Diese Predigt zu Ostern stammt von Christoph Schaaf, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Krofdorf-Gleiberg.
Ostern – damit wir mit Gottes großen Möglichkeiten rechnen. Oder: wenn Gott die Welt auf den Kopf stellt:
Und Hanna betete und sprach:
Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN,
mein Horn ist erhöht in dem HERRN.
Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils.
Es ist niemand heilig wie der HERR,
außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.
Lasst euer großes Rühmen und Trotzen,
freches Reden gehe nicht aus eurem Munde;
denn der HERR ist ein Gott, der es merkt,
und von ihm werden Taten gewogen.
Der Bogen der Starken ist zerbrochen,
und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke.
Die da satt waren, müssen um Brot dienen,
und die Hunger litten, hungert nicht mehr.
Die Unfruchtbare hat sieben geboren,
und die viele Kinder hatte, welkt dahin.
Der HERR tötet und macht lebendig,
führt ins Totenreich und wieder herauf.
Der HERR macht arm und macht reich;
er erniedrigt und erhöht.
Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub
und erhöht den Armen aus der Asche,
dass er ihn setze unter die Fürsten
und den Thron der Ehre erben lasse.
Liebe österliche Gemeinde!
Na, wenn das kein Osterlied ist! Eines, das so von Triumph, von Glück, von Dankbarkeit, Lob und Vertrauen gegen Gott gesättigt ist!
Wir mögen ahnen, was in dieser Hanna, die es einst betete, vor sich ging im Wechsel von dunkel und hell, von Hoffen und Bangen.
Und wir fragen: Was, wenn sich einmal die Verhältnisse umkehrten? Was, wenn die Gesetzmäßigkeiten dieser Welt durchbrochen würden?
Konzernbosse und Regierungschefs würden soviel wie die Armen gelten und die Armen säßen an einem Tisch mit den Herren dieser Welt!
Den Unrecht Leidenden widerführe endlich Gerechtigkeit und es würde nicht länger mit zweierlei Maß gemessen!
Die leeren Hoffnungen der vom Leben Enttäuschten und Benachteiligten würden plötzlich erfüllt!
Geflüchtete kämen an ihr Ziel und fänden Heimat, man würde sie achten und wertschätzen.
Die Trauernden und Leidenden müßten nicht mehr länger leiden und trauern!
Kranke erführen unerwartet Heilung! Wunder geschähen! Und das gerade jetzt in Zeiten der Pandemie-Bedrohung!
Was, wenn das alles geschähe? Was, wenn unsere Welt einmal auf dem Kopf stünde – für einen Moment nur? Was, wenn Unmögliches möglich würde?
Das wäre dann Ostern!
Nicht wahr: Ostern, das Fest der großen Möglichkeiten Gottes! Die Unmöglichkeiten finden ihr Ende! Der Tag, an dem unser „das gibt’s nicht“, „das hilft mir nicht“ verwandelt wird in Gottes „ich kann“, „ich helfe dir“, „ich mach’s möglich“.
Ostern – das wäre dann ein Tag des Jubelns und des Dankes zugleich und schließlich des Vertrauens, denn so ist es: Gott macht Unmögliches möglich:
Denn Jesus ist von den Toten auferstanden – das stellt die Welt mit allem bisher Dagewesenen auf den Kopf!
Gerade in diesen Tagen scheint es, dass wir der Supermacht COVID-19 hilflos ausgeliefert sind, die uns aus den normalen Lebensabläufen in ein zurückgezogen-eingeschränktes, übervorsichtiges weil gesundheitlich stark gefährdetes Leben hineinzwingt. Einmal mehr spüren wir, dass wir – ohnmächtig wie wir sind – den Kreislauf von Leben und Sterben nicht selbst durchbrechen und einfach aussteigen können.
Aber Ostern heißt: Gott durchbricht den Tod, weil Jesus auferstanden ist von den Toten!
Er hat es getan und er kann es auch bei uns machen. Gott steigt durch unsere Ohnmacht hindurch. Wir können es nicht, aber er steigt aus, nichts bleibt beim Alten.
Und wer denkt, das ist doch nur Gerede und bleibt allgemein, dem würde ich sagen:
Geh doch mal das Wagnis ein und bete so wie Hanna. Aus tiefstem Innern. Sie bringt Geduld und Vertrauen mit. Sie macht die Augen zu im Gebet, sie macht die Augen weit auf für Gottes Möglichkeiten und lässt sich überraschen mit dem, was daraus werden kann, weil Gott eben der ist, der die Verhältnisse auf den Kopf stellt.
Davon handelt dieser Tag, der mit dem Osterruf erfüllt ist: „Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“
Aus dem Osterevangelium haben wir von den drei Frauen gehört, wie sie verzweifelt rufen: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“
Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome – sie kamen weinend zum verschlossenen Grab, wollten den Toten salben. Mächtig rund, mannshoch im Durchmesser, versperrte ein großer Grabstein den Weg. Er ist das Ende aller ihrer Möglichkeiten. Ihre Zukunft ist verbaut. Der, dem sie sich mit ihrem Leben verschrieben hatten, ist tot, das Grab verschlossen.
