Seit 25 Jahren finden Menschen mit psychischer Beeinträchtigung Arbeitsplätze bei der Stephanuswerkstatt der Diakonie Lahn Dill. Dieses Jubiläum wird am Donnerstag, 26. September, ab 10 Uhr im Festzelt an der Stephanus Werkstatt (Am Schmittenberg 12) gefeiert. Es gibt neben Festreden Führungen durch die Arbeitsbereiche und Musik vom Duo Remember.
1998 begannen die Planungen für die Werkstatt. Der Landeswohlfahrtsverband, der einen hessenweiten Versorgungsauftrag hat, suchte einen Partner vor Ort und fand das Stephanuswerk, das heute Teil der Diakonie Lahn Dill ist. Gestartet wurde mit sieben Mitarbeitern am 27. September 1999 und 20 Menschen, die eine Beschäftigung brauchten.
„Anlass war damals die Psychiatriereform, die den Weg geebnet hat, eine Tagesstruktur für psychisch Kranke zu schaffen“, erläutert Werkstattleiter Benjamin Roth (50). „Wir sind ein wichtiger Bestandteil der psychosozialen Versorgung im Lahn-Dill-Kreis“.
Heute hat die Stephanuswerkstatt zwei Häuser in Wetzlar und eines in Weilburg und ermöglicht psychisch erkrankten Menschen berufliche Rehabilitation im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben. Alles begann in dem ehemaligen Kasernengebäude Westendstraße 13, das vom Bundesvermögensamt gekauft wurde. Im Jahr 2010 folgte die Erweiterung auf eine ehemalige Panzerwartungshalle auf 60 Arbeitsplätze und drei Jahre später auf 120. Im Gewerbegebiet Weilburg-Kubach entstanden weitere 30 Arbeitsplätze.
„Wir wollen rund um das Jubiläum unsichtbare Barrieren in der Gesellschaft abbauen, die im Zusammenhang mit psychischen Krankheiten bestehen“, sagt Roth. Er ist seit 2010 bei der Diakonie und übernahm 2013 die Leitung. Seelische Erkrankungen haben in Deutschland längst die Zahl der Krankschreibungen von physischen Erkrankungen überholt. Das gilt auch für Berentungen, weiß das Team der Werkstatt zu berichten.
Torsten Breser, Leiter Produktion und Technik, Gruppenleiter im Berufsbildungsbereich, ergänzt: „Eine seelische Beeinträchtigung kann jeden erreichen, von heute auf morgen treffen“. Menschen, die in der Werkstatt eingestellt werden, sind nicht in der Lage, einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt auszufüllen. „Eine sinnvolle Tagesstruktur, wertschöpfende Arbeit, ein wertschätzendes Miteinander und berufliche Inklusion sind wichtige Bestandteile für die psychische Stabilität unserer Beschäftigten.”
In der Stephanuswerkstatt werden sie zunächst 27 Monate im Berufsbildungsbereich eng begleitet. „Wir arbeiten daran, die Menschen so zu stabilisieren, dass sie wieder eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt finden“, erläutert Andre Discher, zuständig für die berufliche Integration. Doch das gelingt nicht immer. „180 Menschen, 180 Lebensbiografien, 180 Lebensziele“, erläutert Breser. „Bei sich anbahnenden psychischen Krisen können wir schnell helfen.”
Von den derzeit 180 Beschäftigten arbeiten derzeit 23 in anderen Betrieben, probieren sich auf dem ersten Arbeitsmarkt aus. Drei Personen sind in diesem Jahr auf eine Stelle in Industrie oder Verwaltung gewechselt. „Auch wenn sie einen Außenarbeitsplatz finden, bleiben sie an die Werkstatt angebunden“, erläutert Breser.
„Wenn es die Werkstatt nicht gäbe, würde mir die Decke auf den Kopf fallen“, erklärt Marc Crone. „Ich würde in alte Muster zurückfallen. Jetzt traue ich mir mehr zu, gehe offen mit meiner Krankheit um und mache Aufklärungsarbeit an Schulen“. Ein Rückfall führte dazu, dass er ein zweites Mal in der Stephanuswerkstatt aufgenommen wurde.
Kerstin Bernhardt sagt: „Ich könnte nicht vollzeitarbeiten. Die Gesellschaft sollte uns mehr akzeptieren. Die Leute sollten keine Angst vor Menschen mit psychischen Krankheiten haben“.
Produktionsleiter Breser betont die Notwendigkeit der Werkstätten. „Arbeit gehört zum Leben dazu. Wenn es die Werkstätten nicht gebe, könnten viele am Arbeitsleben nicht teilhaben“.
Wer an Arbeit in Werkstätten denkt, hat oft noch das Bild von besenbindenden und papierklebenden Beschäftigten vor Augen. Doch das ist ein Klischee, das heute nicht mehr stimmt. „Wir brauchen für viele Aufgaben Fachkräfte“, erläutert Breser und nennt einige Firmen, für die die Stephanuswerkstätten Arbeiten ausführen. Für eine Wetzlarer Kaffeerösterei füllen die Beschäftigten Kaffee ab. Für einen Schaltschränkehersteller werden Komponenten montiert. Eine Kabelfertigung gibt es in Weilburg. Es entstehen Basketballnetze, Metall wird in der Dreherei verarbeitet, Rollenlager zusammengebaut, Verpackungsarbeiten für kleinere Firmen erledigt, um nur einiges zu nennen. In Wetzlar besteht eine Druckerei, eine Wäscherei mit Bügelservice für Gewerbekunden und eine Küche bietet Catering für Veranstaltungen an. Zudem werden Bürodienstleistungen übernommen. „Für unsere Kunden stehen wir für eine zuverlässige Auftragsabwicklung, zertifizierte Qualität und eine moderate Preisgestaltung“, erläutert der Werkstattleiter.
„Abstauber“ nennt sich ein verhältnismäßig neuer Arbeitszweig, der 25 Personen Arbeit bietet. Täglich werden in Wetzlar und Weilburg Bücherspenden abgegeben. Jede Woche schauen die Abstauber 500 Bücher durch. Die „1-A-Ware“ verkauft die Stephanuswerkstatt übers Internet. Ware mit leichten Schäden stellen die Mitarbeiter wöchentlich in die Bücherschränke an der Hospitalkirche, bei IKEA und ins Nachbarschaftszentrum Niedergirmes.
Finanziert werden die Werkstattplätze durch unterschiedliche Kostenträger wie die Agentur für Arbeit, den Landeswohlfahrtverband und die Deutsche Rentenversicherung.
red
Bild 1: Das Team der Stephanuswerkstatt setzt sich für Menschen mit psychischen Erkrankungen ein.
Bild 2: Benjamin Roth steht für die berufliche Rehabilitation psychisch erkrankter Menschen. Er leitet die Stephanuswerkstatt seit 11 Jahren.
Bild 3 und 4: In Wetzlar hat die Stephanuswerkstatt zwei Häuser, ein zusätzliches gibt es in Weilburg.
Bild 5 und 6: Hier wird qualifizierte Arbeit geleistet: Die Stephanuswerkstatt beschäftigt Menschen, die je in ihrem Bereich als Fachkräfte arbeiten.