Bonhoeffers Stimme trägt – ein Gottesdienst voller Tiefe und Musik
Der traditionelle Buß- und Bettagsgottesdienst unseres Kirchenkreises und der Arbeitsloseninitiative Lahn-Dill (WALI) e. V. stand in diesem Jahr ganz im Zeichen Dietrich Bonhoeffers. Sein Vermächtnis, sein Ringen um Glauben und seine leise, zugleich kraftvolle Hoffnung bildeten den Mittelpunkt des Gottesdienstes in der Christuskirche Niedergirmes.
„Von guten Mächten“ – Musik, die trägt
Ein besonderer Moment: Oliver Fietz, Sohn des Komponisten Siegfried Fietz, der Bonhoeffers berühmtes Gedicht „Von guten Mächten“ vertont hat, gestaltete den Gottesdienst mit. Bonhoeffer schrieb diesen Text 1944 im Gefängnis – wenige Monate vor seiner Hinrichtung. Entstanden ist ein Gedicht voller Vertrauen in Gottes Nähe mitten in Angst und Dunkelheit.
Diesen Geist nahm Oliver Fietz musikalisch beeindruckend auf. Mit Liedern und Vertonungen aus Bonhoeffers Haftzeit schuf er einen Rahmen, der viele berührte: intensiv, ehrlich, nah. Kleine persönliche Erzählungen machten die Musik noch eindringlicher.
Wortverkündigung: Mut ohne Falsch
Superintendent Dr. Hartmut Sitzler predigte über Matthäus 10: „Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.“ Er zeigte, wie aktuell Bonhoeffers Weg bleibt.
Sitzler erinnerte daran, wie Bonhoeffer nach dem Ersten Weltkrieg eine tief erschütterte Gesellschaft wahrnahm. Millionen von Kriegsversehrten, ein Land voller Brüche und mitten darin ein junger Theologe, der fragte: Was braucht unser Volk jetzt? Bonhoeffers Suche nach Versöhnung verband Sitzler mit einem Verweis auf den schwedischen Theologen und Friedensnobelpreisträger von 1930, Nathan Söderblom.
Auch heute seien viele Menschen innerlich verunsichert, sagte Sitzler. „Sie brauchen Menschen, die verlässlich sind, ohne Falsch. Menschen, auf deren Wort man sich verlassen kann.“ Bonhoeffers Haltung – klug, wach, zugleich schlicht und wahrhaftig – sei ihm persönlich tief beeindruckend.
Der Superintendent schloss mit einem Gedanken, der weit trug: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. Lasst uns miteinander sprechen und zuhören. Und falls es uns wieder viel kosten sollte, gebe uns Gott die Kraft, standhaft zu bleiben.“
Fürbitten und Gestaltung
Die Fürbitten übernahmen Mitglieder der WALI e.V. Den liturgischen Rahmen gestalteten Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht und Gunther Schneider vom Sozialethischen Ausschuss des Kirchenkreises.
Theater und Texte zum Abschluss
Im Anschluss an den Gottesdienst zeigte die WALI Charles Dickens’ „Eine Weihnachtsgeschichte“. Die Erzählung über die drei Geister und die Wandlung des geizigen Ebenezer Scrooge wurde im Nachbarschaftszentrum zu einem starken Bild für die Möglichkeit echter Veränderung.
Zum Ausklang rezitierten Mitglieder der WALI Gedichte von Bertolt Brecht, darunter die eindringlichen Zeilen über das Zusammentreffen eines armen und eines reichen Mannes: „Reicher Mann und armer Mann standen da und sah‘n sich an. Da sagt der Arme bleich: Wär‘ ich nicht arm, wärst du nicht reich.“
Diese Worte standen unüberhörbar im Raum. Viele dachten in diesem Moment an die aktuellen Nachrichten aus Wetzlar: an die Schließungen von Buderus und Continental, an Menschen, die vor ungewissen beruflichen Wegen stehen, an Familien, denen Einschnitte und Sorgen bevorstehen. Brechts Satz bekam dadurch eine bedrückende Aktualität und zugleich die Einladung, als Gemeinschaft füreinander einzustehen.
JCK
FOTOS: Jan-Christopher Krämer
FOTO 1: Gestalteten gemeinsam den Gottesdienst zum Buß- und Bettag in Niedergirmes: (v. l.) Gunther Schneider (Sozialethischer Ausschuss), Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht, Karin Rinn (Sozialethischer Ausschuss), Klaus Berthold und Pamela Huisgen (beide WALI e. V.) Superintendent Harmut Sitzler, Musiker Oliver Fietz sowie Ramin Hantl (ebenfalls von WALI e. V.).
FOTO 2: Oliver Fietz schuf mit Liedern und Vertonungen aus Bonhoeffers Haftzeit einen Rahmen, der viele berührte.
FOTO 3: Superintendent Hartmut Sitzler zeigt in seiner Predigt auf ,wie aktuell Bonhoeffers Weg bleibt.
FOTO 4, 5: Im Anschluss an den Gottesdienst zeigte die WALI im Nachbarschaftszentrum Charles Dickens’ „Eine Weihnachtsgeschichte“ und rezitierte Gedichte von Berthold Brecht, die sich im Hinblick auf die Situation der Wetzlarer Industrie leider als erstaunlich aktuell erwiesen.