Diese Predigt zu Ostern ist von Holger Zirk, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Altenkirchen:
Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!
Liebe Schwestern, liebe Brüder!
An diesem Sonntag feiern wir Ostern, neben Weihnachten das höchste Fest der Christen.
An das Osterfest in diesem Jahr werden wir uns ein Leben lang erinnern. Denn wir feiern es ganz anders als sonst: Alle Kirchen sind geschlossen. Keine Glocken laden zum Gottesdienst ein. Die Orgeln schweigen. Wir singen nicht zusammen „Christ ist erstanden“. Wir beten nicht zusammen das Vaterunser. Wir stehen nicht gemeinsam am Altar und teilen nicht Brot und Wein.
Wir können uns „Frohe Ostern!“ nur über den Gartenzaun oder durchs Telefon wünschen oder über WhatsApp, mit mindestens anderthalb Metern Abstand voneinander.
Und doch ist es auch dieses Jahr Ostern geworden! Gott sei Dank!
Und wir sind dabei. Gott sei Dank!
Die Osterbotschaft hören wir in diesem denkwürdigen Jahr 2020 vom Apostel Paulus.
Er schreibt im 1. Brief an die Korinther, im 15. Kapitel:
„Christus ist auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind …
Er muss herrschen, bis Gott alle Feinde unter seine Füße gelegt hat.
Der letzte Feind, der vernichtet wird ist der Tod.
Denn alles hat er unter seine Füße getan.“
Liebe Gemeinde!
Bevor das Corona-Virus bei uns in Deutschland richtig ankam, hatte es schon die Menschen in Norditalien mit voller Wucht getroffen.
Das Gedicht einer italienischen Journalistin ist unzählige Male in den sozialen Medien geteilt worden. Es ist vielleicht auch euch schon von irgendwoher zugeflogen.
In jedem Fall lohnt es sich hier noch einmal zitiert zu werden.
Denn für mich ist es ein Ostergedicht, auch wenn das Wort „Ostern“ gar nicht vorkommt.
Es war der 13. März 2020, die Straßen waren leer,
die Geschäfte geschlossen, die Leute kamen nicht mehr raus.
Aber der Frühling wusste nichts
Und die Blumen blühten weiter
Und die Sonne schien
Und die Schwalben kamen zurück
Und der Himmel färbte sich rosa und blau
Morgens kneteten wir Brot und backten Kuchen
Es wurde immer später dunkel und morgens kam das Licht früh durch die Fenster
Es war der 13. März 2020
Die Jugendlichen studierten online
Und am Nachmittag spielte man unvermeidlich im Haus
Es war das Jahr, in dem man nur zum Einkaufen raus gehen konnte
Alles wurde geschlossen
Auch die Büros, Hotels und Bars
Die Armee fing an, Ausgänge und Grenzen zu bewachen
Es gab nicht genügend Platz mehr für alle in Krankenhäusern
Und die Leute wurden krank
Aber der Frühling wusste es nicht und er trieb Sprossen
Es war der 13. März 2020
Alle wurden unter Quarantäne gestellt
Großeltern, Familien und Jugendliche
der Gesundheit wegen
Dann wurde die Angst echt
Und die Tage sahen alle gleich aus
Aber der Frühling wusste es nicht, und die Rosen blühten weiter
Es wurde wieder das Vergnügen entdeckt, zusammen zu essen
zu schreiben und zu lesen, man ließ der Fantasie freien Lauf
und aus Langeweile wurde Kreativität
Manche lernten eine neue Sprache
Manche entdeckten die Kunst
Studenten büffelten für die letzte Prüfung, welche noch für den Abschluss fehlte
Der Eine merkte, dass er getrennt vom Leben war und fand zu sich zurück
Der Andere hatte aufgehört, mit Ignoranz zu verhandeln
Der Eine hat das Büro geschlossen und ein Gasthaus mit nur vier Personen eröffnet
Der Andere verließ seine Freundin, um der Welt die Liebe zum besten Freund zu gestehen
Es gab jemanden, der Arzt wurde, um jedem zu helfen, der es brauchte
Es war das Jahr, in dem man die Bedeutung der Gesundheit
und des wahren Leidens erkannte und vielleicht auch seine Berufung
Das Jahr, in dem die Welt aufzuhören schien
Und die Wirtschaft den Bach runterging,
aber sie hörte nicht auf, sie erfand sich neu
Und der Frühling wusste es nicht, und die Blumen ließen den Platz den Früchten
Und dann kam der Tag der Befreiung
Wir waren im Fernsehen und die Regierung sagte zu allen,
dass der Notfall vorbei sei
Und dass der Virus verloren hatte
Dass alle zusammen gewonnen hatten
Und dann gingen wir auf die Straße
Mit Tränen in den Augen
Ohne Masken und Handschuhe
Umarmten unseren Nachbarn
Als wäre er unser Bruder
Und da kam der Sommer
Weil der Frühling es nicht wusste
Und er war weiterhin dabei
Trotz allem
Trotz des Virus
Trotz der Angst
Trotz des Todes
Weil der Frühling es nicht wusste
Und lehrte alle
Die Kraft des Lebens.
Liebe Schwestern und Brüder!
Ja, für mich ist das ein Ostergedicht!
