Mittagessen für einen Euro. Das haben sich 400 Besucher nicht entgehen lassen. Die evangelische Kirchengemeinde Niedergirmes und die Freie evangelische Gemeinde (FeG) Wetzlar haben am Samstag wieder zur „langen Tafel“ in die Bahnhofstraße eingeladen.

40 Meter lang standen Tische an der Straße, die vom Citybus, manchen Autofahrern, Radlern und vielen Fußgängern bevölkert war. Hier servierten rund 50 Helfer ein von Hartmut Moos, Inhaber der Bäckerei Moos, gespendete Mahlzeit. Zudem hatten Frauen türkische, kurdische und afghanische Speisen aufgetischt. Gegessen wurde ökologisch auf nachwachsenden Rohstoffen. Die Teller bestanden aus Palmblättern, das Besteck aus Holz.

Oberbürgermeister Manfred Wagner (SPD), der die Schirmherrschaft übernommen hatte, freute sich über die Aktion, die Jahr für Jahr mehr Teilnehmer findet. Die lange Tafel vor dem Tafelladen gehört zu den Angeboten für Menschen mit wenig Geld.

Eröffnet wurde die lange Tafel durch einen Gottesdienst in der Fußgängerzone, in dem Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht predigte. Ihrer Ansprache legte sie einen Abschnitt aus dem 2. Brief des Paulus an die Korinther zugrunde, in dem es in der Lutherbibel heißt „Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne“. Die Pfarrerin nahm zunächst die gerade laufende Fußballeuropameisterschaft auf. Die Fans fühlten sich in dieser Zeit in einer starken Gemeinschaft. Mit jedem Sieg der Nationalelf werde ein Gefühl der Stärke größer. Dem gegenüber rühme sich Paulus nicht seiner Stärken, sondern seiner Schwächen. Der Mensch strebe nach Stärke, wolle berühmt, hofiert und gerühmt werden. „Schneller, stärker, schöner, reicher“, seien Ziele und der Mensch schiele auf Prominente.
Doch jeder sei nicht immer stark oder immer schwach. Menschen sagten, sie bräuchten Gott nicht und suchten sich andere Ziele wie das Geld. Wer seine Schwäche erkennt und annimmt, könne Gottes Gnade erfahren.

Pfarrerin Wehrenbrecht sprach den Besuchern zu, dass Gott gerade den Schwachen beistehe. Zwei Frauen, Thea und Rosi, berichteten, wie sie Gottes Stärke erfahren in ihrer Schwachheit, etwa in Depression.

Pastor Matthias Fallert sagte zu Anfang: „Wer glaubt, ist nicht schöner, erfolgreicher und lebt länger. Aber er gewinnt eine weitere Beziehung dazu, die mit Gott, die auch hält, wenn andere Beziehungen kaputt gehen“.

Die Kollekte des Gottesdienstes war für die Tafel Wetzlar bestimmt, die kürzlich einen neuen Kühlwagen angeschafft hat.

Musikalisch wurde der Gottesdient von dem Musikteam der FeG mitgestaltet. Auch die Volkshochschule Wetzlar beteiligte sich mit einem Tanzworkshop und einer Upcycling-Aktion. Die Stadtbibliothek veranstaltete ein Bilderbuchkino. Vor dem Eingang zur Bibliothek gab es Bastelangebote für Kinder.

Nach Angaben von Tafel-Leiter und Diakon Christof Mayer von der Kirchengemeinde Niedergirmes unterstützt die Tafel pro Jahr rund 3600 Menschen in Wetzlar und im Lahn-Dill-Kreis über die Tafelläden in Wetzlar sowie in den Ausgabestellen Aßlar und Braunfels. Die Freie evangelische Gemeinde lebt seit 2011 eine Zusammenarbeit mit der Tafel. Damals startete sie die Aktion „Iss mit“. Jeden letzten Samstag, wenn das Geld knapp ist, geben die Mitarbeiter ein Mittagessen an die Tafel-Besucher aus. Jeden zweiten Samstag im Monat sind die Gäste eingeladen zu einem Kaffeetrinken.

red

Bild 1: 400 Menschen waren zu Gast bei der “Langen Tafel” in der Wetzlarer Bahnhofstraße.

Bild 2: Pfarrerin Ellen Wehrenbrecht predigte über den Bibeltext aus dem 2. Korintherbrief, Kapitel 12, Vers 9.

Bild 3: Etwa 50 Helfende servierten eine von Hartmut Moos, Inhaber der Bäckerei Moos, gespendete Mahlzeit.