Verständnis für die andere Kultur schafft Frieden

„Vorurteile und Klischees versperren die Wahrnehmung und den Blick auf Veränderungen“, betonte Bernadette Kabre aus Burkina Faso. Sie kommt bereits seit den 80er Jahren immer wieder zu TIKATO und damit in die Kirchenkreise Braunfels und Wetzlar. Sie kann damit auch hier Veränderungen feststellen. „Ich habe hier immer Neues und Positives gelernt und nehme es mit nach Westafrika“; auf eingefleischte Vorurteile aber sei sie sowohl hier als auch in Afrika immer wieder gestoßen, sie empfände es  aber als Aufgabe, diese zu helfen abzubauen, denn „Verständnis für die andere Kultur schafft international und auch im Kleinen Frieden“, so die Pädagogin.

14 Tage war sie jetzt in Wetzlar und in Gruppen und zu privaten Einladungen in beiden Kirchenkreisen. Die Wetzlarer Tafel, das Gespräch mit Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht, ein Besuch mit einem Grußwort bei der Asslarer Frauenhilfe und zahlreiche Einladungen gehörten zu ihrem Programm. Sie war auf besonders viel Sympathie für ihre eigene Person und auf offene Ohren in ihren Berichten über das viertärmste Land der Welt und die dortigen starken politischen und ökonomischen Veränderungen gestoßen. Gerade im Kontakt zu Pfarrerin Hildegard Twittenhoff im Nauborner Gottesdienst und im von mehr als 50 Frauen und Männern besuchten Laufdorfer Kirchencafé hatte sich die Pädagogin sehr über die ihr entgegengebrachte Offenheit und Neugierde gefreut.

Samen gelegt für Partnerschaften unter Kindergruppen

Hier lud die für den Kindergottesdienst  auf kreiskirchlicher Ebene zusätzlich beauftragte Theologin zudem zu einer Partnerschaft zum Austausch der Kulturen mit dem Kindergottesdienst in Ouagadougou ein. Bernadette Kabre und TIKATOvorsitzende Heidi J. Stiewink haben sich zwischenzeitlich mit dem dafür in seiner Kirche zuständigen Pastor Etienne Bazie in Verbindung gesetzt: er ist hoch erfreut über die Initiative.

Kabre, Pionierin der Bildungs- und Erziehungsarbeit der frühen Kindheit in Burkina Faso und anderen Sahelländern, verantwortet in der Hauptstadt zwei eigene Kinderkrippen (0 bis drei Jahre) und einen fortführenden Vorschulkindergarten (drei bis sechs Jahre). Staatliche Einrichtungen solcher Art gäbe es nicht in Burkina, hätte der Staat doch noch nicht einmal genug Geld für Schulen, bedauerte sie. Die Einschulungsquote läge jetzt erst trotz aller Anstrengungen bei etwa 62 Prozent. Also könnten nur verdienende Eltern ihre Kinder in die Krippen schicken, so sehr sie das auch bedaure, so Kabre. Sie habe gerade jetzt aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage die Monatsbeiträge beim zweiten und dritten Kind reduzieren müssen. “Damit verhindere ich, dass die Kinder in weniger qualifizierte Häuser gehen müssen, mir aber fehlt das Geld dann für weitere Investitionen“. Kabre bildet an der kirchlichen Universität die burkinischen Fachkräfte aus.  Einrichtungen solcher Art gehören auch nicht zum Beispiel in die Projektliste von Brot für die Welt und damit auch nicht in die der schon im Namen verbundenen TIKATOarbeit. Sponsoren oder Fördervereine gäbe es nicht in Burkina.

Davon aber hörte Kabre von Leiterin Ingrid Müller in der Kindertagesstätte Johanneshof. Hier war die afrikanische Kollegin beeindruckt von den Strukturen, der Zusammenarbeit zwischen Kirche und Stadt, aber auch sehr von der Kreativität von Fachkräften und den Kindern selber. Kabre selber hat eine besonders künstlerische Ader und so inspizierte sie die Räume und die entsprechenden Objekte mit großem Interesse. Am Ende eines intensiven Gesprächs und anderthalb Stunden Besuch des Hauses machte Kabre den Vorschlag, durch Fotoaustausch mit kurzen Kommentaren gegenseitig mehr von der Welt  der Kleinen auf dem anderen Kontinent kennen zu lernen. „Da können wir unseren Kindern endlich intensiver vom Alltag, seinen Freuden und Beschwernissen in Afrika erzählen, anstatt nur von „Fairer Welt“ und Weltläden zu berichten – und vom hiesigen Kinder-Leben erzählen“, freute sich Ingrid Müller sehr.

