Es ist Buß- und Bettag. Vielleicht einer der wichtigsten, aktuellsten kirchlichen Feiertage –
in einer Zeit, in der die Welt allzu oft verrücktspielt und das Leben auf dem Kopf steht.
„Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
In der Dämmerung steht er, groß und unbekannt,
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.“
Der Krieg, den Georg Heym so 1911 beschreibt, ist zu einer neuen harten Wirklichkeit geworden: in der Ukraine, in Israel/Palästina, im Sudan, im Kongo – und in hybrider Form auch bei uns. Aufgestanden aus tiefen, finsteren Gewölben ist auch eine neue Unmenschlichkeit. Wenn wir es oft verlernt haben, als Menschen menschlich miteinander umzugehen. Oder liebevoll mit unseren Mitgeschöpfen. Aufgestanden ist auch die Angst, die meine Seele frisst. Vor dem drohenden Untergang, der alle Kraft zur Hoffnung raubt und es dunkel in uns und um uns macht: „In der Dämmerung steht er, groß und unbekannt,
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.“
Es ist Buß- und Bettag. Von Buße, Umkehr, Sinneswandel handelt Jesu erste öffentliche Rede.
Sie ist nur ganze vier Sätze lang. „Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Tut Buße. Und glaubt an das Evangelium.“ (Mk 1,15)
Vier Sätze. Eine ganze Predigt. Keine Fußnoten. Keine lange Exegese. Keine Begründung. Doch was für eine heilsam andere Botschaft! Vier Sätze. Eine kleine, sorgfältige Symphonie. Und der dritte Satz, der mit der Buße, bildet dabei das Zentrum, den Kontrapunkt. Wir überhören ihn allzu leicht und allzu gerne. Weil wir gerne gleich von der Krise zur Rettung kommen möchten, uns an die netten anderen Sätze klammern wollen. Doch jeder Satz hat hier seine Funktion.
Satz 1: „Die Zeit ist erfüllt.“
Das kennen wir. Der Ruf zur Dringlichkeit. Nie wieder ist jetzt. Es reicht. So geht’s nicht weiter.
There is no planet B. Die Zeit ist jetzt.
Satz 2: „Das Reich Gottes ist nahe.“
Das ist positiv. Hoffnungsvoll. Heilsam anders.
Der lang ersehnte Wechsel. Die große Transformation. Gott mischt sich ein.
Das hört man gerne! Endlich mal eine gute Botschaft, die gute Nachricht.
Das gilt auch für den vierten Satz: „Vertraut dem Evangelium.“
Auch das tut meinen Ohren gut: Das Evangelium. Die Einladung zu glauben.
Der Zuspruch: Wir sind nicht allein, Gott ist mit uns!
Aber der dritte Satz. Der ist widerspenstig. Unbequem. Ein Kontrapunkt.
„Metanoiete – Kehrt um! Tut Buße!“ Also kommunikativ sexy klingt anders.
Doch der dritte Satz Jesu ist der Angelpunkt, das Scharnier in dieser Viererserie.
Nur durch ihn kommt es zur Verbindung von Gottes Reich und meinem Glauben.
Von den ersten beiden Sätzen und dem vierten Satz.
Vorwärts gelesen:
Weil die Zeit erfüllt und das Reich Gottes nahe ist – darum kann ich umkehren. Und entdecke neu die Freiheit zu glauben. Den Mut zum Leben. Das Evangelium.
Rückwärts gelesen:
Wenn ich dem Evangelium glaube, dann stellt das all mein Denken, Leben, Handeln auf den Kopf – oder besser gesagt: wieder vom Kopf auf die Füße. Weil ich realisiere, wer wirklich regiert: Gottes Reich ist nahe. Das gilt schon längst, ab jetzt.
Der dritte Satz, der mit der Buße, steht an der Wende zwischen meinem Glauben und Zweifel.
Zwischen dem aufgestandenen Monster und der heilvollen Gemeinschaft mit anderen.
Wir brauchen die Kunst des dritten Satzes:
als Lebensmut, uns von Gott neu ausrichten zu lassen.
als Freiheit, uns von Gott bewegen zu lassen.
als Kraft aus Gottes Zuspruch, die meiner Hoffnung Grund verleiht, meiner Seele Trost und meinen Füßen weiten Raum
Es ist Buß- und Bettag.
Der Tag, an dem wir die Kunst des dritten Satzes üben.
Der Tag, an dem mein Leben anders werden kann.
Der Tag, an dem ich spüre, dass die Welt, das Leben nicht so bleiben muss, wie sie sind.
Der Tag, an dem Gott neue Gemeinschaft unter uns stiftet.
Darum: Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Tut Buße. Und glaubt an das Evangelium. Lasst uns gemeinsam Buß- und Bettag feiern!
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