Das Wetter stimmte und die Stimmung auch. Rund 450 Besucher haben an der diesjährigen „Langen Tafel“ in der Wetzlarer Bahnhofstraße gespeist. 2014 war die Aktion im Rahmen der Tafel Wetzlar ins Leben gerufen worden. Dazu eingeladen hatten die Evangelische Kirchengemeinde Niedergirmes und die Freie evangelische Gemeinde (FeG) Wetzlar. Die Kirchengemeinde ist Träger der Tafel Wetzlar, die in der Bahnhofstraße ihren Sitz hat. Weitere Kooperationspartner waren die Flüchtlingshilfe Mittelhessen und erstmals die Stadtbibliothek Wetzlar.
Hartmut Moos, Inhaber der Bäckerei Moos, hatte sich als Hauptsponsor nicht nur mit der Lieferung von Lebensmitteln großzügig gezeigt. Der Unternehmer stand auch an der großen Pfanne und bereitete beim Livecooking Geschnetzeltes vor.
Oberbürgermeister Manfred Wagner, der von Beginn an die Lange Tafel als Schirmherr begleitet, sprach den Organisatoren seinen Dank aus für die Aktion sowie das Engagement für die Menschen, die auf das Engagement der Gemeinden angewiesen sind. Er unterstütze gerne Gelegenheiten, bei denen Menschen zusammen kommen können. Die Stadt lebe von Begegnungen, die die Vielfalt ausmachen. Zugleich sei die Lange Tafel eine Gelegenheit, um Vorurteile abzubauen.
Mitten auf der Bahnhofstraße begegneten sich Menschen mit und ohne Beruf, mit und ohne Migrationshintergrund, Christen und Muslime oder Menschen anderer Religionen, Landeskirchler und Freikirchlicher. Wagner überreichte im Rahmen des Straßenfestes einen Scheck der Stadt an Diakon Christof Mayer von der Kirchengemeinde Niedergirmes.
Mitinitiator ist die Freie evangelische Gemeinde (FeG), die jeweils am Monatsende ein Mittagessen zum Preis von 50 Cent im Tafelladen in der Bahnhofstraße ausgibt und in der Monatsmitte Kaffee und Kuchen bietet. Ihr Pastor Matthias Fallert, unterstützt von rund 40 Helfern, sagte, man könne nicht die Liebe zu Gott und die Nächstenliebe trennen. Die Lange Tafel solle dafür ein Zeichen sein.
Zum Start der Aktion hielt Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht (Niedergirmes/Garbenheim) eine Predigt auf der Straße. Auch Jesus habe oft im Freien gepredigt, so die Pfarrerin. Sie stellte die Frage: „Was ist eigentlich das Wichtigste im Glauben – das höchste Gebot?“ Und gab selbst die Antwort mit einem Bibelzitat: „’Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft’. Das andre ist dies: ‘Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst’. Es ist kein anderes Gebot größer als diese.“
Das Thema Nächstenliebe gebe es nicht nur im Christentum. Auch Muslime und Buddhisten hätten dies in ihren Schriften. Es gehe um den Menschen. Etliche seien enttäuscht, dass sie in der Kirche nicht wahrgenommen, nicht besucht werden und man ihnen nicht zuhöre.
So lange es Menschen gibt, so lange werde Kirche nicht arbeitslos sein. Sie sehe den Menschen, der in Not ist. Deshalb gebe es die Tafel Wetzlar, ihre Läden und auch die Lange Tafel. Die Pfarrerin stellte die schon vor 2000 Jahren in der Bibel fest gehaltene Frage: „Wer ist eigentlich mein Nächster?“ Es komme nicht darauf an, wer mein Nächster ist sondern es gehe um die Frage „Wem kann ich zum Nächsten werden?“ Egal, welchen Stand er hat, welcher Nation er angehört oder auch welcher Religion. Viele würden den ersten Teil des Bibelzitates übersehen. Darin geht es darum, Gott zu lieben. „Wer Gott liebt, wird auch seinen Nächsten lieben“, fasste die Pfarrerin zusammen. Dabei geisselte sie die Selbstverliebten und nannte die USA, die mit „America first“ die Welt in Unruhe versetzt oder die, die Europa zu einer Festung machen wollten. Hierbei nahm sie Bezug auf die Flüchtlingspolitik. Es sei Aufgabe der Christen, sich nicht höher als den anderen zu sehen und ihm friedlich zu begegnen.
Beim anschließenden Mittagessen boten Geflüchtete aus Eritrea, Syrien und Afghanistan Spezialitäten aus ihrer Heimat an.
Live-Musik, Bücherflohmarkt, Basteln für Kinder, Riesenseifenblasen, eine Mach-mit-Aktion mit Verlosung sowie Kaffee und Kuchen rundeten das Programm der Langen Tafel ab.
lr
Bild 1: Bäcker Hartmut Moos an der Essensausgabe bei der „Langen Tafel“Bild 2: 450 speisen an der “Langen Tafel”.
Bild 3: Oberbürgermeister Manfred Wagner überreicht einen Scheck an Diakon Christof Mayer von der Kirchengemeinde Niedergirmes.