Die Tafel Wetzlar feierte am 6. November im Nachbarschaftszentrum Niedergirmes ein besonderes Jubiläum: Seit einem Vierteljahrhundert sorgt sie dafür, dass überschüssige Lebensmittel Menschen erreichen, die Unterstützung brauchen. Der voll besetzte Saal spiegelte wider, was diese Arbeit prägt: gelebte Solidarität, Verbundenheit, Respekt und ein großes Herz für einander. Zahlreiche Gäste aus Politik, Kirche und Wirtschaft waren gekommen, Grußworte und Tanzdarbietungen prägten den Abend, darunter auch ein Auftritt der Majoretten.

Von einer Garage zur verlässlichen Lebenshilfe

„Was 2000 in einer privaten Garage mit wenigen Engagierten begann, ist heute ein starkes Netzwerk“, erinnerte Diakon und Tafel-Geschäftsführer Christof Mayer in seinem Rückblick. Zugleich stellte er die Frage: „Sind 25 Jahre Tafel eigentlich ein Grund zu feiern?“ Die Antwort: Ja – und Nein.

Ja, weil in diesen Jahren viel Gutes gewachsen ist:

  • Über 1.000 Menschen fanden hier Beschäftigung und neue Chancen.
  • 35.000 Lebensmittelportionen erreichen jedes Jahr Menschen in der Region.
  • Insgesamt wurden in 25 Jahren mehr als 875.000 Portionen verteilt – rund 10.000 Tonnen Lebensmittel, die nicht im Müll gelandet sind.

Und doch bleibt die Realität ernst: Armut verschwindet nicht. Die Zahl der Kundinnen und Kunden steigt. Der Ukrainekrieg führte sogar zu einer Verdopplung des Bedarfs.

Vier Grundsätze, die tragen

Christof Mayer fasste die Haltung der Tafel in vier Sätzen zusammen:

  1. Lebensmittel retten – Menschen helfen.
  2. Die Würde des Menschen ist unantastbar.
  3. Chancen ermöglichen – in Kooperation u. a. mit dem Jobcenter.
  4. Einen Beitrag zu einer lebenswerten Gesellschaft leisten.

Die Tafel ist damit weit mehr als eine Ausgabestelle: Sie ist Begegnungsort, Anker, Chance.

Dank und Wertschätzung aus Politik und Kirche

Die Hessische Sozialministerin Heike Hofmann würdigte die Tafel als „Dienst am Nächsten, getragen vom Ehrenamt“. Sie erinnerte daran, dass Deutschland eines der reichsten Länder der Welt sei und zugleich viele Menschen auf Unterstützung angewiesen sind. Die Landesregierung wolle mit ihrem Aktionsplan gegen Armut gezielt helfen.

Wetzlars Oberbürgermeister Wolfgang Wagner sprach den Mitarbeitenden seinen tiefen Dank aus. Zugleich machte er deutlich: „Eigentlich sollte die Gesellschaft als Ganze dafür sorgen, dass niemand zurückgelassen wird.“ Die Tafeln seien eine Bürgerbewegung, die sichtbar mache, was Menschlichkeit bedeutet.

Auch Stephen Hofmann von der Sparkasse Wetzlar betonte: „Unser tägliches Brot gib uns heute – das ist nicht selbstverständlich.“ Er dankte für die Kraft, mit der hier geholfen wird, und wünschte Zuversicht und Unterstützung für die kommenden Jahre.

Assessor Christoph Schaaf überbrachte die Grüße des Kirchenkreises: Der Kirchenkreis ist stolz auf die hier geleistet Arbeit. Die Tafel sei Ausdruck gelebten Glaubens. Ausdruck des christlichen Selbstverständnisses „Aus Liebe zu Gott und den Menschen stellen wir uns an die Seite derer, die uns brauchen, zusammen mit der Stadt, dem Landkreis, dem Land, der Tafel Deutschland und einem Chor an Unterstützenden.“

Projekte und Wachstum durch die Jahre

Auf dem Weg durch 25 Jahre gab es viele Schritte:

  • 2000 Gründung in privater Garage
  • 2001 Neustart als „Wetzlarer Tafel Mahlzeit“ in Kooperation mit dem Diakonischen Werk
  • 2009 Übernahme Trägerschaft Wetzlarer Tafel „Mahlzeit“ durch Evang. Kirchengemeinde Niedergirmes
  • 2010–2012 Umbau und Eröffnung des Nachbarschaftszentrums Niedergirmes mit Tafelladen, Küche, Kleiderläden und Café
  • Neue Tafelausgaben in Braunfels, Schwalbach und bald Aßlar
  • Eröffnung des Tafelladens in der Wetzlarer Bahnhofstraße
  • Wachstum des Zentrallagers – zuletzt der Umzug an die Bahnhofnordseite mit 680 m² Fläche
  • 2019 Kruschelbude (Haushaltswaren und Kinderspielsachen) wird eröffnet

Neben der Lebensmittelausgabe entstanden und wuchsen Projekte wie Streetwork-Angebote, ein Kinderchor und „Zeit mit Kindern“. Sie mussten leider beendet werden. Doch der Kern blieb: Menschen begegnen Menschen – auf Augenhöhe.

Weitergehen – gemeinsam

Die Zahl der Mitarbeitenden liegt heute bei über 100 Frauen und Männern. Viele von ihnen haben selbst wenig und schenken dennoch viel. Ihr Engagement ist das Herz der Tafel.

„Wir lassen niemanden zurück“

Zum Abschluss klang das am stärksten, was die Tafel seit 25 Jahren trägt: Gemeinschaft. Aus Glaube, Mitmenschlichkeit und Respekt.

Oder, wie Oberbürgermeister Wagner es ausdrückte:

„Wir lassen keinen zurück. Wir nehmen alle mit.“

 

JCK

FOTOS: Red

FOTO 1: Zum Jubiläum dürfte eine Torte natürlich nicht fehlen, gebacken von einer der Köchinnen der Tafel.

FOTO 2: Bis auf den letzten Platz gefüllt – das Nachbarschaftszentrum in Niedergirmes.

FOTO 3: Zum Dank bekamen alle Mitarbeitenden der Tafel Wetzlar eine Tasse geschenkt.