Sparkassen- und Giroverband sagt Unterstützung zu:

Die Tafeln in Hessen sind stark unter Druck geraten. Darauf hat der Vorsitzende des Landesverbandes, Willi Schmid (Ehringshausen), hingewiesen.

Bei einem Treffen mit dem Präsidenten des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, Stefan G. Reuß, sagte Schmid: Fast alle 58 hessischen Tafeln haben ihre Leistungsgrenzenn erreicht oder sie schon überschritten“. Seit Jahresbeginn habe die Anzahl der Kunden um fast 50 Prozent zugenommen. Im gleichen Zeitraum mussten die Tafeln andererseits einen Rückgang der Lebensmittelspenden um 30 Prozent hinnehmen. Hinzu kämen die enormen Steigerungen bei den Betriebskosten, vor allem für Energie und Treibstoff. Die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine, die sich Hilfe bei den Tafeln holen, gab Schmid mit 15 Prozent an. „Die 6000 Ehrenamtlichen sind an ihren physischen und psychischem Leistungsgrenzen angelangt“, beschrieb der Vorsitzende die Situation. Wegen der Knappheit der Lebensmittel hätten 62 Prozent der Tafelläden die Lebensmittelmenge reduziert, die pro Haushalt abgegeben werden. 49 Prozent hätten zusätzliche oder längere Öffnungszeiten eingeführt. 32 Prozent verhängten einen Aufnahmestopp, 18 Prozent führten Wartelisten ein.

Schmid ging bei seiner Darstellung weiter ins Detail. Dem 2016 gegründeten Landesverband gehören 57 der 58 Tafeln an. Sie unterhalten von Nord- bis Südhessen insgesamt 145 Auggabestellen. Mit den 170 Fahrzeugen holen die Mitarbeiter täglich Lebensmittel bei 2200 Supermärkten, Bäckereien und lokalen Geschäften ab und legen im Jahr 2,5 Millionen Kilometer dabei zurück. Die 6000 überwiegend ehrenamtlichen Helfer verteilen rund 22000 Tonnen vor dem Vernichten geretteter Lebensmittel an etwa 40000 Haushalte hessenweit. Damit unterstützen die Tafeln 130000 bedürftige Personen, darunter rund 35000 Kinder.

Der Landesverbandsvorsitzende wies darauf hin, dass die Tafelläden vor Corona 105000 Personen unterstützt haben. Wegen der Infektionsgefahr seien etliche Personen nicht gekommen, so dass die Zahl der Versorgten zwischenzeitlich auf 90000 gesunken war. Inzwischen sei die Zahl aber wieder gestiegen. Inzwischen kommen 16 Prozent der Bedürftigen als Flüchtlinge aus der Ukraine, also gut 20000 Personen. „Diese erhöhte Inanspruchnahme treffe die Tafeln in einer Zeit, in der sie wegen der gestiegenen Sprit- und Energiekosten nicht mehr zurecht kommen“, sagte Schmid. Die ausgegebenen Waren, für die die Tafelkunden 1 Euro pro Korb zahlen, hätten einen Wert von 40 bis 50 Euro.

Seit Januar sind die Kundenzahlen um 42 Prozent gestiegen, während die Zahl der Warenspenden seit Herbst um 30 Prozent zurückgegangen sind. Dies liege vor allem daran, dass die Märkte durch Optimierung der Prozesse im Handel und die verstärkten Aktivitäten von Lebensmittelrettern weniger Waren abgeben können. Einige Supermärkte seien dazu übergegangen, in den letzten Stunden des Tages überschüssige Ware zu günstigeren Preisen zu verkaufen. Schmid rechnet damit, dass sich die Lage in den kommenden Monaten noch verschärfen wird, wenn die steigenden Energiekosten, die teureren Lebensmittel und die Spritpreisentwicklung die Bürger stärker belasten. Die Tafeln hätten auf die veränderten Bedingungen reagieren müssen. 62 Prozent beklagten einen Rückgang der Lebensmittelspenden.

„Wir haben etwas Kapital angespart“, erläuterte Schmid. So könnten die Tafeln derzeit Engpässe überbrücken. Er gehe aber davon aus, dass der Kassenbestand sich bis Ende des Jahres um 100000 Euro verringert sein wird.

Angesichts der jetzt bereits bestehenden Engpässe brauchten die Tafeln neue ehrenamtliche Mitabeiter. Notwendig sei es auch, mehr Großspender zu gewinnen und letztlich sieht Schmid die Notwendigkeit des Staates, die Tafeln bei ihrer sozialen Aufgabe zu unterstützen.

Nach der Loh-Gruppe/Rittal in Haiger, die die Tafeln mit jährlich 50000 Euro unterstützt, ist der Hessische Sparkassen- und Giroverband der zweitgrößte Spender der Tafeln. Aktuell unterstützt der Verband die Einrichtungen mit jährlich 40000 Euro, die bereits auch für 2023 und 2024 ausgezahlt wurden. Seit 2016 habe der Landesverband der Tafeln insgesamt 263000 Euro aus den Töpfen des Sparkassen- und Giroverbandes erhalten.

„Ihr Engagement ist besonders“, sagte dessen Präsident Stefan G. Reuß, bis Ende 2021 SPD-Landrat des Werra-Meißner-Kreises. Die Herausforderungen der Tafeln seien nicht alleine mit Geld zu lösen. Es brauche Menschen, die mit anpacken und unterstützen. Die hessischen Sparkassen könnten nur ansatzweise Hilfe leisten. Angesichts der großen Herausforderungen brauchten die Tafeln auch die Städte und Landkreise. „Ohne staatliche Unterstützung kann es nicht funktionieren“, sagte Reuß. Seine Blicke gingen sorgenvoll in die Zukunft. 60 Prozent der Haushalte mit einem Durchschnittseinkommen von 3600 Euro müssten angesicht der steigenden Kosten von ihrem Ersparten leben. Besonders treffe es die Rentner, die nicht so eine hohe Rente bekommen, um die Steigerungen aufzufangen. „Es wird einen Riesenzulauf bei den Tafeln geben, weil immer mehr Menschen die Warenkörbe brauchen“, sagte der oberste hessische Sparkassenchef. Der Staat müsse aufpassen, dass hier nichts völlig aus den Fugen gerate. Den hessischen Tafeln sicherte Reuß zu, dass der Verband auch in Zukunft offen für weitere Unterstützungen sei.

Landrat Wolfgang Schuster (SPD) sagte, er befürchte, dass sich die Gemengelage durch den Krieg in der Ukraine noch verschärfen werde. Es sei eine Diskussion in Gang über den Sozialstaat. Schuster sagte, der Landkreis habe Verantwortung für die Menschen vor Ort. Er schlug vor, dass sich die Tafel und die Politik zusammen setzen und darüber sprechen, „wie wir die nächsten Wochen überstehen“.

Wetzlars Oberbürgermeister Manfred Wagner (SPD) sagte, die Tafeln seien bereits zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Das sollte es nicht sein. Die Hauptfrage müsse sein: „Geht es in allen Veränderungen gerecht zu?“ Es müsse zu einer gerechten Lastenverteilung komen. „Alleine durch die Tafeln wird es nicht gehen“, stellte der OB fest.

red