Obwohl von Jesus nicht die Rede ist und nicht von Auferstehung und von Kirche erst recht nicht, obwohl nicht die Bibel zitiert wird.
Und ich weiß auch nicht, ob die, die diese Zeilen geschrieben hat, an Gott glaubt.
Und doch ist es ein Ostergedicht für mich.
Weil mich aus diesen Zeilen eine unzerstörbare Hoffnung anweht, die den Frühlingsduft der Osterbotschaft mitbringt: „Und dann kam der Tag der Befreiung …“
Hören wir nochmal hin, was Paulus schreibt: „Christus ist auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind … Er muss herrschen, bis Gott alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der vernichtet wird ist der Tod. Denn alles hat er unter seine Füße getan.“
Wisst ihr, was ein „Erstling“ ist?
Vielleicht kennt ihr das aus dem Garten: Da gibt es einen Strauch, einen Baum, vielleicht auch nur eine Blume, die ist jedes Jahr als erste dran. Wenn die anderen Sträucher, Bäume, Blumen noch im Winterschlaf sind, ist sie schon wach, steckt schon den Kopf raus und lässt sich von den ersten kräftigen Sonnenstrahlen eines Spätwintertages erwärmen.
Und wenn wir diese alte Bekannte sehen, vielleicht kannten wir sie wirklich schon vom Frühjahr davor, dann wissen wir: Jetzt ist es wirklich bald so weit. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis das Leben wieder aus allen Ecken hervor krabbelt, aus der Erde springt, durch den Garten pfeift und zwitschert. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis das Grau des Winters endgültig vom Grün des Frühlings vertrieben wird.
„Da kommt noch was ganz Großes!“ Das verspricht der „Erstling“.
Christus ist der „Erstling“, sagt Paulus.
Das, was da am Ostermorgen mit Jesus passiert ist, ist nur der Anfang, der Anfang von etwas, was noch viel größer und viel wunderbarer ist: „Christus ist auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind …“
Jesu Auferweckung von den Toten ist der Startschuss einer neuen Welt, wo der Tod sein letztes Spiel verloren haben wird, wo der Wolf bei den Lämmern liegt, wo die Blinden sehen, die Tauben hören und die Lahmen tanzen werden, wo die Toten auferstehen und wo alle Tränen getrocknet werden.
„Christus muss herrschen, bis Gott alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der vernichtet wird ist der Tod. Denn alles hat er unter seine Füße getan.“
„Der letzte Feind, der vernichtet wird ist der Tod …“
Muss man das glauben?
Nein, muss man nicht! Man darf es glauben!
Unzählige haben vor uns geglaubt und Unzählige werden nach uns glauben.
Es lebt sich anders und es stirbt sich anders, wenn ich es tief drinnen weiß:
„Der letzte Feind, der vernichtet wird ist der Tod …“
Ich weiß es dann: Allem zum Trotz, was dagegen sprechen mag: Es lohnt sich zu glauben! Es lohnt sich zu hoffen! Es lohnt sich zu lieben! Ja, das auch!
Kurzum: Es lohnt sich zu leben! Auch wenn das Leben sehr hart sein kann und manchmal kaum zu ertragen: Dieses Leben lohnt sich zu leben!
Weil am Ende nicht der Tod, sondern das Leben siegen wird.
Weil Christus am Ostermorgen den Tod besiegt hat, endgültig. Ja, endgültig!
Auch wenn in unserer Welt oft noch der Tod das Zepter schwingt und sich als Herr der Welt aufspielt wie in diesen Tagen.
Christus ist der „Erstling“: Seine Auferstehung ist der Startschuss einer neuen Welt, so wie diese Blume im Garten auch in diesem Jahr wieder den Startschuss für den Frühling abgefeuert hat: Auf die Plätze! Fertig! Los! Peng!
„Christus ist auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind …Er muss herrschen, bis Gott alle Feinde unter seine Füße gelegt hat.
Der letzte Feind, der vernichtet wird ist der Tod.
Denn alles hat er unter seine Füße getan.“
Liebe Gemeinde!
Ostern feiern in diesem Jahr 2020 – wie könnte das gehen?
Wenn der auferstandene Christus wirklich der „Erstling“ ist, dann ist Hoffnungslosigkeit jedenfalls keine Option mehr, und dann dürfen wir ganz gewiss schon mal anfangen zu träumen von dem was „danach“ sein könnte.
Und dann kam der Tag der Befreiung
Wir waren im Fernsehen und die Regierung sagte zu allen,
dass der Notfall vorbei sei
Und dass der Virus verloren hatte
Dass alle zusammen gewonnen hatten
Und dann gingen wir auf die Straße
Mit Tränen in den Augen
Ohne Masken und Handschuhe
Umarmten unseren Nachbarn
Als wäre er unser Bruder
Und da kam der Sommer
Weil der Frühling es nicht wusste
Und er war weiterhin dabei
Trotz allem
Trotz des Virus
Trotz der Angst
Trotz des Todes
Weil der Frühling es nicht wusste
Und lehrte alle
Die Kraft des Lebens.
Frohe und gesegnete Ostern!
Der Friede des auferstandenen Herrn sei mit euch allen!
AMEN.