „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ gestaltet Pfarrer Michael Perko (Burgsolms) die Feier in völliger Dunkelheit. Der Gottesdienst am Samstag, 14. Oktober, um 17 Uhr findet statt im Rahmen der Reihe „95 Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten“ der Evangelischen Kirche im Rheinland zum Jubiläum „500 Jahre Reformation“. So haben im Kirchenkreis Wetzlar bereits Gottesdienste zum Reformationsjubiläum unter einer Autobahnbrücke, auf der Burg Gleiberg und im Kirchenkreis Braunfels im Kirmeszelt stattgefunden. In Erda wird es am kommenden Reformationstag einen Gottesdienst in einem Supermarkt geben.
Pfarrer Perko wurde vom blinden Leiter des Projekts, Thomas Brendel, gefragt, ob er sich einen Gottesdienst im Dunkelkaufhaus vorstellen könne. „Ich fand die Idee von Anfang an spannend, denn mit dem Glauben ist es doch mitunter ähnlich. Man sieht nicht, bekommt so wenig Beweise, und niemand hat Gott je gesehen, und doch vertrauen wir darauf, dass er wirkt“, so der Theologe. Im Dunkelkaufhaus sei es ähnlich. Man stehe im Dunkeln und müsse darauf vertrauen, dass die helfenden Händen einen führen.
Das 2008 eröffnete Dunkelkaufhaus haben bislang rund 65.000 Gäste besucht. Jetzt werden die Besucher erstmals mit der Frage nach Gott konfrontiert.
Kirche arbeitet mit Kerzenschein, mit lichtdurchfluteten Fenstern und auch mit Strahlern und Lampen. Auf all diese Gegenstände muss Pfarrer Perko im Dunkelkaufhaus verzichten. „Ich habe das erste Mal eine deutliche Hilflosigkeit empfunden. So läßt sich an diesem Ort zum Einen erfahren, dass wir angewiesen sind auf helfenden Hände, die uns führen. Es geht um Vertrauen. Um das Wissen, es ist jemand da für mich. Das ist im Dunkelkaufhaus sehr eindrücklich zu erleben. Zum anderen hat die Idee gereizt, ‚das Wort‘ wirken zu lassen, den Klang der Stimme, ohne dass die Sinne abgelenkt sind. Die Frage, was für Schuhe der Pfarrer heute trägt, stellt sich einfach nicht.“
Fast eine Stunde in absoluter Dunkelheit, das müssen auch die Gottesdienstbesucher aushalten können. Damit sie nicht stumm das Geschehen in sich aufnehmen, soll auch gesungen werden. Dazu hat Pfarrer Perko moderne, eingängige Lieder der ökumenischen Bruderschaft aus dem südfranzösischen Taize ausgewählt. Sie werden von Michael Wiezcorek (Gitarre/Keyboard) blind begleitet. Das sollte auswendig klappen. Lieder aus dem evangelischen Kirchengesangbuch hat der Seelsorger lieber nicht eingeplant. „Die Leute können heute solche Lieder kaum noch auswendig singen oder nicht mehr als die erste Strophe“.
Pfarrer Perko ist überzeugt, dass dieser ungewöhnliche Gottesdienst an ungewöhnlichem Ort ein besonderes Erlebnis werden kann: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“, zitiert er aus dem Johannesevangelium, Kapitel 20, Vers 29. Glauben bedeute in diesem Zusammenhang „Vertrauen“. Und das sei wirklich zu erleben.
Für diesen Gottesdienst hat Pfarrer Perko den Veranstaltungsort zuvor aufgesucht: „Ich selbst war zunächst skeptisch, ob ich das kann. Im Dunkeln. So bin ich mit meiner Frau bei Herrn Brendel im Dunkelkaufhaus zu Gast gewesen. Und musste selber ‚üben‘, mich an den Raum ohne Licht zu gewöhnen“.
Die vertrauensvolle Stimme von Thomas Brendel habe sehr dazu beigetragen Vertrauen in diesen Raum zu finden. „Das wünsche ich mir, dass im Gottesdienst erfahrbar wird: Gott ist bei Dir. Er ist da. Auch wenn Du im Dunkeln tappst. Auch wenn du Angst hast. Der Besucher soll erfahren: Ich bin nicht allein!“
Im Anschluss an den Gottesdienst gibt es einen Erfahrungsaustausch im Hellen.
lr
Pfarrer Michael Perko hält den ersten Gottesdienst im Dunkelkaufhaus.