 Gespräch mit den Superintendenten über Religion, Politik und Gesellschaft

Inwieweit drei der  evangelischen Kindergärten sich eventuell von gegenseitigen Impulsen auf pädagogischer Ebene austauschen können, überlegt auch Superintendent und Wetzlarer Pfarrer Jörg Süß. Er traf sich mit Bernadette Kabre, dem Braunfelser stellvertretenden Superintendenten Dr. Hartmut Sitzler (Schöffengrund), der Ökumenepfarrerin Alexandra Hans (Wißmar) sowie mit den TIKATO-Mitarbeiterinnen Bettina Krämer und Heidi J. Stiewink.

Hier stellte man Übereinstimmungen in gesellschaftlicher Entwicklung auch durch die Globalisierung fest. Neben mancher positiven Entwicklung im Bildungsbereich in Deutschland und auch in Afrika – hier auch in medizinischer Sicht- bedauerten beide Seiten eine Entsolidarisierung.

„Dadurch, dass es auf dem Land wegen Wassermangel nicht mehr genügend Arbeit gibt,  zieht es die jungen Leute in die Städte – auch wenn es da nicht besser geht. Die Alten aber bleiben oft zurück.“, so Kabre.  In Deutschland verursache die im Beruf erforderliche Mobilität Ähnliches, berichteten die Wetzlarer. Die Frage nach der Jugend in der Kirche, dem Stellenwert der Kirchen auf beiden Kontinenten und die Zusammenarbeit zwischen den Religionen wurden besprochen. “Wir sind froh, dass in Burkina Muslime, Katholiken, Protestanten und Animisten nach wie vor gemeinsam nach Lösungen suchen und mit dem Präsidenten unterstützend zusammenarbeiten“, so Kabre. Islamisten aber verursachten große Furcht im Lande, vor allem im Norden, wo wegen tödlicher Überfälle auf Schulen diese bereits geschlossen werden müssten.

Sorgen macht ihr auch die Wirtschaft; bereits zahlreiche Unternehmen haben sich ins benachbarte Ausland zur Investition abgesetzt. Die Preise seien deutlich gestiegen, das triebe Gewerkschaften aller Bereiche auf die Straße….Unruhe im Land….

Frauen- und Menschenrechte liegen Kabre am Herzen. “Inzwischen sind von 22 Ministern sieben Frauen; 20 Prozent der Abgeordneten sind weiblich; sie ergreifen Berufe wie Pilotinnen, Polizistinnen, Soldatinnen, Unternehmerinnen. In der allgemeinen Entwicklung stehen die Wahrung der eigenen Identität, die Menschenwürde und der Kampf gegen Gewalt an erster Stelle.

Doch die Hoffnung auf positive Entwicklung bliebe, sagt sie und das burkinische Volk sei ein mutiges. Sie dankt sehr für die vielen gelungenen Projekte, für die Unterstützung hierzu der Gemeinden und der Einzelspender.  Man möge doch an die Partner weiter denken – und auch beten, bittet sie.

sti

 

 

 

[vc_gallery interval=”5″ images=”3475,3476,3478″ img_size=”full”]Bild 1: Intensive Gespräche über Kinder und Jugend in der Kirche, Bildung und Politik in Burkina und in der heimischen Region im Blick auf eine sich global verändernde Gesellschaft führten der Wetzlarer Superintendent Jörg Süß und seine Vertreterin Pfarrerin Alexandra Hans (Wißmar), stellvertretender Braunfelser Superintendent Dr. Hartmut Sitzler (Schöffengrund)und Bernadette Kabre.

Bild 2: Katharina Graben informierte sich eingehend über die aktuelle Lage in Burkina.

Bild 3: Zum sommerlichen Kirchcafe in Laufdorf waren Bernadette Kabre und dieMitglieder der TIKATO-gruppe eingeladen. Nach kulinarischem Genuss informierte die Pädagogin mit Schwerpunkt Kinder,Bildung und Frauenarbeit über diese Lebensbereiche in Burkina Faso.