Frauenrolle in Burkina Faso ist von Arbeit und Gewalt geprägt:

Mit dem Österreicher Günther Lanier hat der Arbeitskreis Tikato – Brot für die Welt einen ausgewiesenen Kenner der Situation in Burkina Faso nach Wetzlar eingeladen. Im Gemeindehaus der Hospitalkirche konnte Heidi Janina Stiewink Mitglieder des Arbeitskreises und interessierte Bürger willkommen heißen.
Lanier haben Stiewink und Dr. Wilhelm Wilmers im vergangenen Jahr bei einer Reise in das westafrikanische Land kennengelernt. Der 20 Mitglieder starke Arbeitskreis der Kirchenkreise Braunfels und Wetzlar unterstützt seit über 40 Jahren Projekte in Burkina Faso.
Lanier war gekommen, um sein Buch „Burkina Faso – das Land der Integren“ vorzustellen. Die angekündigte Lesung war eher ein frei formulierter Vortrag, denn Lanier ging der Mund über von den Erfahrungen, die er in den letzten 15 Jahren gesammelt hat.

Der 1958 in Wien geborene Lanier hat Ökonomie und Ethnologie studiert. Nach sieben Banker-Jahren folgten Anstellungen, Publikationen und Unterrichtstätigkeiten in Österreich, Indien und Burkina Faso. Seit 2002 ist sein Lebensmittelpunkt in Ouagadougou. Lanier betreut seitdem Projekte der UNICEF in dem 19 Millionen Einwohner zählenden Staat. Zu Anfang machte er deutlich, dass er eine große Liebe zu dem Land entwickelt hat, denn er möchte seinen Lebensabend nicht in Österreich sondern in Afrika verbringen.
In seinem Buch widmet sich der erste Teil den Frauen des Landes. Während die Männer oft herumsitzen, müssten die Frauen den Hauptteil der Arbeit leisten, dazu die Kinder erziehen und den Haushalt erledigen. 80 Prozent des Bruttosozialpruduktes würde durch die Frauen erwirtschaftet. Dabei haben sie nicht allzuviel Rechte, so der Referent. Die Zuhörer lernten, dass ein Mädchen seine Rolle in der Gesellschaft einnimmt, wenn es verheiratet wird und viele Kinder gebärt. Eine Unverheiratete oder gar Unfruchtbare sei in der burkinischen Gesellschaft nicht angesehen. Verlässt eine Frau ihre Familie, um einen Mann zu heiraten, so ist sie künftig den Schwiegereltern verpflichtet. Auch wenn sie die Kinder erzieht, bei einer Scheidung gehören diese dem Mann.
Stirbt der Ehemann, so muss sie in dessen Familie mit einem jüngeren Verwandten verheiratet werden. Sie kann nicht mit den Kindern zurück in ihre Herkunftsfamilie gehen. Das Haus und alles Eigentum gehört nicht ihr sondern der Familie ihres Mannes. Die Ungleichwertigkeit der Geschlechter werde bereits in der Kindheit gelegt. Der Referent ging auch auf die Kinderbeschneidung ein. Die Mädchen würden im Alter von vier oder fünf Jahren beschnitten. Bisherige Aufklärungsprogramme hätten kaum Erfolge gebracht. Auch sei das Ritual gesetzlich verboten und werde mit Gefängnis bestraft. Das halte aber vor allem die Dorfgemeinschaften nicht davon ab, die Mädchen diesem Brauch zu unterziehen. Es werde erzählt, dass eine Frau, die nicht beschnitten ist, kranke Kinder zur Welt bringe. Eine Lösung des Problems sieht Lanier darin, dass das Thema in den örtlichen Gemeinschaft besprochen werden müsse und dort Beschlüsse fallen.

Der Autor schilderte auch den Teil des Buches, in dem er auf die Geschichte des Landes eingeht. „Burkina Faso“ bedeute Land der Integeren, der Aufrechten. So schildert er die verschiedenen Stämme, die in dem Land zusammen gefasst sind und von alters her sehr unterschiedliche Formen des Zusammenlebens hatten. Mit der Machtübernahme durch die Franzosen habe sich das Leben sehr stark verändert. Der regionale Markt sei plötzlich in die Weltwirtschaft eingebunden worden. 1960 endete die Kolonialzeit. Weitere Einschnitte waren die Revolution unter dem Sozialisten Thomas Sankara im Jahr 1983 und der Volksaufstand 2014.

Die Besucher verfolgten die Ausführungen Laniers mit Aufmerksamkeit und stellten viele Fragen, um das Land und seine Menschen besser zu verstehen.
Das nächste Projekt der Tikato-Gruppe findet vom 5. bis 8. Mai statt. Dann findet die Aktion „Tausche Mangos gegen Schule“ statt. 8000 frisch geerntete Früchte kommen per Flugzeug und werden am Domplatz, in Braunfels neben dem Biomarkt am Kurpark und in Dalheim verkauft. Der Gesamterlös geht traditionell an christliche Schulen in Burkina Faso.

lr[vc_gallery interval=”5″ images=”5067,5068″ img_size=”full”]Bild 1: Der Buchautor Günther Lanier bei seiner Lesung im Hospitalgemeindehaus.
Bild 2 von links: Heidi Stiewink, Günther Lanier und Dr. Wilhelm Willmers.