Am 8. und 9. Mai 2025 wurde dem Kriegsende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren gedacht. Vor 30 Jahren, im Jahr 1995, war eine Delegation des Kirchenkreises Wetzlar in der russischen Partnergemeinde in Tambow und erlebte dort das 50-jährige Gedenken an das Ende des „großen vaterländischen Krieges“.

Aus diesem Anlass veröffentlichen wir einen Bericht über diesen Tag in Tambow. Geschrieben von Ursula Küppers im Mai 1995.

Vom 2. bis 11. Mai hatte die Eparchie von Tambow und Micurinsk elf Personen des Evangelischen Kirchenkreises Wetzlar und der Wetzlarer Goethe-Gesellschaft nach Tambow eingeladen. Höhepunkt waren die Feierlichkeiten zum 50. Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges. Im Zeichen des 9. Mai standen Gespräche mit Veteranen und Studenten, gemeinsame Andachten an Stätten ehemaliger Kriegsgefangenenlager in den Tambower Wäldern. Zum ersten Mal seit den Tagen der Revolution traten Vertreter der Stadt und der Kirche gemeinsam an die Gräber gefallener russischer Soldaten, zum ersten Mal erklang über den Totenfeldern eine Liturgie zum Gedenken an alle Verstorbenen, zum ersten Mal entzündeten hunderte Menschen Kerzen um die Figur der „Trauernden Mutter“. Hatte die vieltausend köpfige Menge den ewig gestrigen Reden so mancher Politiker kaum zugehört, so lauschte sie den Worten des Tambower Erzbischofs Evgenij um so genauer. Im Gottesdienst am Sonntag wurde von einem der Priester in deutscher Sprache für die verstorbenen Brüder und Schwestern des Zweiten Weltkrieges gebetet. Die Wetzlarer Gäste sangen vor der Ikonenwand Osterchoräle. In seiner Ansprache überbrachte Pfarrer Ernst Udo Küppers die Grüße der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland und verlas Teile des Stuttgarter Schuldbekenntnisses. Als Zeichen des Friedens überreichte er eine Kerze mit einem Wort von Dietrich Bonhoeffer. Als ein Zeichen neuen Lebens zwischen Russland und Deutschland übergab der Tambower Erzbischof ein gläsernes Ei, in dessen Mitte ein Kreuz auf der Erdkugel zu sehen ist. Der 16jährige Maxim schrieb in diesen Tagen an seinen Freund Andreas: „Es ist bereits 50 Jahre her, dass der schreckliche Krieg ein Ende hat, und wir hoffen, dass unser, sowie euer Volk diesen Fehler nie wiederholen. Ich drücke fest deine Hand.“ *

Die Delegation des Kirchenkreises festigte den Kontakt zu den Schulen Nr. 8 und 33, zu Gruppen der Sonntagschulen und zur Orthodoxen Jugend. Mit großem Interesse hielt sie sich in einer neu eröffneten Reha-Klinik für behinderte Kinder auf, besuchte verschiedene Kirchengemeinden im Tambower Gebiet und sang mitten in den kirchlichen Baustellen Osterlieder.

Eine besondere Freude war die Begegnung mit der erst vor Kurzem entstandenen lutherischen Gemeinde der Russlanddeutschen. Mit ihr feierte die Wetzlarer Delegation unter der Leitung von Pfarrer Küppers einen Gottesdienst. Die kleine, aus 32 Personen bestehende Gemeinde ist auf geistliche Hilfe angewiesen. Bereits am Moskauer Flughafen hatte der auch für das Tambower Gebiet zuständige Probst der EKD die Wetzlarer gebeten, die Brüder und Schwestern in Tambow in ihrem Glauben zu stärken.

Für Anfang Juni hat der Wetzlarer Kirchenkreis eine 15köpfige Delegation aus Tambow eingeladen.

 

FOTOS: Ursula Küppers

FOTO 1: Festgottesdienst vor der Bischofskathedrale

FOTO 2: Maxim und Andreas. Heute ist Maxim Priester im Tambower Gebiet. Andreas ist Musiker und wohnt im Taunus.