Kirchentag zum Reformationsjubiläum in Berlin und Wittenberg.

  „Das Beste war für uns das Gemeinschaftsgefühl beim Singen und den Bibelarbeiten, und dass wir viel mit den Menschen aus unserer Gemeinde zusammen gemacht haben“, finden Anna-Lena Fabel aus Albshausen und Silja Stamer aus Steindorf. Die beiden 16- und 17-Jährigen waren unter Leitung von Diakon Stefan Zeiger unterwegs beim Kirchentag.

Es war ein Protestantentreffen der Superlative: Kirchentag  500 Jahre nach dem Kirche prägenden  Reformationsgeschehen vom 24. bis 28. Mai in Berlin, gleichzeitig in acht weiteren deutschen Städten, die Schauplätze der Reformation waren, mit großem Abschlussgottesdienst in Wittenberg – das hat es seit Beginn der Laienveranstaltung 1949 noch nicht gegeben.

Dabei waren unter den 106.000 Dauerteilnehmern, die aus mehr als 2.500 Veranstaltungen auswählen konnten, allein 185 Menschen zwischen 13 und 78 Jahren in drei Bussen aus Kirchengemeinden der Evangelischen Kirchenkreise Braunfels und Wetzlar und dem Dekanat Biedenkopf und Gladenbach. Darunter viele Jugendliche mit ihren Betreuern, angeleitet von den kreiskirchlich Beauftragten Jürgen Ambrosius, Rüdiger Henke und Stefan Zeiger. 70 aktiv Mitwirkende, so viele wie noch nie aus der heimischen Region, beteiligten sich an Konzerten, Lesungen, Aktionen und Standbesetzungen, um zur Vergewisserung im christlichen Glauben und Handeln einzuladen.

Inhaltlich standen beim 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag mit dem Auftritt zahlreicher prominenter Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Kultur und Kirche Themen wie Geflüchtete, internationale Konflikte, Rechtspopulismus, das Miteinander der Religionen sowie die Frage nach einem selbstbestimmten Altern in Würde im Mittelpunkt – immer in Verbindung mit dem Reformationsthema.

„Ich fand interessant, zu erleben, dass Obama und Merkel sich als Menschen und Christen zeigten und nicht in erster Linie als Politiker“, fasste Beate Müller aus Rechtenbach ihren Eindruck vom publikumswirksamen Treffen der beiden zusammen.

Ihr Musical „Gottesbilderladen“ präsentierte die Musiktheatergruppe der Evangelischen Kirchengemeinde Nauborn, bestehend aus 18 Mitwirkenden von 11 bis 63 Jahren und  Gemeindepädagoge Dirk Thomas. Dabei nahmen die Akteure das Jahresthema 2015 der Reformationsdekade „Bild und Bibel“ auf. In der musikalisch- szenischen Eigenkomposition geht es um die vielfältigen Gottesbilder ganz unterschiedlicher Menschen. Greifbar entdecken sie diese in einem Laden, der vielfältige Bilder von Gott zur Verfügung stellt und zur Auseinandersetzung damit einlädt.

Ein 14–köpfiger  Projektchor aus Münchholzhausen, Dutenhofen und Wetzlar mit Pfarrer Michael Philipp führte das musikalische Lutherporträt „Bruder Martinus“ mit dessen Komponisten, Liedermacher Siegfried Fietz , Sohn Oliver Fietz und Bassist Gerhard Barth  gemeinsam auf. Ein knappes halbes Jahr wöchentliche Proben mit Gerhard Barth und Thomas Müller aus Hörnsheim hatte der Chor dafür absolviert. Im Musical trat Martin Luther nicht nur als theologischer Lehrer und Reformator, sondern auch als fragender und zweifelnder Mensch in Erscheinung. „Ich habe mitgemacht, weil es toll ist, mit Siegfried Fietz singen zu dürfen“, sagte Tina Hels aus Münchholzhausen nach der Aufführung. Das aus dem 1. Buch Mose, Kapitel 16, Vers 13 entnommene Kirchentagsleitwort „Du siehst mich“ hatte Fietz zu einem Lied verarbeitet und damit das Musical eröffnet. Inhaltlich geht es darum, dass Gott den Menschen wahrnimmt, und ihm eine Würde zuspricht, die er an seine Mitmenschen weitergeben soll.

Dies war auch Leitgedanke der kirchentagsweiten Schweigeminute für die umgekommenen Flüchtlinge im Mittelmeer: „Das fand ich sehr wichtig“, erklärte Gehörlosenseelsorgerin Simone Pfitzner aus Wetzlar, die die Schweigeminute während des „Festivals der Reformatorinnen“ erlebte. Eine entsprechende Gedenkveranstaltung für die gestorbenen Flüchtlinge hatte der rheinische Präses Manfred Rekowski moderiert.