Und Hanna mit ihrem Lob-Psalm? Sie ist eigentlich eine Frau wie jede andere. Sie lebte 1.000 Jahre vor jenen drei Frauen am Grab. Sie war glücklich verheiratet. Ihren Mann Elkana liebt sie über alles. Und doch trübt sich ihr Glück, immer mehr, so stark, dass sie gramgebeugt sich an Gott wendet. Ihr Eheglück erlebt sie getrübt durch einen Makel, weil der Kindersegen ausbleibt. Unfruchtbarkeit machte damals eine Ehe fast sinnlos, ungenügend, bei aller Liebe. Hanna konnte ihrem Mann nicht zu Ansehen und Erben verhelfen. Ihr persönliches Unglück bekam jeden Tag einen Spiegel vorgehalten durch die Zweitfrau, die ein Kind nach dem anderen gebar.
Das riss sie ins Abseits und in wilde Verzweiflung. Und auch wenn unsere eigenen Lebensgeschichten anders verlaufen, kennen wir dieses Gefühl von Zerrissenheit und Trauer, von Ungenügen und Unvollkommenheit, das uns zutiefst durchziehen kann. Ja, wir kennen das wohl, mit den Möglichkeiten am Ende zu sein.
Aber nun kommt Ostern. Da wird der Tod ausgelacht. Der Schaden, den er in unserer kleinen und großen Welt anrichtet, wird in einem neuen Licht gesehen.
Mit Ostern erfahren wir die Macht Gottes, die stärker ist als alles, was sich uns entgegenstellt. Ostern, das ist der Sieg Gottes, weil er seinen Sohn Jesus auferweckt hat von den Toten. Im Licht dieser Auferstehung bekommen Leiden und Sterben Jesu für uns den Sinn des Lebens: alle unsere Leiden und alle Schmerzen, alle Verluste, alle Beschwernisse liegen auf ihm, aber er sorgt mit seiner Auferstehung für uns, dass das alles zu 100% gilt und wir leben dürfen – auch mitten in unseren Erfahrungen von Leid. Das Tödliche hat nichts mehr zu sagen! Und mit dieser neuen Wahrheit treten wir mit Gott dem Tod entgegen.
„Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.“ So singt Hanna. Sie macht eine besondere Erfahrung, die wir auch brauchen können: Sie bezieht sich mit ihrem Kummer auf ihren starken Gott. In ihrem Herzen redet sie mit Gott und schüttet ihr Herz vor ihm aus. Sie rechnet mit den Möglichkeiten ihres starken Gottes.
Ich höre, dass mancher Arzt, manche Pflegeschwester, mancher Politiker seine einzige Kraft derzeit nur aus dem Vertrauen auf Gott und aus dem Gebet ziehen. Weil die Todesumklammerung des Lebens einen derzeit fast zum Wahnsinn treiben kann. Aber sie rechnen mit Gott, der ein Gott des Lebens ist und sie kämpfen mit der Kraft von Ostern mit allen Mitteln und in aller Besonnenheit gegen den Tod und seine Kräfte.
Hanna und ihr Schicksal: Es ist unglaublich, aber Gott erhört ihr verzweifeltes Schreien zu Gott. Sie wird schwanger, Samuel wird geboren. Da ist Hanna wieder obenauf. Sie freut sich, dass sie diesen fröhlichen und Mut machenden Psalm singt, der 1000 Jahre älter als Ostern ist und doch Ostern eine kraftvolle Stimme verleiht! Das hat er übrigens zu allen Zeiten getan: die Lebenskaft von Ostern in Mund und Herz unzähliger Menschen in Christus laut werden lassen!
„Der HERR tötet und macht lebendig, führt ins Totenreich und wieder herauf. Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse.
Das ist Ostern: Der Herr macht lebendig! Christ ist erstanden. Jesus lebt. Das macht Gott.
Im Lichte von Ostern ist Hannas Erfahrung ein Loblied auf die vielen und großen Möglichkeiten Gottes. Ein Lied, das mit den Endlichkeiten unserer Welterfahrung bricht. Ein Lied des Lebens und der Freude.
Ostern – das ist dann auch ein Triumpf! Ein Sieg über das, was das Leben und Beziehungen kaputtmachen möchte.
Hanna triumphiert damit auch über die, die sie verspottet und abgewertet haben. Ebenso dürfen wir mit den Frauen am Grab und den staunenden Jüngern über alles, was uns niederhalten will, triumphieren.
Ostern bedeutet: Die Macht der Feinde des Lebens ist sehr viel kleiner geworden! Sie muss dir keinerlei Furcht mehr einflößen! Vertraue auf den Auferstandenen, und du hast ein Rezept, das deinen Alltag umkrempeln kann hin zum Leben eines Menschen, der sich in allem getröstet, getragen und ermutigt weiß.
Ein Glück, dass es diese Hanna gegeben hat. Sie zeigt uns, wer unser Geschick wirklich in Händen hält. Wer Himmel und Hölle in Bewegung setzt – uns zugute. Wer Christus auferweckte – damit auch wir hoffen dürfen.
Leben wir jeden Tag in den großen Möglichkeiten Gottes, der den Tod besiegt hat, der lebt und uns auch täglich neu zum Leben ermutigt.
Amen