Der Tod des Afro-Amerikaners George Floyd am 25. Mai durch Polizisten erschüttert nicht nur die USA. Das Thema Rassismus ist auch in Deutschland angekommen. Am Sonntagabend gingen in Wetzlar bei einer Mahnwache auf dem Domplatz 150 Besucher auf die Straße, fast doppelt so viele wie bei der Polizei angemeldet. Sie hielten sich an die Corona-Abstandsregeln und trugen fast durchgehend schwarze Oberteile. Unter dem Motto „Black Lives Matter“, zu deutsch „Schwarze Leben zählen“ hatten die Initiatoren um den katholischen Pastoralreferenten Joachim Schaefer zu der Mahnwache aufgerufen. Unter den Teilnehmern waren auch der evangelische Dompfarrer Björn Heymer und Flüchtlingspfarrer Aurel Everling sowie Vertreter von Parteien wie der Landtagsabgeordnete Hermann Schauss und der Stadtverordnete Klaus Petri (Die Linke) sowie der Stadtverordnete Christoph Wehrenfennig (FDP) und Andreas Craß von der Linksjugend Solid.
Die Veranstalter hatten sich über die Internetplattform Facebook zu der Mahnwache entschlossen, die zum einen dem Gedenken an Floyd diente, zum anderen aber auch ein lauter Protest gegen Rassismus auch in Wetzlar war.
Zentrale und bewegende Demonstration der rund 45-minütigen Veranstaltung war, dass die Teilnehmer sich für 8 Minuten und 46 Sekunden niederknieten. Währenddessen las Schaefer die Worte vor, die Floyd in diesen Minuten ausgesprochen hatte, als der Polizist ihm mit dem Knie auf den Hals drückte. Immer wieder waren die flehenden Worte des Afro-Amerikaners zu hören „I can’t breathe“ (Ich kann nicht atmen), die auf der Straße in Minneapolis liegend stammelte.
Schaefer sagte, der Termin für die Mahnwache sei bewusst gewählt, denn am 14. Juni 2000, vor 20 Jahren, starb Alberto Adriano im Alter von 39 Jahren nach drei Tagen im Koma an den Kopfverletzungen, die ihm drei neonazistische Skinheads im Stadtpark von Dessau zugefügt hatten.
Dass Rassismus nicht nur ein Problem im fernen Amerika sondern auch in Mittelhessen ist, berichteten Teilnehmer der Mahnwache spontan. Die aus Eritrea stammende Rumela Ltsegezab, sie vor sechs Jahren nach Deutschland kam, berichtete, dass sie wegen ihrer Hautfarbe in der Schule gemobbt werde. Sie solle doch dorthin zurück gehen, wo sie hergekommen ist“, bekomme sie zu hören.
Hala al Shibabi konnte ähnliches erzählen und fügte hinzu. „Das tut weh, vor allem wenn man noch jung ist“. Eine Pfarrfrau aus dem Lahn-Dill-Kreis berichtete, dass sie Rassismus erlebe, weil sie eine jüdische Mutter hat. Im Alltag habe sie mit afrikanischen Frauen zu tun, die trotz ihrer Schönheit wenig Selbstvertrauen hätten, weil sie wegen ihrer Hautfarbe nicht geachtet werden. „Schwarze Menschen sind dauerhaft dem Rassismus ausgeliefert“, beklagte sie. Lea Weymann schilderte, dass eine Freundin mit schwarzer Hautfarbe am Wetzlarer Bahnhof überfallen wurde. Sie erinnerte an die Verantwortung von Politikern. „Menschen werden nicht rassistisch geboren“.
Plakate wie „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ oder „Black Lifes matter“ wurden auf dem Domplatz getragen. Michael Krause-Blassl hatte ein selbst geschriebenes Plakat mitgebracht, auf dem zu lesen stand „Wir alle sind das Volk der Menschen“. So still wie die Teilnehmer gekommen waren, so friedlich sind sie auch wieder auseinander gegangen. Für die anwesenden Polizisten gab es also wenig zu tun.
lr