„Die Band ‚Sturzflut’, die im vergangenen Frühjahr erstmals mit dem musikalischen Theaterpojekt ‚Passion meets Rock’ in der Wetzlarer Hospitalkirche aufgetreten war, wurde mit ihrem Programm ‚Kraftvoller Sound mit Texten auf deutsch“ aus dem Stand von den Kirchentagsorganisatoren engagiert“, freute sich Diakon Ernest Aguirre aus Wißmar. Er spielte als Bassist in der siebenköpfigen Band, die erstmals vor Kirchentagspublikum Eigenkompositionen zu Fragen des Glaubens in einer rhythmusbetonten Mischung aus Elektronik und harter Rockmusik präsentierte.

Mit dem Tatort-Pathologen Joe Bausch, gleichzeitig Schirmherr der Stiftung Polizeiseelsorge der rheinischen Kirche, diskutierte der Greifensteiner Pfarrer und Polizeiseelsorger Dr. Armin Kistenbrügge über Krimis und Realitätssinn in der Bibel. Die Moderation der Lesung  zu „Verbrechen in Krimi, Knast, Kiez und Bibel“ hatte Pfarrerin Kerstin Offermann (Greifenstein) übernommen. Weiterhin las Kistenbrügge aus seiner Bibel für Jugendliche „ #gottesgeschichte“ vor.

„Es gab unter den Kirchentagsbesuchern ein vermehrtes Interesse an geistlichen Gemeinschaften und Angeboten von Gebetszeiten“, so Pastor Ernst von der Recke vom Arbeitskreis Frieden, der auch dem Laurentiuskonvent Laufdorf angehört. Dessen Mitglieder berichteten im als Oase gestalteten Geistlichen Zentrum auf dem Messegelände über ihre Lebensgemeinschaft und boten einen „Stationenweg der Hoffnung“ zu Gemeinschaften und Kommunitäten im Stadtbereich von Berlin an.

Der Kirchentag mündete am Sonntag in den traditionellen Abschlussgottesdienst, der aus aktuellem Anlass nicht in der Kirchentagsstadt selbst, sondern in der Lutherstadt Wittenberg stattfand. Dorthin fuhr auch ein Bus des Kirchenkreises Wetzlar unter Reiseleitung von Rüdiger Henke. Über den Freiluftgottesdienst auf den Elbwiesen mit rund 120.000 Teilnehmern und Predigt des Kapstädter Erzbischofs Thabo Makgoba sagte die 19-jährige Judith Schneider aus Naunheim: „Es war sehr beeindruckend, mit so vielen Menschen Gottesdienst zu feiern und das Vaterunser zu beten.“

Weitere Informationen gibt es unter www.kirchentag.de.

bkl

Bild 1: Starke Bühnenperformance, ausgefeilte Lichttechnik, harter Rocksound zu Themen des Glaubens – die Band „Sturzflut“ mit (obere Reihe,v.l.) Dennis Fischbach, Tim Weide, Johanna Fabel, Sina Dietrich, Ernest Aguirre, Thorben Dietrich und Tim Edelmann begeisterte ihr jugendliches Publikum. Mit dabei: zahlreiche Jugendliche aus den Kirchenkreisen Braunfels und Wetzlar.

Bild 2: „Welche Vorstellung von Gott entspricht mir am ehesten?“ – Darum ging es im Musical „Gottesbilderladen“, das die Evangelische Jugend Nauborn beim Kirchentag aufführte (v.l.): Heike Wolf, Melanie Aßmann, Johanna Timmer, Hanna Aßmann, Sharka Klein und Anika Wolf.

Bild 3: Großen Applaus gab es für „Bruder Martinus“, aufgeführt vom Projektchor aus Gemeindegliedern von Münchholzhausen, Dutenhofen und Wetzlar, gemeinsam mit Siegfried Fietz, Oliver Fietz und Bassist Gerhard Barth (v.l.).

Bild 4: Jugendlichen den roten Faden zu zeigen, der die Bibel durchzieht, ist das Anliegen von Pfarrer Dr. Armin Kistenbrügge aus Greifenstein. In einem Workshop hat er aus seinem Buch „#gottesgeschichte“ vorgelesen.

Bild 5: Vor dem Berliner Tempodrom, in dem zahlreiche Veranstaltungen für junge Menschen stattfanden: Jugendliche aus den Kirchengemeinden Albshausen, Steindorf und Burgsolms. (Foto privat)