Der Collmener Taufstock in Wißmar

Historisches Sakralgerät wird zum Schmuckstück im Kirchenraum:

Links neben dem Altar in der Evangelischen Kirche Wißmar steht er, der „Collmener Taufstock“. Mit diesem hat es eine besondere Bewandtnis: Das große romanische Taufbecken der Vorgängerkirche wollte nämlich nicht mehr so recht zu der 1830 im klassizistischen Stil neu erbauten Kirche passen und ist heute im Pfarrhof zu finden. Seitdem hat sich die Gemeinde mit einer kleinen Taufschale begnügt.

Doch Ernst-Günther Grünbaum, veterinärmedizinischer Hochschullehrer im Ruhestand und kirchenhistorisch sehr engagiert, ließ die Sache keine Ruhe. So brachte er sein Anliegen, ein für die Kirche passendes Taufgerät zu beschaffen, bei der Kirchengemeinde vor und fand dort auch Gehör. Daraufhin wurde im Januar 2008 eine Arbeitsgruppe mit Presbytern und ihm gegründet.
„Am Beispiel der Krofdorf-Gleiberger Kirchen war abzulesen, dass es schwierig werden könnte, einen zeitgenössischen Künstler zu finden, der bereit sein würde, einen entsprechen Taufstein neu zu gestalten. Dies wäre auch zu teuer gewesen“, erklärt Grünbaum. So fing er selbst an zu suchen und schrieb die Kunstbeauftragten aller 22 Landeskirchen deutschlandweit an. Im sächsischen Collmen, wurde er schließlich fündig. „Unter 15.281 evangelischen Kirchengemeinden in Deutschland war sie tatsächlich die einzige, die über einen nicht mehr benötigten klassizistischen Taufstock verfügte“, sagt Grünbaum. Und weiter: „Der dortige Gemeindekirchenrat hatte den hölzernen Taufstock in einer Ecke der Sakristei abgestellt. Das gute Stück stand dort 103 Jahre lang ungenutzt und war stark beschädigt und sehr restaurierungsbedürftig“.

Zwei ganze Jahre hat anschließend der Weg durch die kirchlichen Verwaltungsämter gedauert bis der Taufstock gegen eine Spende von der Wißmarer Kirchengemeinde übernommen werden konnte. Gespendet haben ausschließlich Gemeindemitglieder.
Markus Stroh übernahm die fachgerechte Restaurierung. Der Wißmarer Tischler musste den Taufstock dazu vollkommen zerlegen, zahlreiche Holzteile ersetzen und neu verleimen. Stroh fand im Innern des Taufstocks die Signatur des Künstlers: „Johann Christian Hentschel Sen. 1836“. Die Werkstatt befand sich in der Collmen benachbarten Kreisstadt Colditz, wie sich herausfinden ließ.
Am Kapitell fehlten fünf Lorbeerblätter. Diese und den Pinienzapfen des Deckels hat Martin Neidel aus Heuchelheim geschnitzt. Schließlich wurde die grauweiße Farbe inklusive zurückhaltender Vergoldung, passend zur Innengestaltung der Kirche, aufgetragen

Insgesamt 181 Jahre ist die Wißmarer Kirche nun also ohne Taufständer gewesen.
Die traditionelle Taufschale ließ sich gut in den neuen „alten“ Taufstock einpassen. „Uns war auch wichtig, dass der Taufständer beweglich, also fahrbar ist, um unseren multifunktionellen Altarraum zu erhalten“, berichtet Grünbaum.

Den Colllmener Taufstock hat die Kirchengemeinde Wißmar am 28. August 2011 im Rahmen eines Taufgottesdienstes, auch mit Vertretern des Kirchenvorstandes Collmen, feierlich in Dienst genommen. Dem kleinen Max Michel Wagner wurde die Ehre zuteil, als erster am Collmener Taufstock getauft zu werden. Im September 2012 hat der Wißmarer Kirchenchor als Dank für die Taufstockübergabe und auf Einladung des Collmener Kirchenvorstandes eine „Geistliche Abendmusik“ in der Collmener Kirche veranstaltet. Die Wißmarer Pfarrerin Alexandra Hans predigte über das „Taufstockwunder“ und sprach von der daraus entstandenen Verbindung der Menschen aus Wißmar und aus Collmen zum Lobe Gottes über 400 Kilometer hinweg.

Ein Infoständer am Eingang der Kirche informiert heute mit über 40 Bildern und zugehörigen Texten über Transport und Restaurierung des Collmener Taufstocks.

Weitere Informationen zur Evangelischen Kirche Wißmar gibt Dr. Walter Hilbrands (Langgöns): de.wikipedia.org/wiki/Evangelische_Kirche_(Wißmar)

bkl

Bild 1: Ein Schmuckstück in der Evangelischen Kirche Wißmar ist der Collmener Taufstock. (Foto: Ernst-Günther Grünbaum)

Bild 2: Die Taufschale wird von einer künstlerisch aufwendig gestalteten Haube geschützt. (Foto: Uta Barnikol-Lübeck)

Bild 3: 103 Jahre lang stand der Taufstock ungenutzt und restaurierungsbedürftig in der Sakristei der Collmener Kirche. (Foto: Ernst-Günther Grünbaum)

Bild 4: In den Innenraum der Wißmarer Kirche fügt sich der klassizistische Taufstock gut ein. (Foto: Uta Barnikol-Lübeck)

Bild 5: Die klassizistische Querkirche in Wißmar wurde im 19. Jahrhundert erbaut.

(Foto: Uta Barnikol-Lübeck)

07.Juni 2020 |