Die Evangelische Kirchengemeinde Hochelheim-Hörnsheim hat in einem Gedenkgottesdienst das Leben und Wirken des ehemaligen Pfarrers von Hochelheim und Dornholzhausen, Paul Schneider, gewürdigt. Der „Prediger von Buchenwald“ und streitbare Theologe war für einige Jahre Pfarrer in den beiden Orten. Am 18. Juli jährte sich der Todestag des Theologen zum 80. Mal.

Für den aktuellen Pfarrer Carsten Heß und den Bevollmächtigtenausschuss war dies Anlass, um auf sein Leben zurückzublicken und seiner zu gedenken. Der Gottesdienst wurde mitgestaltet vom Singkreis unter der Leitung von Susanne Redmer, vom Großen-Lindener Ensemble „Orgel, Flöte und Co.“ unter der Leitung von Elsbeth Weiß sowie von Heidrun Schwarz-Sauerbier am Klavier. Die Lesungen gestalteten Dr. Bettin Hardtert, Annette Hesmert, Wolfgang Böhm, Tanja Brünninghaus und Astrid Faber.

Im Rahmen der Feierstunde wurde mehr als deutlich, dass Schneider sich dem Druck der Nationalsozialisten nicht gebeugt hat. Selbst im Konzentrationslager ermutigte er noch die Mithäftlinge mit Bibelsprüchen. Dafür musste er heftigste Prügel und Misshandlungen einstecken. Pfarrer Carsten Heß würdigte Schneider als Theologen, der das Wort Gottes unverfälscht weitergeben wollte und dafür auch Ärger in Kauf nahm. „Es darf nicht schwerer kommen, als wir tragen dürfen“, war einer dieser bewegenden Schneider-Sätze, die den Gottesdienstbesuchern im Gedächtnis bleiben dürften. Die Menschen sollten lernen und reifen an dem, was ihnen von Gott aufgegeben ist. Als seine Frau Margarete den Leichnam ihres Mannes noch einmal sah, schrieb sie die Zeilen „Auf Pauls Gesicht lag die Hoheit des Erlösten“.

Im Gottesdienst wurde deutlich, dass Paul Schneider das Evangelium zur „Zeit und zur Unzeit“ predigte, aber ihm war es wichtig, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen: „Er verkündet die Wort des Erlösten, bis seine Stimme verstummte“, hieß es in einem Redebeitrag der Lektoren.

Ende Januar 1925 wurde Schneider in der Gemeinde seines Vaters in Hochelheim ordiniert. Er trat in dessen Fußstapfen, als dieser 1926 an den Folgen eines Schlaganfalls stirbt. Zunächst empfand er Sympathien für Hitlers Bewegung, stellte sich dann aber sehr bald gegen ihn, weil seine Familie merkte, dass Deutschland in die falsche Richtung steuerte.

Der Theologe schloss sich der Bekennenden Kirche an, die den Einfluss der Nazis auf die Kirche zurückdrängen wollte. Der Druck auf Schneider wuchs. Im Januar 1934 predigte er das letzte Mal in Mittelhessen. Er wird in den Hunsrück versetzt, bleibt aber gegenüber dem NS-Regime geradlinig. Auch an den Reichstagswahlen 1936 nahm er nicht teil, weil das Volk nur mit Ja stimmen durfte. 1937 kam er ins Gefängnis und wurde von dort ins Konzentrationslager Buchenwald verlegt. „Er gab uns, den Ärmsten der Armen, wieder Hoffnung“, sollte ein anderer Häftling später schreiben. Trotz schwerster Folter wurde er nicht müde, das Evangelium aus seiner Einzelzelle heraus zu verkünden. Am Ende ist er nur noch ein Wrack.

„Lieber alle Kreaturen preisgeben, denn im Geringsten wider Gottes Willen tun: Wer Gott fürchtet, der hat eine sichere Zuflucht, und seine Kinder werden auch beschirmt“, schreibt er kurz vor seinem Tod einen Brief an seine Frau. Seine Landeskirche will den Theologen in den Wartestand versetzen, wegen seines „staatsfeindlichen Verhaltens“. Dazu kommt es nicht mehr: Der zuständige Lagerarzt tötet Paul Schneider am 18. Juli 1939 mit einer Überdosis Strophanthin, wenige Wochen vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Sowohl das Flötenensemble als auch der Singkreis  hatte dazu thematisch passende Lieder herausgesucht (“Wer Gott folgt, riskiert seine Träume” und “Wer auf Gott vertraut, braucht sich nicht zu fürchten”). Jutta Spieß (Dornholzhausen) hat noch ein historisches Dokument mitgebracht. Sie verlas einen Briefwechsel von Paul Schneider mit einer Verwandten von ihr. In seiner kurzen Ansprache ermutigte Pfarrer Carsten Heß die Gottesdienstbesucher, auch in Zeiten der Bedrängnis den Blick nach vorne zu richten und auf den Gott zu schauen, der den eigenen Horizont erweitere.

jow[vc_gallery interval=”5″ images=”8065,8066,8067,8068″ img_size=”full”]Bild 1: Annette Hesmert und Wolfgang Böhm tragen Texte aus Paul Schneiders Leben vor.

Bild 2: Pfarrer Carsten Heß hielt eine Ansprache zum Wirken von Pfarrer Paul Schneider.

Bild 3: Der Singkreis unter Leitung von Susanne Redmer gestaltete den Gottesdienst musikalisch mit.

Bild 4: Orgel, Flöten und Co. musizierten unter der Leitung von Elsbeth Weiß.